Jerusalem. Selma Lagerlöf

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zu Hause zu bleiben, wenn sie mir zeigt, daß Brita mich nicht lieb hat.«

      Er schlug einmal über das andere Mal auf die Bettstelle, als ob er in Gedanken etwas Hartes niederschlage, das ihm Widerstand leistete. »Nun will ich die Sache doch noch einmal versuchen. Wir Ingmars fangen wieder von vorne an, wenn etwas schief gegangen ist. Kein richtiger Mann kann sich darein finden, daß ein Frauenzimmer aus Groll über ihn verrückt wird.«

      Nie hatte er so tief empfunden, was für eine Niederlage er erlitten hatte. Er brannte vor Sehnsucht nach Genugtuung auf irgendeine Weise.

      »Es müßte doch verteufelt zugehen, wenn ich Brita nicht lehren könnte, glücklich auf dem Ingmarshofe zu werden,« sagte er.

      Noch einmal schlug er auf die Bettstelle, indem er aufstand, um an seine Arbeit zu gehen.

      »Ich bin fest überzeugt, daß der große Ingmar Kajsa hierher geschickt hat, um mich zu der Fahrt nach der Stadt zu veranlassen.«

      Ingmar Ingmarsson war in die Stadt gekommen und ging langsam den Weg nach dem großen Amtsgefängnis hinauf, das stolz auf einem kleinen Hügel über den städtischen Anlagen aufragte. Er sah sich nicht um, sondern schleppte sich, die schweren Augenlider gesenkt, mühselig dahin, als sei er ein uralter Mann. Er hatte in Veranlassung des Tages die schöne Tracht seiner Gegend abgelegt und einen schwarzen Tuchanzug und ein Manschettenhemd angezogen, das er schon ganz zerknittert hatte. Ihm war sehr feierlich zumute, aber doch noch ängstlich und widerwillig.

      Ingmar kam auf den kiesbestreuten Platz vor dem Gefängnis, da sah er einen Schutzmann, der die Wache hatte und fragte ihn, ob Brita Erikstochter heute entlassen werden sollte. – »Ja, ich glaube wohl, daß da heute eine freikommt,« sagte der Schutzmann. – »Es ist eine, die wegen Kindesmord gesessen hat,« klärte ihn Ingmar auf. – »Jawohl, ja, die kommt heute vormittag heraus.«

      Ingmar ging nicht weiter, sondern stellte sich an einem Baum auf und schickte sich an zu warten. Auch nicht eine Minute wandte er den Blick von dem Eingang ab. »Durch dieses Tor sind wohl manche hineingegangen, die es nicht allzu gut gehabt haben,« dachte er. »Ich will keine großen Worte machen,« sagte er weiter, »aber vielleicht hat es mancher, der da hineingegangen ist, kaum so schwer gehabt wie ich, der ich hier draußen stehe.«

      »Ja, ja, nun hat der große Ingmar mich doch hierher gebracht, um mir die Braut aus dem Gefängnis zu holen,« sagte er dann; »aber ich kann nicht sagen, daß der kleine Ingmar froh ist; ich hätte es gern gesehen, wenn sie durch eine Ehrenpforte geschritten käme, und wenn ihre Mutter an ihrer Seite gestanden und sie dem Bräutigam zugeführt hätte. Und dann hätte sie mit großem Gefolge zur Kirche fahren müssen. Und sie hätte neben ihm wie eine Braut geschmückt sitzen müssen und unter der Brautkrone lächeln sollen.«

      Das Tor tat sich mehrmals auf; es kam ein Pfarrer, und es kamen die Frau und die Mägde des Gefängnisdirektors und gingen in die Stadt hinab. Endlich kam Brita. Als das Tor aufging, stand Ingmar das Herz still. »Jetzt kommt sie,« dachte er. Seine Augenlider fielen zu, er war wie gelähmt und rührte sich nicht. Als er Mut gefaßt hatte und aufsah, stand sie vor dem Tor auf der Treppe.

      Er sah sie dort einen Augenblick stehen bleiben. Sie schob das Kopftuch zurück und sah mit klaren Augen auf die Landschaft hinaus. Das Gefängnis lag hoch, und über die Stadt und die großen Wälder hinweg konnte sie bis an die Berge ihrer Heimat sehen.

      Nun sah Ingmar, wie sie gleichsam von einer unsichtbaren Macht geschüttelt und gebeugt wurde. Sie hielt die Hände vor das Gesicht und setzte sich auf die Steintreppe nieder. Er konnte sie bis zu der Stelle, wo er stand, schluchzen hören.

      Da ging er über den Kiesplatz, stellte sich neben sie und wartete. Sie weinte so heftig, daß sie nichts hörte; er mußte lange dastehen. »Du mußt nicht so weinen, Brita,« sagte er schließlich. Sie sah auf. »Ach, Gott im Himmel, bist du hier?« sagte sie. Und im selben Augenblick stand alles das, was sie ihm angetan hatte, deutlich vor ihr, und auch das, was es ihn gekostet haben mußte, hierher zu kommen. Sie stieß einen lauten Freudenschrei aus, warf sich ihm um den Hals und schluchzte von neuem.

      »Ach, wie ich mich danach gesehnt habe, daß du hier sein solltest,« sagte sie. Ingmars Herz begann zu pochen, weil sie sich so zu ihm freute. »Was sagst du, Brita, hast du dich gesehnt?« sagte er und wurde gerührt. – »Ich mußte dich doch um Verzeihung bitten.«

      Ingmar richtete sich in seiner ganzen Höhe auf und wurde so kalt wie ein Steinbild. »Dazu ist immer noch Zeit,« sagte er, »ich meine, wir sollten nicht länger hier stehen bleiben.«

      »Nein, das ist ja kein Ort zum Stehenbleiben,« sagte sie demütig. – »Ich bin bei Kaufmann Löfberg eingekehrt,« sagte Ingmar, wahrend sie den Weg entlang gingen. – »Ja, da habe ich auch meine Kiste stehen.« – »Ich habe sie da gesehen,« sagte Ingmar, »sie ist zu groß, um hinten auf der Karre zu stehen, wir müssen sie da lassen, bis wir sie abholen lassen können.« Brita blieb stehen und sah zu Ingmar auf. Es war das erstemal, daß er erwähnte, daß er sie mit nach Hause nehmen wollte. »Ich habe heute einen Brief von Vater bekommen; er sagte, du meintest auch, daß ich nach Amerika reisen sollte.« – »Ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn du die Auswahl hättest. Es war ja nicht sicher, daß du mit mir nach Hause kommen wolltest.« – Sie beachtete wohl, daß er nicht sagte, daß er es wünsche, aber das konnte wohl auch daher kommen, daß er sich ihr nicht aufzwingen wollte. Sie wurde sehr unschlüssig. Es war ja nicht beneidenswert, eine wie sie nach dem Ingmarshofe heimzubringen. – »Sag' ihm, daß du nach Amerika reist, das ist das einzige, was du tun kannst,« sagte sie zu sich selbst. »Sag' ihm das, sag' ihm das,« spornte sie sich an. Während sie so dachte, hörte sie jemand sagen: »Ich fürchte, ich bin nicht stark genug, um nach Amerika zu reisen; sie sagen, man muß da drüben so hart arbeiten.« – »Es kam mir vor, als sei es jemand anderes, der antwortete und nicht sie selbst.« – »Ja, so sagt man,« sagte Ingmar leise. – Sie schämte sich über sich selbst, dachte daran, daß sie noch heute morgen zu dem Pfarrer gesagt hatte, sie ginge als ein neuer und besserer Mensch in die Welt hinaus. Sie war unzufrieden mit sich selbst, ging lange schweigend einher und dachte daran, wie sie es anstellen sollte, ihr Wort zurückzunehmen. Aber sobald sie etwas derartiges sagen wollte, hielt der Gedanke sie zurück, daß, falls er sie noch liebe, es schwarzer Undank sein würde, ihn von sich zu weisen. »Könnte ich nur seine Gedanken lesen,« dachte sie.

      Da sah Ingmar, daß sie stehen blieb und sich gegen eine Mauer lehnte. »Ich werde ganz verwirrt von all dem Geräusch und den vielen Menschen.« Er reichte ihr eine Hand und sie nahm sie, und Hand in Hand gingen sie nun die Straße hinab. »Jetzt sehen wir aus wie ein Brautpaar,« dachte Ingmar. Aber während der ganzen Zeit grübelte er darüber nach, wie es gehen würde, wenn er nach Hause käme, wie er mit seiner Mutter und allen den anderen zurechtkommen sollte.

      Als sie zu dem Kaufmann kamen, sagte Ingmar, sein Pferd sei ausgeruht, falls sie nichts dagegen habe, könnten sie die ersten Wegestrecken noch heute zurücklegen. Da dachte sie: »Jetzt ist der Augenblick gekommen, zu sagen, daß du nicht willst. Danke ihm jetzt und sage, daß du nicht willst.« Sie stand da und flehte zu Gott, daß sie sich doch klar darüber werden möge, ob er nur aus Barmherzigkeit gekommen sei. Währenddes zog Ingmar den Wagen aus dem Schuppen heraus. Er war frisch gestrichen, das Spritzleder glänzte, und die Sitze hatten einen neuen Bezug bekommen. Vorn am Wagenleder steckte ein kleiner, halbverwelkter Strauß aus Feldblumen. Als sie den sah, blieb sie stehen und besann sich, und währenddes ging Ingmar in den Stall, schirrte das Pferd an und zog es heraus. Da, als sie ein ebensolches kleines halbverwelktes Bukett an dem Zaumwerk sah, fing sie wieder an zu glauben, daß er sie wirklich lieb habe und dachte, es sei am besten zu schweigen. Sonst würde er vielleicht finden, daß sie undankbar sei und nicht verstünde, wie groß das Anerbieten war, das er ihr machte.

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