Jerusalem. Selma Lagerlöf

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dem Schulmeister und saß in der Küche an dem großen Herd und plauderte mit Mutter Stina, des Schulmeisters Frau. Zuweilen kam er Abend für Abend. Bei ihm daheim war es so trübselig, seine Frau lag immer zu Bett, so daß da weder Ordnung noch Gemütlichkeit zu Hause war.

      Es war an einem Winterabend. Der Schulmeister und seine Frau saßen sehr still und ernst am Herd, aber in einer Ecke der Stube saß ein kleines zwölfjähriges Mädchen und spielte. Sie hieß Gertrud und war des Schulmeisters Tochter. Sie war ganz blond, fast weißhaarig, mit rosigen, runden Wangen, aber sie sah weder so aufgeweckt noch so altklug aus, wie Schulmeisterkinder auszusehen pflegen.

      Die Ecke, in der sie saß, war ihre Spielstube. Da hatte sie eine Menge verschiedener Sachen zusammengestapelt: kleine Scherben von farbigem Glas, zerbrochene Tassen, runde Steine vom Flußufer, kleine, dicke Holzklötze und vielerlei anderen ähnlichen Kram. Jetzt hatte sie schon lange ruhig dasitzen und spielen können; weder Vater noch Mutter hatten sie gestört. Sie war im Begriff, aus ihren Holzklötzen und Glasscherben etwas zu bauen, und war sehr eifrig dabei und fürchtete, nun an ihre Aufgaben und Arbeiten erinnert zu werden. Nein – das war herrlich, es sah gar nicht so aus, als wenn heute abend noch etwas aus der Extrarechenstunde bei Vater werden sollte.

      Sie hatte da in ihrer Ecke eine große Arbeit vor. Nichts Geringeres, als ein ganzes Kirchspiel zu bauen. Sie wollte das ganze Dorf aufbauen, sowohl die Kirche als auch die Schule. Der Fluß und die Brücke sollten auch mit dabei sein, sie wollte es ganz so machen wie es war.

      Sie hatte schon ein gutes Stück fertig. Die große Bergkette, die rings um den ganzen Kirchsprengel läuft, war aus großen und kleinen Steinen errichtet. In allen Schluchten hatte sie Wald aus kleinen Tannenzweigen gepflanzt, und oben nach Norden zu hatte sie zwei spitze Steine aufgestellt, das war der Klackberg und die Olofsmütze, die sich zu beiden Seiten des Flusses einander gerade gegenüber erhoben und das ganze Tal überragten.

      Das runde Tal zwischen den Bergen war mit Erde aus einem der Blumentöpfe der Mutter bedeckt, und so weit war alles in Ordnung; aber sie konnte sie nicht grün und hübsch bekommen, so wie sie sein sollten. Da tröstete sie sich damit, daß man ja denken könne, daß es Frühling sei, ehe Gras und Korn aufgegangen waren. Den Dalelf, der blank und breit durch den Kirchsprengel floß, konnte sie dahingegen mit einer langen, schmalen Glasscherbe ganz deutlich bezeichnen, und die lange Flußbrücke, die die beiden Teile des Dorfes verband, lag schön da und schwamm auf dem Elf.

      Die abgelegenen Höfe und Dörfer hatte sie auch schon mit roten Ziegelbrocken angedeutet. Ganz oben nach Norden zu, mitten zwischen Ackern und Wiesen, lag der Ingmarshof, aber das Dorf Kolaß lag ganz im Osten auf dem Bergabhang, und das Bergsaanaer Sägewerk am weitesten nach Süden zu, da, wo der Elf mit Stromschnellen und Gießbächen sich den Weg zum Tale hinausbahnte und die Bergkette durchbrach.

      Mit all dem Äußeren war sie eigentlich fertig. Die Landstraßen liefen, gut mit Kies bestreut, an dem Elf entlang und zwischen den Gehöften hindurch. Hier und da auf den Ebenen und um die Häuser herum waren Bäume gepflanzt, und das kleine Mädchen brauchte nur einen Blick auf das alles zu werfen, was sie aus Steinen und Erde und Tannenzweigen gebaut hatte. Gleich sah sie den ganzen Kirchsprengel vor sich. Sie meinte, es sei wunderbar schön.

      Einmal über das andere hob die kleine Gertrud den Kopf, um die Mutter zu rufen und ihr das Kunstwerk zu zeigen; aber sie besann sich jedesmal. Es war doch das klügste, die Eltern nicht daran zu erinnern, daß sie da war.

      Das, was noch zu tun übrig blieb, war das allerschwerste. Das war der Bau des Kirchdorfes, das sich mitten im Kirchsprengel zu beiden Seiten des Elfes ausbreitete. Sie mußte die Steine und Glasscherben unzählige Male verrücken, ehe sie Ordnung in all den Wirrwarr brachte. Das Haus des Dorfschulzen war im Begriff, das Haus des Kaufmanns zur Seite zu drängen, und das des Hardevogts konnte neben dem Haus des Doktors keinen Platz finden. Und allein schon an all das zu denken, was da war; an die Kirche und das Pfarrhaus, an die Apotheke und das Posthaus, an die großen Bauernhöfe mit den mächtigen Wirtschaftsgebäuden, an den Gasthof, an die Wohnung des Landinspektors, an die Telegraphenstation und die Tabaksfabrik. Endlich lag das ganze Kirchdorf mit seinen weißen und roten Häusern mitten in all dem Grünen da. Jetzt fehlte nur noch eins.

      Sie hatte sich so sehr mit all diesem beeilt, um mit dem Bau des Schulhauses zu beginnen, das auch im Kirchdorf stehen sollte.

      Denn zu der Schule mußte sie viel Platz haben. Die sollte hoch aufragen, dicht neben dem Elf, ein großes, weißes, zweistöckiges Haus mit einem großen Garten und einer hohen Flaggenstange mitten auf dem Hof.

      Sie hatte ihre besten Klötze zu der Schule aufgehoben, und trotzdem saß sie lange da und überlegte, wie sie damit zustande kommen sollte. Am liebsten hätte sie das ganze Gebäude so gebaut, wie es war, mit einem großen Schulzimmer in jedem Stockwerk und mit der Küche und der Stube, in der sie und die Eltern wohnten.

      Aber das würde viel Zeit erfordern; »sie lassen mich wohl nicht so lange in Ruhe,« dachte sie.

      Da ertönten Schritte auf der Diele. Da war einer, der draußen den Schnee abstampfte. Das kleine Mädchen begann plötzlich wieder eifrig zu bauen. »Nun kommt der Pfarrer und schwatzt mit Vater und Mutter, nun habe ich den ganzen Abend für mich.« Und mit frischem Mut begann sie den Grund zu dem Schulhaus zu legen, das so groß war wie der halbe Kirchsprengel.

      Auch die Mutter hatte die Schritte auf der Diele gehört. Sie saß an ihrem Spinnrocken; jetzt erhob sie sich und schob einen alten Lehnstuhl an den Herd. Zugleich wandte sie sich an ihren Mann: »Willst du es ihm nun heute abend sagen?« – »Ja,« antwortete der Schulmeister, »sobald ich Gelegenheit dazu finden kann.«

      Der Pfarrer kam jetzt herein, verweht und verfroren und froh, in einer warmen Stube am Ofen sitzen zu können. Er war wie gewöhnlich sehr redselig. Man konnte sich wirklich keinen angenehmeren Mann denken als den Pfarrer, wenn er so kam, um über alles mögliche zu plaudern. Er sprach außerordentlich leicht und frei über alles, was von dieser Welt war: man sollte nicht glauben, daß es derselbe Mann sei, dem das Predigen so schwer wurde. Aber sprach man mit ihm über etwas, das der anderen Welt angehörte, so bekam er einen roten Kopf und suchte nach Worten und sagte nie etwas, das sich des Anhörens verlohnte.

      Als nun der Pfarrer dasaß, wandte sich der Schulmeister nach ihm um und sagte erfreut: »Nun muß ich dem Herrn Pfarrer doch erzählen, daß ich ein Missionshaus bauen will.«

      Der Pfarrer wurde ganz bleich. Er sank förmlich in den Lehnstuhl zusammen, den Mutter Stina ihm hingestellt hatte. »Was sagen Sie da, Storm?« sagte er. »Soll hier ein Missionshaus gebaut werden? Was soll man denn mit der Kirche und mir? Sollen wir weg?«

      »Wir haben trotzdem gute Verwendung für den Herrn Pfarrer und die Kirche,« sagte der Schulmeister mit Überzeugung. »Meiner Meinung nach soll das Missionshaus die Kirche stützen. Es erheben sich ringsumher am Elf so viele Irrlehren, so daß die Kirche der Hilfe bedarf.«

      »Ich glaubte, Sie seien mein Freund, Storm,« sagte der Pfarrer mit betrübter Stimme. Eben noch war er sicher und froh hier hereingekommen, nun sank er plötzlich zusammen, so daß es fast aussah, als sei es mit ihm aus.

      Der Schulmeister verstand wohl, warum der Pfarrer so verzweifelt war. Er und die anderen wußten, daß der Pfarrer einst einen ausgezeichneten Lernkopf gehabt hatte. Aber er hatte in seinen jungen Jahren zu stark gelebt, bis er schließlich einen Schlaganfall bekommen hatte, und seither war er nie wieder so geworden wie früher. Er vergaß in der Regel selbst, daß er nur eine Ruine von einem Menschen war. Aber jedesmal, wenn er daran erinnert wurde, erfaßte ihn eine düstere Verzweiflung.

      Nun saß er fast wie tot in dem Lehnstuhl, und eine lange Zeit wagte niemand etwas zu sagen.

      »Der Herr

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