Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte - Georg Wilhelm Friedrich Hegel gelbe Buchreihe

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der Kinder, um ihnen das Vortreffliche eindringlich zu machen, anzuwenden wären, so sind doch die Schicksale der Völker und Staaten, deren Interessen, Zustände und Verwicklungen ein anderes Feld. Man verweist Regenten, Staatsmänner, Völker vornehmlich an die Belehrung durch die Erfahrung der Geschichte. Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben. Jede Zeit hat so eigentümliche Umstände, ist ein so individueller Zustand, dass in ihm aus ihm selbst entschieden werden muss und allein entschieden werden kann. Im Gedränge der Weltbegebenheiten hilft nicht ein allgemeiner Grundsatz, nicht das Erinnern an ähnliche Verhältnisse, denn so etwas, wie eine fahle Erinnerung, hat keine Kraft gegen die Lebendigkeit und Freiheit der Gegenwart. Nichts ist in dieser Rücksicht schaler als die oft wiederkehrende Berufung auf griechische und römische Beispiele, wie diese in der Revolutionszeit bei den Franzosen so häufig vorgekommen ist. Nichts ist verschiedener als die Natur dieser Völker und die Natur unsrer Zeiten. Johannes von Müller, der bei seiner allgemeinen wie bei seiner Schweizergeschichte solche moralische Absichten hatte, für die Fürsten, Regierungen und Völker, besonders für das Schweizervolk solche Lehren zuzubereiten (er hat eine eigne Lehren- und Reflexionensammlung gemacht und gibt öfters in seinem Briefwechsel die genaue Anzahl von Reflexionen an, die er in der Woche verfertigt hat), darf dieses nicht zu dem Besten, was er geleistet hat, rechnen. Es ist nur die gründliche, freie, umfassende Anschauung der Situationen und der tiefe Sinn der Idee (wie z. B. bei Montesquieus Geist der Gesetze), der den Reflexionen Wahrheit und Interesse geben kann. Deswegen löst auch eine reflektierende Geschichte die andere ab; jedem Schreiber stehen die Materialien offen, jeder kann sich leicht für fähig, sie zu ordnen und zu verarbeiten, halten und seinen Geist als den Geist der Zeiten in ihnen geltend machen. Im Überdruss an solchen reflektierenden Geschichten ist man häufig zurückgegangen nach dem aus allen Gesichtspunkten umschriebenen Bilde einer Begebenheit. Diese sind allerdings etwas wert, aber sie bieten meistens nur Material dar. Wir Deutsche sind damit zufrieden: die Franzosen bilden dagegen geistreich sich eine Gegenwart und beziehen die Vergangenheit auf den gegenwärtigen Zustand.

      cc) Die dritte Weise der reflektierten Geschichte ist die kritische: Sie ist anzuführen, weil sie besonders die Art ist, wie in unsren Zeiten in Deutschland die Geschichte behandelt wird. Es ist nicht die Geschichte selbst, welche hier vorgetragen wird, sondern eine Geschichte der Geschichte und eine Beurteilung der geschichtlichen Erzählungen und Untersuchung ihrer Wahrheit und Glaubwürdigkeit. Das Außerordentliche, das hierin liegt und namentlich liegen soll, besteht in dem Scharfsinn des Schriftstellers, der den Erzählungen etwas abdingt, nicht in den Sachen. Die Franzosen haben hierin viel Gründliches und Besonnenes geliefert. Sie haben jedoch solch kritisches Verfahren nicht selbst als ein geschichtliches geltend machen wollen, sondern ihre Beurteilungen in der Form kritischer Abhandlungen verfasst. Bei uns hat sich die sogenannte höhere Kritik, wie der Philologie überhaupt, so auch der Geschichtsbücher bemächtigt. Diese höhere Kritik hat dann die Berechtigung abgeben sollen, allen möglichen unhistorischen Ausgeburten einer eitlen Einbildungskraft Eingang zu verschaffen. Dies ist die andere Weise, Gegenwart in der Geschichte zu gewinnen, indem man subjektive Einfälle an die Stelle geschichtlicher Daten setzt, – Einfälle, die für um so vortrefflicher gelten, je kühner sie sind, das ist, auf je dürftigeren Umständchen sie beruhen und je mehr sie dem Entschiedensten in der Geschichte widersprechen. –

       dd) Die letzte Art der reflektierten Geschichte ist nun die, welche sich sogleich als etwas Teilweises ausgibt. Sie ist zwar abstrahierend, bildet aber, weil sie allgemeine Gesichtspunkte (z. B. die Geschichte der Kunst, des Rechts, der Religion) nimmt, einen Übergang zur philosophischen Weltgeschichte. In unsrer Zeit ist diese Weise der Begriffsgeschichte mehr ausgebildet und hervorgehoben worden. Solche Zweige stehen in einem Verhältnis zum Ganzen einer Volksgeschichte, und es kommt nur darauf an, ob der Zusammenhang des Ganzen aufgezeigt oder bloß in äußerlichen Verhältnissen gesucht wird. Im letzteren Falle erscheinen sie als ganz zufällige Einzelheiten der Völker. Wenn nun die reflektierende Geschichte dazu gekommen ist, allgemeine Gesichtspunkte zu verfolgen, so ist zu bemerken, dass, wenn solche Gesichtspunkte wahrhafter Natur sind, sie nicht bloß der äußere Faden, eine äußere Ordnung, sondern die innere leitende Seele der Begebenheiten und Taten selbst sind. Denn gleich dem Seelenführer Merkur ist die Idee in Wahrheit der Völker- und Weltführer, und der Geist, sein vernünftiger und notwendiger Wille ist es, der die Weltbegebenheiten geführt hat und führt: ihn in dieser Führung kennen zu lernen, ist hier unser Zweck. Das führt auf

       c) die dritte Gattung der Geschichte, die philosophische. Wenn wir rücksichtlich der beiden vorangegangenen Arten nichts erst aufzuklären hatten, weil sich ihr Begriff von selbst verstand, so ist es anders mit dieser letzten, denn diese scheint in der Tat einer Erläuterung oder Rechtfertigung zu bedürfen. Das Allgemeine ist jedoch, dass die Philosophie der Geschichte nichts anderes als die denkende Betrachtung derselben bedeutet. Das Denken können wir aber einmal nicht unterlassen; dadurch unterscheiden wir uns von dem Tier, und in der Empfindung, in der Kenntnis und Erkenntnis, in den Trieben und im Willen, sofern sie menschlich sind, ist ein Denken. Diese Berufung auf das Denken kann aber deswegen hier als ungenügend erscheinen, weil in der Geschichte das Denken dem Gegebenen und Seienden untergeordnet ist, dasselbe zu seiner Grundlage hat und davon geleitet wird, der Philosophie im Gegenteil aber eigne Gedanken zugeschrieben werden, welche die Spekulation aus sich ohne Rücksicht aus das, was ist, hervorbringe. Gehe sie mit solchen an die Geschichte, so behandle sie sie wie ein Material, lasse sie nicht, wie sie ist, sondern richte sie nach dem Gedanken ein, konstruiere sie daher, wie man sagt, a priori. Da die Geschichte nun aber bloß aufzufassen hat, was ist und gewesen ist, die Begebenheiten und Taten, und um so wahrer bleibt, je mehr sie sich an das Gegebene hält, so scheint mit diesem Treiben das Geschäft der Philosophie in Widerspruch zu stehen, und dieser Widerspruch und der daraus für die Spekulation entspringende Vorwurf soll hier erklärt und widerlegt werden, ohne dass wir uns deswegen in Berichtigungen der unendlich vielen und speziellen schiefen Vorstellungen einlassen wollen, die über den Zweck, die Interessen und die Behandlungen des Geschichtlichen und seines Verhältnisses zur Philosophie im Gange sind oder immer wieder neu erfunden werden.

       Der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringt, ist aber der einfache Gedanke der Vernunft, dass die Vernunft die Welt beherrsche, dass es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei. Diese Überzeugung und Einsicht ist eine Voraussetzung in Ansehung der Geschichte als solcher überhaupt; in der Philosophie selbst ist dies keine Voraussetzung. Durch die spekulative Erkenntnis in ihr wird es erwiesen, dass die Vernunft, – bei diesem Ausdrucke können wir hier stehen bleiben, ohne die Beziehung und das Verhältnis zu Gott näher zu erörtern –, die Substanz wie die unendliche Macht, sich selbst der unendliche Stoff alles natürlichen und geistigen Lebens wie die unendliche Form, die Betätigung dieses ihres Inhalts ist. Die Substanz ist sie, nämlich das, wodurch und worin alle Wirklichkeit ihr Sein und Bestehen hat, – die unendliche Macht, indem die Vernunft nicht so ohnmächtig ist, es nur bis zum Ideal, bis zum Sollen zu bringen und nur außerhalb der Wirklichkeit, wer weiß wo, als etwas Besonderes in den Köpfen einiger Menschen vorhanden zu sein; der unendliche Inhalt, alle Wesenheit und Wahrheit, und ihr selbst ihr Stoff, den sie ihrer Tätigkeit zu verarbeiten gibt, denn sie bedarf nicht, wie endliches Tun, der Bedingungen eines äußerlichen Materials gegebener Mittel, aus denen sie Nahrung und Gegenstände ihrer Tätigkeit empfinge, sie zehrt aus sich und ist sich selbst das Material, das sie verarbeitet; wie sie sich nur ihre eigne Voraussetzung und der absolute Endzweck ist, so ist sie selbst dessen Betätigung und Hervorbringung aus dem Inneren in die Erscheinung, nicht nur des natürlichen Universums, sondern auch des geistigen, – in der Weltgeschichte. Dass nun solche Idee das Wahre, das Ewige, das schlechthin Mächtige ist, dass sie sich in der Welt offenbart und nichts in ihr sich offenbart als sie, ihre Ehre und Herrlichkeit, das ist es, was, wie gesagt, in der Philosophie bewiesen und hier so als bewiesen vorausgesetzt wird.

       Diejenigen unter Ihnen, meine Herren (Damen saßen zu Hegels Zeiten noch nicht in den Vorlesungen der Universitäten), welche mit der Philosophie noch nicht bekannt sind, könnte ich nun etwa darum ansprechen, mit dem Glauben an die Vernunft, mit dem Verlangen, mit dem Durste nach ihrer Erkenntnis zu diesem Vortrag der Weltgeschichte hinzuzutreten:

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