Nana. Emile Zola
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Nana - Emile Zola страница 4
Allmählich stockte die Unterhaltung; nur ein paar schläfrige, fette Stimmen wurden noch ein paarmal laut; und inmitten dieses halblauten Geflüsters, dieses abebbenden Summens sprang aus dem Orchester ein flotter Walzer auf, dessen in die Beine fahrender einschmeichelnder Rhythmus reizte. Das heiter gestimmte Publikum lachte schon … Jetzt klatschte die auf den ersten Stühlen des Parterres sitzende Claque wütend in die Hände. Der Vorhang ging in die Höhe.
»Ei, sieh doch«, rief Faloise, der in einem fort plauderte, »dort bei Lucy steht ein Herr.«
Er betrachtete die Balkonloge rechts, deren vordere Sitze Caroline und Lucy innehatten. Im Hintergrund sah man das würdige Gesicht der Mutter Carolines und das Profil eines großen, blondhaarigen Herrn in einer Haltung, die jeden, auch den kleinsten Tadel ausschloß.
»Sieh doch«, wiederholte Faloise mit Hartnäckigkeit, »es ist ein Herr drinnen.«
Fauchery ließ sich bestimmen, sein Opernglas nach der bezeichneten Balkonloge hinaufzurichten. Aber er wendete sich sogleich wieder ab.
»Ach, das ist Labordette«, meinte er mit sorglos-unbefangener Miene, als ob die Gegenwart dieses Herrn für jedermann natürlich sein müßte und von keinerlei Belang sei.
Hinter ihnen wurde »Ruhe! Ruhe!« geschrien. Jetzt erst trat Stille im Saal ein, vom Orchester bis zum Amphitheater reckten sich die Kopfreihen erwartungsvoll aufmerksamer Zuschauer empor.
Der erste Akt der »Blonden Venus« spielte im Olymp. Zuerst traten Iris und Ganymedes auf, geleitet von einer Schar himmlischer Diener, die einen Chorgesang ausführten, während sie die Sitze der Götter für den hohen Rat zurechtstellten. Unterdessen hatte Faloise dem Auftreten Clarisse Besnus' Beifall geklatscht, einem von Bordenaves kleinen »Weiberchen«, das die Iris spielte und ganz in duftiges Blau gekleidet erschien, mit einer breiten, siebenfarbigen Schärpe, die über die Taille geschlungen war.
»Du weißt doch, daß sie den oberen Teil des Hemdes umlegt, um das blaue Gewand anziehen zu können«, wendete er sich an Fauchery und sprach dabei derart laut, daß er gehört werden mußte. »Wir haben heute morgen zur Probe kostümiert … Sie konnte das Hemd nicht so anbehalten, denn es guckte unter den Armen und am Rücken hervor.«
Eine gewisse Spannung lag jetzt über dem Saal; Rose Mignon war als Diana auf die Bühne getreten. Obwohl weder ihre Taille noch ihr ganzes Äußeres zu der Rolle paßte – sie war mager, und ihr Gesicht sah eigentümlich häßlich aus, wie das eines Pariser Gassenjungen –, erschien sie doch ganz niedlich, gleichsam wie eine Verspottung der mythischen Persönlichkeit selbst, die sie spielen sollte. Ihre erste Arie, in der sie sich mit lächerlich dummen Worten über Mars beklagte, der eben im Zuge sei, sie um der Venus willen zu verlassen, wurde mit einer schamhaften Zurückhaltung gesungen, hinter der sich aber so viel Schalkhaftigkeit barg, daß das Publikum in Hitze geriet. Der Herr Gemahl und Steiner, die Arm in Arm zusammenstanden, lachten wohlgefällig, und der ganze Saal brach in Johlen aus, als Prullière, der beliebte Schauspieler, in Generalsuniform als Mars auftrat, mit einem riesigen Federbusch am Hut und einen Säbel hinter sich herschleifend, der ihm bis an die Schulter reichte. Mars-Prullière war seinerseits Dianas überdrüssig; sie rümpfte ihm immer zu sehr die Nase. Diana dagegen schwor hoch und heilig, ihn zu überwachen und sich zu rächen. Das Duo endigte mit einem komischen Jodler, der Prullière mit seiner dem Miauen eines erregten Katers ähnelnden Stimme und seinen rollenden Bramarbasaugen überaus possierlich gelang, so daß aus den Logen helles Gelächter erschallte.
Die folgenden Szenen langweilten. Kaum gelang es dem alten Bosc, einem schwachköpfigen Jupiter, dessen Haupt von einer gewaltigen Krone bedeckt war, das Publikum auf einen Augenblick in jener Szene zu erheitern, wo er mit seiner Gattin Juno bei Gelegenheit der Bemessung des Wirtschaftsgeldes in häuslichen Streit gerät. Das Defilee der Götter Neptun, Pluto, Minerva und so weiter drohte sogar völlig schiefzugehen. Man wurde ungeduldig, und unruhiges Gemurmel schwoll langsam an, die Zuschauer verloren alles Interesse und schauten sich im Saal um. Lucy schäkerte mit Labordette; der Graf Vandeuvres streckte hinter Blanches kräftigen Schultern den Kopf hervor, während Fauchery nach der Muffatschen Familie hinüberschaute, den Grafen beobachtete, der so ernst dasaß, als habe er kein Wort bisher begriffen, oder die Gräfin anstarrte, die träumerisch umherblickte und kaum merklich lächelte. Aber plötzlich erschallte mitten in dieses allgemeine Mißbehagen das Händeklatschen der Claque. Alles wendete sich wieder der Bühne zu. War es endlich Nana? Diese Nana ließ ja entsetzlich lange auf sich warten!
Es war eine Deputation Sterblicher, welche Ganymed und Iris eingeführt hatten, respektable Bürgersleute, sämtlich gehörnte Ehemänner, die dem Herrn der Götter eine Klageschrift gegen Venus unterbreiten wollten, die die Herzen ihrer Eheweiber mit allzu viel Feuer auszustatten beliebt habe. Die Köpfe der Chorsänger waren possierlich, die Gesichter paßten trefflich zu dem Charakter, den ihre Eigner darstellten, ein Dicker vornehmlich mit einem runden Vollmondgesicht rief stürmisches Lachen hervor. Unterdessen war Gott Vulkan erschienen; grimmig nach seiner Frau forschend, die schon seit drei Tagen von ihm fortgelaufen sei. Die Rolle des Vulkan wurde von Fontan gespielt, einem Komiker von grobkörnigem Talent, der sich in einer toll-phantastischen Weise als Dorfschmied herausstaffiert hatte; er trug eine flammende Perücke, während seine nackten Arme mit von Pfeilen durchbohrten Herzen tätowiert waren. Eine Frauenstimme ertönte ganz laut im Saal: »Hu, ist das ein häßlicher Kerl!«, und alles lachte und klatschte stürmisch Beifall.
Die nun folgende Szene schien gar kein Ende nehmen zu wollen. Jupiter wandte sich darin umständlich an den Götterrat, um ihm die Bittschrift der gehörnten Ehemänner zu unterbreiten … Und noch immer keine Nana! Man sparte also wohl Nana auf, bis der Vorhang fallen würde? Ein so lang hinausgezogenes Warten ärgerte schließlich das Publikum, und heftiges Gemurmel ließ sich wieder von allen Seiten vernehmen.
»Die Sache geht schief«, flüsterte Mignon mit glückselig strahlendem Lächeln Steiner zu. »Geben Sie acht, es wird ein herrlicher Durchfall!«
In diesem Augenblick zerteilten sich die Wolken im Hintergrund und Venus erschien. Nana, ein für seine achtzehn Jahre sehr großes und kräftiges Frauenzimmer, stieg, angetan mit der weißen Göttinnentunika, das lange blonde Haar über den Schultern in einem schlichten Knoten geknüpft, in ruhiger, gemessener Haltung, dem Publikum fröhlich zulachend, nach der Rampe hernieder, während sie ihr Hauptlied anstimmte: »Wenn Venus abends die Beine sich vertritt… «
Als sie den zweiten Vers sang, schaute sich alles im Saal um. War das ein schlechter Witz? Oder war Bordenave eine Wette eingegangen? Noch niemals hatte man eine Stimme gehört,die so falsch und mit so geringer Schulung sang. Auch wußte sie sich nicht einmal auf der Bühne zu bewegen, sie warf die Hände nach vorn, ihr Körper blieb in einem beständigen Schaukeln, das man wenig schicklich und höchst ungraziös fand. Oho!-Rufe wurden schon laut im Parterre und in den Logen, ja man pfiff bereits, als plötzlich aus den Fauteuils der Orchesterreihe eine jugendliche Stimme laut und deutlich durch den Saal tönte: »Herrlich! Famos!«
Alles im Saal schaute sich um. Der kleine, kaum vom Gymnasium gekommene Bruder Studio hatte den Ausspruch getan.
Als er die Blicke der Leute auf sich gerichtet sah, wurde er sehr rot darüber, daß er, ohne es zu wollen, so laut gesprochen hatte. Der ihm zur Seite sitzende Daguenet prüfte ihn mit einem lächelnden Blick, das Publikum lachte, es schien entwaffnet und dachte nicht mehr daran, zu pfeifen; ein paar junge, weißbehandschuhte Herren, die ebenfalls von der anmutigen Erscheinung Nanas in Entzücken versetzt wurden, standen mit offenem Munde da und klatschten Beifall.
»Bravo! Famos! Famos! Bravo!«
Nana