ziehen, bergan, und genießen die Lust, dass sie es mit dem Handwagen geschafft haben. Die anderen aber, die fahren in einem Himmelswagen, der dahingleitet und ausgleitet wie ein Schlitten. Das ist der Unterschied. Wie oft war er bei ihr und sie bei ihm, nie ist es soweit gekommen, wie er es wollte oder sie. Ob sie in ihrem Zimmer des Schwesternhauses zu ihrem Schutz die Schwesterntracht trug, weißer Kittel und weißes Häubchen, das war schlecht zu sagen. Jedenfalls aber war es für Melchior Meiler ein Hindernis. Hielt ihn zurück, sie einfach hinzulegen oder umzulegen. Auch wohl eine verrückte und überholte und anerzogene Hemmung. Denn auch in einer Krankenschwesterntracht steckt das Weib, und auch im grauen oder schwarzen Umhang der Nonne steckt das Weib. Unter der weißen, grauen oder schwarzen Tracht oder Kutte lebt das Weib, schaukelt ein Busen, sitzt zwischen den Beinen die Scham mit ihren Haaren. Nein, Meiler kam Mira Vignaud einfach nicht näher, die Küsse, die sie wechselten, waren mehr freundschaftlich (so meinte er), obwohl sie es von seiner Seite eigentlich nicht waren. Gut, richtige Bruder-und-Schwester-Küsse. Heute aber, heute, am Tage oder in der Nacht, sollte es sein, das hatte er sich geschworen. Mira saß auf einem Cocktailsessel vor ihm, ihr enger Rock spannte sich fest um ihre Schenkel. Meiler sah ihre schönen ebenmäßigen Knie und auch viel von den SchenkeIn. Nur gut, dass er eine straff sitzende Unterhose trug, sonst könnte sie sehen, wie erregt er war, und das sollte sie nicht. Sich vorzustellen, dass ihre langen, weißen Hände sein Wollen umfassen und es streicheln, könnte es bald mit seiner Fassung vorbei sein. Und wenn er sich weiter vorstellt, dass er in sie eindringt, und sie ihre nackten Beine um seine Lenden schlägt… nein… nein, nicht mehr weiter denken. Meiler stand auf, trat an ihren Sessel und küsste sie, verlangend, fordernd. Kein Bruder-oder-Schwester-Kuss! Und Meiler fühlte eine Erwiderung. Eine Erwiderung, wie er sie in den Wochen ihrer Bekanntschaft noch nicht erlebt hatte. Ihre Zunge suchte auch die seine und wanderte auf seinen Lippen hin und her und zirkelte auch in seinem Mund. Sein Wollen presste sich gegen ihren Arm, hart und fest, sie musste ihn fühlen, und jetzt sollte sie ihn fühlen. Jetzt sollte sie wissen, wie es um ihn stand. Mira griff in Meilers Nackenhaare und drückte seinen Kopf fest zu sich und biss sich an seinen Lippen fest. Meiler hatte seine Hände frei, griff in ihren Blusenausschnitt und streichelte die linke Brust. Ihre starke, harte Brustwarze konnte er zwischen seinen Fingerkuppen fühlen Plötzlich ließ sie ihn los, ihre Arme hingen schlaff herab, die Augen waren geschlossen, und sie atmete schwer und tief. „Mel... ach, geliebter Mann.., du!“ Das konnte er verstehen. Nun war die Frucht reif. Vollreif. Die Frucht war jetzt bis zur Süße gereift. Die Frucht, die er von der Knospe und Blüte an sah und erlebte, blühen, und reifen sah. Von der Knospe zur Blüte, und von der Blüte zur Frucht, zur jungen und jetzt reifen Frucht. Und diese Frucht war für ihn, er brauchte sie nur zu pflücken, zögerte er noch, würde die Frucht überreif werden und abfallen, und das wollte er nicht. So trug er sie auf die Couch. Langgestreckt lag sie da, die Augen geschlossen. Das Tageslicht des Winters fiel durch die Blattgewächse des Zimmers. Wie Meeresrauschen der Straßenverkehr, gedämpft, dunkel. Mira bewegte sich nicht, als er ihr die Bluse auszog, den Büstenhalter abnahm. Sie bewegte sich nicht, nur ihre Augenlider flatterten ein wenig. Früchte, reife, vollreife. Nun beugte Meiler sich über ihre Brust und streichelte sie, fuhr mit sachten und leisen Händen darüber hin. Küsste den fieberheißen Mund, der nicht mehr küsste, sondern nur noch sog und seinen Speichel trank. Nie vorher hatte er eine Frau gekannt, und er konnte sich über Mangel an Frauenbekanntschaften nicht beklagen, die so küsste wie Mira Vignaud. Und wie eine Frau, so liebt sie auch, denn der Kuss ist der Vorhof der Leidenschaft. Der Kuss ist der Weg, der in die Parkanlagen führt! Und er warf sich stöhnend auf sie, so wie er war, angezogen. Er warf sich stöhnend auf sie, so wie er war, halb angezogen oder halb ausgezogen. Und Meiler drückte sein Geschlecht auf ihr Geschlecht, sein Wollen auf ihr Wollen. Dazwischen waren Unterhose und Hose, dazwischen waren Rock und Seidenhöschen. Weit ab von einem Gewaltakt, weit ab! Es ist doch seltsam, wie weit haben uns doch die Zivilisation und die Religion und das Elternhaus und die Erziehung von der Natur entfernt, wie weit. Was muss man doch alles überbrücken und niederreißen, aufknöpfen, ausziehen, aushaken, aufziehen, bis man so ist, wie man natürlich sein muss oder will - nämlich nackt. Scham? Ist die Scham eigentlich natürlich? Tiere kennen doch auch keine Scham. Ist die Scham anerzogen? Sie müsste doch wohl natürlich sein, denn Meiler dachte an Baströckchen und Lendenschurz und Feigenblatt. Ja, ans Feigenblatt dachte er auch, besonders ans Feigenblatt. Natürlich dachte er ans Feigenblatt, denn wo das saß, darunter, dahin, dahinein wollte er, das war jetzt das Bestreben seines Wollen, seiner Begierde und seiner Sehnsucht. Getan werden musste etwas, aber es war doch schwer für ihn. Schattete noch die Krankenschwester über ihn, sah er doch ihre reine, weiße Tracht und ihre weiße Haube. Hemmte ihn die Erinnerung an ihre Hände, die ihn pflegten, ihn verbanden, ihm die Ente anlegten oder das Sitzbecken unterschoben? Sah er wieder die liebende pflegende Mutter? Deubel noch mal! jetzt hatte sie doch keine weiße Tracht an und trug auch kein weißes Häubchen. Jetzt pflegte sie doch auch nicht, verband ihn nicht, legte ihm keine Ente an und schob kein Sitzbecken unter. Jetzt lag sie doch halbnackt vor ihm, und nur noch der Rock und nur noch das Höschen, dann war der Weg doch frei, frei, um einzudringen in ihr Geschlecht. Dann war es doch soweit! War es dann soweit? Nein, das war auch noch nicht alles, und das war es auch nicht, denn er musste sich auch noch entkleiden. Und das war schlimm und schwer, das war überhaupt das schwerste. Aber sie hat doch die Augen geschlossen und blinzelt auch nicht. Widerstandslos ließ Mira sich den Rock ausziehen, und, das schwarze Seidenhöschen war die letzte Hülle. Er aber zog sich nicht aus, er tat es doch nicht und noch nicht, entledigte sich nur seiner Jacke, knöpfle seine Hose auf, und sein Geschlecht, bis zum äußersten gespannt, suchte sich mühelos seinen Weg und wurde aufgehalten. Melchior Meiler kannte die Krankenschwester Mira Vignaud nicht wieder, sie verleugnete ihr französisches Blut nicht. Mit fast wilder Gier griff sie nach seinem Geschlecht, drückte es schmerzhaft und führte es ein. Warm und nass drang es ein! Miras Augen waren weit geöffnet, und sie stieß kurze abgehackte Schreie aus. Meiler erschien es, als seien ihre Augen noch dunkler, dunkler noch als ein Bergsee, auf den die Schatten des Abends und der großen Tannen lagen. Und als die Erfüllung kam, und sie kam zuerst bei ihr und kurz darauf bei Meiler, stand ein Schrei im Zimmer, ein Schrei, als ob ein Mensch in Todesangst schrie. Mira schlang ihre Beine um die Lenden Meilers, und ihr Körper zuckte wie eine Katze, die man erschlagen hatte. Ihre Nägel gruben sich in sein Rückenfleisch. Diese Nacht blieb sie bei ihm. Sie badeten und liebten sich und badeten und liebten sich wieder. Lagen dann ermattet nebeneinander, und ihre Körper berührten sich, so eng lagen sie nebeneinander.
Sind die Menschen leer und körperlich ausgebrannt, dann huscht die Seele hervor und die Sprache und die schonungslose Offenheit. Sie sagte, dass sie ohne das nicht leben könne, dass sie krank sei, wenn sie das nicht hätte und dass ihr Körper das verlange. Sie müsste einen Mann haben, täglich, nächtlich. Aber warum sie denn bei ihm so lange gewartet hätte, das, alles könnte doch schon vorher gewesen sein. Ja, sein Verlangen wäre wohl nicht so stark gewesen, und es sollte auch nicht ohne Sympathie sein. So wäre es ja nun auch nicht, dass sie mit jedem x-beliebigen Mann ins Bett gehen würde, so nun auch nicht. Sympathie und Zuneigung müssten schon da sein, und so lange könne sie auch warten. Außerdem wolle sie den Mann nicht gleich erschrecken, erschrecken und schockieren mit ihrem Trieb. Das sagte sie auch noch, dass, so er wieder auf See sei, sie auch mit einem anderen Mann schlafen ginge. Er könne aber auch getrost irgendwo in einem ausländischen Hafen mit einer Frau schlafen gehen, das würde sie ihm nicht verübeln. Gleiches Recht für alle, für Mann und Frau. Sollte sein Schiff wieder im Heimathafen liegen, wolle sie für ihn da sein, nur für ihn, und er müsse für sie da sein, nur für sie. „Liebst du mich, Mira?“ „Du, ich weiß wirklich nicht, was Liebe ist, und ob es sie überhaupt gibt, das weiß ich auch nicht. Du bist mir sympathisch, und du erfülltest mich, und das beim ersten Male. Du bist, glaube ich, kein Egoist!“
Kapitel 6
Die Nacht war lang. Die Nacht wurde ruhig. „Das Mädchen fürs Geld“ ging lallend ein. Sie waren am Ende. Zum Teil lagen sie in ihren Arbeitsklamotten auf den Kojen, zum Teil hockten sie, vom Alkohol k. o. geschlagen, in der Matrosenmesse zwischen leeren Flaschen und vollen Aschenbechern. Aber was macht’s? Nichts macht es. Sie können feiern und saufen und singen. Die Schiffsleitung drückt alle Augen zu. Was sollte wohl werden, wenn die gesamte