Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch

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Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski - Ricarda Huch gelbe Buchreihe

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und die Vergötterung seiner Person, heute nicht leicht zu verstehen, erklären sich am ehesten, wenn man ihn als die erste Erscheinung eines germanischen Menschen ansieht, der ganz frei von Vorurteilen der Kirche und des Staates, allen Bindungen, an die man gewöhnt war, von seiner Natur, seiner Einsicht, seinem Empfinden sich leiten ließ. Er wollte eine Revolution, aber eine geräuschlose, die nicht zertrümmerte, sondern durch einen ätzenden Hauch, der von ihm ausging, den Kitt zwischen den Fugen auflöste und durch ein fröhliches Gelächter den Schutz der Feierlichkeit und Unantastbarkeit von den unbrauchbar gewordenen alten Ordnungen, gleichsam Verkehrsstörungen, wegblies. Er war ein moderner Mensch, insbesondere könnte man ihn einen Menschen des 18. Jahrhunderts nennen, wenn auch die Beziehung zum Göttlichen im Mittelpunkt seiner Weltanschauung stand. Das war nicht nur eine Folge seiner Erziehung und Umgebung, sondern ihm natürlich; er verehrte Gott als den Schöpfer aller Dinge und den Geber alles Guten, als die Vernunft und den Geist des Friedens, der den Menschen zur Vervollkommnung berufen hat und führt. Er sah nicht so sehr Böses in der Welt als Torheit und Vorurteil, die durch Lachen und bessere Einsicht überwunden werden können. In einer Welt, die voll von plumpem Aberglauben, von Verfolgungswut, pedantischer Beobachtung halbverstandener Zeremonien und krassem Sinnengenuss war, führte er ein gebildetes Christentum ein, dessen Grundlage das Leben und die Worte des Erlösers waren. Aus ihnen sollte man Ergebung in den göttlichen Willen, Sittenreinheit, Hilfsbereitschaft gegen Schwache und Kranke und Duldung der Andersgearteten lernen. In der klaren Luft der durch Erkenntnis geläuterten Welt würde das Böse und Hässliche, würde der Irrtum nicht gedeihen können. Christus war der Erzieher zur Humanität. Der Eindruck, den diese geglättete, der menschlichen Vernunft entgegenkommende Religiosität auf die Zeitgenossen, namentlich auf die Humanisten, hervorbrachte, war außerordentlich. Man glaubte, das Ideal, das man erstrebte, die Verschmelzung von Christentum und Antike, in den Gedankengängen und in der Person des kleinen zarten Gelehrten verwirklicht zu sehen.

      Die Kirche konnte Erasmus keine Häresien nachweisen, denn er hütete sich, Glaubenssätze anzugreifen; aber sie spürte an ihm die ganz feine und darum sehr gefährliche Ketzerei. Seine Art, den ganzen Betrieb der Kirche zu verspotten, mit einer liebenswürdigen Bewegung beiseite zu schieben unter dem Beifall aller Gebildeten im Reich, ja im Abendland, erbitterte sie. Indessen er war unangreifbar, überall von Freunden und Verehrern umgeben. Er lebte auf einem Stückchen Welt, das sich, von seinem hellen freundlichen Geist beschienen, weiter und weiter auszubreiten und über den vorsintflutlichen Riesendrachen Kirche hinwegzuwachsen schien.

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      Reuchlin und die Dunkelmännerbriefe

       Reuchlin und die Dunkelmännerbriefe

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      Johannes Reuchlin (auch Johann Reichlin, gräzisiert Kapnion und Capnion, Capnio (Räuchlein); * 29. Januar 1455 in Pforzheim; † 30. Juni 1522 in Stuttgart) war ein deutscher Philosoph, Humanist und Diplomat.

      Von den beiden Augen Deutschlands, Reuchlin und Erasmus, war Erasmus, wenn man das von Hutten gebrauchte Bild weiter ausmalen will, der glitzernde, strahlenwerfende Stern, Reuchlin der klarspiegelnde See. Reuchlins Ruhm beruhte darauf, dass er nicht nur das Griechische, sondern auch das Hebräische verstand; man nannte ihn das dreisprachige Wunder. Von der Feinheit und Gewandtheit, mit der Erasmus das Lateinische handhabte, war Reuchlin weit entfernt. Der Reiz des Erasmischen Stils, der anmutige Witz, die die Lektüre seiner Bücher zu einem Vergnügen machten, ließen einen helleren Glanz auf seinen Namen fallen; aber das Ansehen Reuchlins wurde dadurch nicht verdunkelt. In dieser so sehr auf das Studium der alten Sprachen und die Rückkehr zu den Quellen gerichteten Zeit war es etwas Außerordentliches, das Griechische von einem Griechen und das Hebräische von einem Hebräer erlernt zu haben. Für das Hebräische war kaum ein anderer Weg möglich. Auch Manetti, ein Kaufmann in Florenz, hatte Hebräisch von einem Juden gelernt, um die Juden besser bekämpfen zu können, wie er sagte; inzwischen hatte er den Juden zwei Jahre lang in seinem Hause, las mit einem jüdischen Gelehrten das Alte Testament in hebräischer Sprache und liebte es überhaupt, mit gelehrten Juden über ihre Glaubenssätze zu disputieren. Man hatte damals ein zwiespältiges Verhältnis zum Hebräischen: einmal war es die Sprache des verachteten Volkes, das den Heiland verkannt und ans Kreuz geschlagen hatte; aber es war doch auch die Sprache, in der der Herr zum ersten Mal mit den Menschen gesprochen hatte, und es umgab sie ein Schimmer fremdartiger, uralter Heiligkeit, wie er keiner anderen eigen war.

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      Kabbala

       In der Kabbala, der Geheimlehre der Juden, glaubte Reuchlin Offenbarungen über die in Zahl und Zeichen verborgene göttliche Schöpferkraft zu finden; besonders die Namen des Unnennbaren sollten Zauberworte sein. An den Schluss der hebräischen Grammatik, die er verfasst hat, setzte er den Vers des Horaz: Exegi monumentum aere perennius; so sehr war er sich bewusst, etwas Großes und Dauerndes geleistet zu haben. Gerade die Kenntnis des Hebräischen nun war es, die ihn in einen verhängnisvollen Kampf verwickelte.

      An einem Herbsttag des Jahres 1509 besuchte Reuchlin ein getaufter Jude namens Pfefferkorn und brachte ein merkwürdiges Ansinnen vor.

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      Johannes Pfefferkorn * 1469, ursprünglich lautete sein jüdischer Vorname Joseph, war ein deutscher Jude, der zum Christentum konvertierte. Er nahm eine antijudaistische Haltung ein.

      Er habe, sagte er, von Kaiser Maximilian, während derselbe im Krieg gegen Venedig vor Padua lag, die Vollmacht erhalten, mit Zuziehung des Pfarrers und zweier obrigkeitlicher Personen jedes Ortes alle Bücher der Juden einzuziehen und zu vernichten, die etwas dem christlichen Glauben Abträgliches enthielten. Reuchlin, als in der hebräischen Literatur bewandert, möge ihn begleiten und sich an der Arbeit beteiligen. Mit der Begründung, dass er keine Zeit habe, lehnte Reuchlin ab und machte außerdem den unwillkommenen Mann auf gewisse Formfehler des Mandats aufmerksam, die der Ausführung des Auftrages hinderlich wären. Damit glaubte er die Sache abgetan. Pfefferkorn indessen gehörte zu jenen Konvertiten, die sich mit einer Art von Raserei in den neuen Glauben verbeißen und gegen den verlassenen wüten, vielleicht auch bewegte ihn wirklich, wie man ihm später nachsagte, Rache gegen seine früheren Glaubensgenossen, die ihn wegen begangener Verbrechen ausgestoßen hätten; kurz, er setzte seine Bemühungen fort, deren Ergebnis war, dass Reuchlin von Seiten des Kaisers um ein Gutachten angegangen wurde, ob es göttlich und löblich und dem heiligen christlichen Glauben nützlich sei, die Bücher der Juden, mit Ausnahme natürlich des Alten Testamentes, zu verbrennen. Außer von Reuchlin wurden Gutachten eingefordert von den Universitäten Köln, Mainz, Erfurt, Heidelberg, von dem Kölner Dominikanerprior Jakob Hochstraten (Jakob Hochstraten, geboren um 1460, verstorben am 21. Januar 1527 päpstlicher Inquisitor zur Zeit der Reformation.) und von dem getauften Juden Viktor von Carben, der ehemals Rabbiner, jetzt christlicher Geistlicher war.

      Victor von Carben, auch von Karben (geboren 1422; gestorben am 2. Februar 1515) war ein deutscher Rabbiner, der vom Judentum zum katholischen Glauben übertrat und Priester wurde.

       Das Gutachten, das Reuchlin ausstellte, ist ein schönes Zeugnis für seine Gewissenhaftigkeit, Unparteilichkeit und Geistesfreiheit. Er unterschied sieben verschiedene Klassen jüdischer Bücher: 1. die Heilige Schrift, die nicht in Frage komme. 2. den Talmud, der vielleicht manches wider den christlichen Glauben enthalte; allein dass die Juden Jesus Christus nicht als Gott anerkennten, sei nun einmal ihr Glaube und könne ihnen weiter nicht vorgeworfen werden, außerdem sei manches Gute darin. 3. die Kabbala, der Reuchlin am wenigsten etwas Böses nachsagte. 4. die Glossen oder Kommentare, die dem besseren Verständnis der Schrift dienten. 5. die Predigten und Zeremonienbücher, die zu dem von Kaiser und Papst den Juden zugestandenen Kult gehörten. 6. Bücher über Kunst und Wissenschaft.

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