Hein Bruns: In Bilgen, Bars und Betten. Hein Bruns

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Hein Bruns: In Bilgen, Bars und Betten - Hein Bruns maritime gelbe Buchreihe

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die Worte hört. Bilder, Fotos verblassen so schnell, sieht man nach Wochen gar nicht mehr. Nur Erinnern bleibt! Ja, Erinnern bleibt... und vielleicht auch Hoffnung auf neue Freuden und neues Glück. Und wenn einen die Begierde wieder anspringt und das Erinnern an Bett, Beine und Brüste. An Küsse! Na ja! Nur eine Reise! Eine Reise! Wie lang die Reise wohl wird? Klein ist sie ja, die Kammer, verdammt klein, aber für Meiler genügte sie. Er war doch soweit objektiv, dass er sich sagte, bei einem so alten Schiff kann man nichts Besseres verlangen. Außerdem wollte er hier ja nur eine Reise machen (so hatte man ihm doch gesagt), und die würde er schon rumkriegen, so oder so.

      Meiler zog sich einen Kesselanzug an und stieg in den Maschinenraum hinunter. Wie ein gewaltiger, ruhig und behäbig liegender vierkantiger Felsblock nahm der Hauptmotor den größten Platz ein. Seine Kraft, jetzt ruhend und auch schlafend, betrug mehrere Tausend Pferdestärken. Blankblitzende Treppengeländer! Weißlackierte Maschinenraumschotten glänzten im Lack und im Licht von hochkerzigen Lampen. Wohlige Wärme. Dieselölgeruch! Zum Trocknen aufgehängtes Arbeitszeug! Das Wummern und Tumben des Hafendiesels!

      Auf knallrot gemalten Podesten stehen übermannshohe Reservekolben und Laufbuchsen. Und es präsentieren sich Maschinenschuhe, aus Leder, aus Plastik, aus Perlon. Ölgetränkt die aus Leder, schiefhackig.

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      Niedergelatschte und ausgetretene. Bunt gewürfelt. Ehemalige Salonschleicher sind auch dabei und auch Sportschuhe. Hier erleben sie ihren Niedergang nach dem Motto: Der Mohr kann gehen. Schuhe, hier auf der Altersbank, ausrangierte Sonntags- und Gebrauchsschuhe erzählen Geschichten. Schuhe von zwölf Mann Maschinenpersonal! Meiler stieg die Treppe, dreiunddreißig Stufen zählte er, hinunter. Das Wummern und Tumben des Hilfsdiesels wurde stärker und lauter. Den wachhabenden Ingenieursassistenten, auf allen deutschen Schiffen kurz der Assi genannt, fand er besoffen und schlafend vor. Wie ein zusammengeknüllter Scheuerlappen hockte er neben der Schalttafel. Meiler stieß ihn an, rüttelte ihn, all das half nichts. Ganz schön besoffen... und wohl auch übermüdet. Meiler hielt ihm jetzt die Nase zu. Der Assi japste einige Male, holte rasselnd durch den Mund Luft und wurde wach. Verglaste, verständnislose Augen sahen, stierten Meiler an. Dann kam Leben in die Augen, wie sie einen Fremden vor sich sahen. „Nun stehen Sie man erst mal auf, ja?“ Der Assi stand tatsächlich auf, damit hatte Meiler nicht einmal gerechnet. „So ist’s schön, so ist’s recht, Freund der Nacht. Ich bin der neue Dritte hier“, sagte Meiler und hielt dem Assi die Hand hin. „Meiler heiße ich!“ — „Assistent Hansen!“ Ein kurzer Händedruck! Wie er denn auf Wache schlafen könne. „Na“, nuschelte der hoffnungsvolle Nachwuchs der Maschinenlaufbahn, „wenn der Diesel das Bein rausstreckt, dann tut er es auch, wenn ich wach bin, oder nicht?“ Ein stichhaltiges Argument, weiß Gott! Meiler fixierte den Assi, einen bulligen Kerl mit Stiernacken und wirren struppigen Haaren, eine Zeitlang und sagte dann: „Ja, aber es wird doch Gasöl gebunkert, da müssen Sie doch auch aufpassen, nicht wahr?“ „Nee, das macht der wachhabende Ingenieur hier... damit habe ich als Assi nichts zu tun!“ — „Das wäre dann also ich, nicht wahr?“ fragte Meiler. „Das kann wohl sein, wenn Sie der neue Dritte sind!“ Ach so, der wachhabende Ingenieur, ja, das stimmt ja auch wieder. Das bist du doch, Meiler, stimmt, trifft genau zu. Man muss tatsächlich sagen, der Assi hat Recht und versteht seinen Laden. Denn man zu. Ob er sich wohl wieder zum Schlafen hinsetzt? Meiler fragte sich das noch, als er sich wieder treppauf hantelte; fragte sich auch, wieso und warum der Assi 700 DM im Monat verdient, und das bei freier Verpflegung und Unterkunft. Wohl nur für Anwesenheit? Wahrscheinlich. Wohl nur für Essen und Trinken und Schlafen an Bord, für zollfreie Zigaretten und zollfreien Schnaps? Oder der Schiffsbesetzungsordnung wegen? Sollte die Anwesenheit des Ingenieurassistenten Hansen nicht doch ein wenig mit der Arbeit zu tun haben? Möglich wäre das schon. Sicher aber weiß der Assistent Hansen, warum er an Bord ist. Ob der Reeder Balduin Bollage das auch wohl weiß? Doch, der weiß das auch, auf jeden Fall aber wissen es die Inspektoren, die Handlanger und Hilfswilligen des Reeders. Wissen aber wollen sie nicht, dass der Assistent Hansen geschlafen hat, während seiner Wache geschlafen hat. Denn sie sind froh, dass so ein Schiff besetzt ist, so ein alter „Zossen“ (das Wort gebrauchen sie selbst natürlich nicht) laut Schiffsbesatzungsordnung natürlich. Denn nur voll besetzt darf ein Schiff auslaufen, so halten es in der Regel die großen und auch kleinen Reedereien. Bei der Küstenschifffahrt sieht das ganz anders aus. Da sieht es, außer anderen Dingen, bezüglich Schiffsbesetzung verheerend aus. Zum Teil tun sie es auch aus Sparsamkeitsgründen. Und die Inspektoren liegen abends im Bett und beten ein Dankgebet, dass es ihnen gelungen ist, mit Gottes Hilfe den Dampfer X wieder voll zu besetzen. Danken Gott weiter, dass nun der Dampfer X wieder auf See ist. Und draußen, draußen auf See? Was draußen auf See ist, das ist nicht mehr ihre Sache, bis das Schiff zurückkommt, sind wieder einige Monate vergangen. Draußen auf See, die Reibereien und Zerwürfnisse, die müssen sie jetzt selbst lösen. Der Kapitän und seine Mitarbeiter und der Chefingenieur und seine Mitarbeiter. Sie müssen begradigen, ausgleichen, beschwichtigen, klein beigeben. Drohen können sie nicht, mit Entlassung zum Beispiel. Diese Drohungen ziehen nicht, denn Herr Inspektor Seifert würde sagen: „Mein Gott, Herr Kapitän, konnten Sie denn den Mann nicht ein bisschen individuell behandeln?“ Diese Drohungen ziehen sowieso nicht, denn da steht schon der Inspektor Soundso von der Reederei Soundso und buhlt um diesen entlassenen Mann Soundso. Weil er ihn braucht, bitter-bitternötig braucht, damit er ein Schiff besetzen kann, voll besetzen, und damit dieses Schiff auslaufen kann. Das Schiff muss raus, denn das nächste ist schon wieder gemeldet, und auch die Abmusterungsliste, d. h. die Liste, in der verzeichnet ist, wer von der Besatzung abmustern will, von Bord will. Von Ressort Deck gehen 52 Mann, einschließlich II. und III. Offizier. Von Ressort Maschine mustert alles ab, außer Chefingenieur, da gehen der II., der III., der IV., da gehen die Assistenten, die Motorenwärter und Reiniger. Koch, Bäcker, Steward, Messesteward, Messejunge, alle, alle gehen. Sie kommen meistens irgendwie einmal wieder zur Seefahrt zurück. Oftmals ist zuerst das Geld versoffen, verprasst, vertan - und das kann „Hein Seemann“ ganz fix. Oder sie sind von ihren Mädchen satt, und auch die Mädchen sind schnell satt, so der Seemann kein Geld mehr hat. Andere haben mit ihren Eltern Krach gehabt, und es gibt auch welche, die sich mit ihren Ehefrauen erzürnt haben. Sie haben alle irgendwelche Gründe, zur Seefahrt zurückzukehren, genauso, wie sie Gründe hatten, der Seefahrt den Rüchen zu kehren. Sie alle aber werden immer und immer wieder mit lieben Gesichtern, freundlichen Gesichtern aufgenommen. Sie werden gesiezt, und sollten sie auch gerade Schulentlassene sein. Ihnen wird Platz angeboten, wohl auch eine Zigarette, manchmal auch ein Drink. Es soll vorgekommen sein, dass Inspektoren solche „Freundlichkeiten“ aus eigener Tasche bezahlten. Auch so kann man seine Stellung an Land halten, sonst müsste man doch selbst wieder zur See fahren. Jawohl, ein Inspektor muss Einfühlungsvermögen haben, muss etwas von Menschenführung verstehen und muss reden können... auch mit dem so genannten kleinen Mann… und so er das kann, hat er gewonnen. An Bord wird dann gesagt: Der Herr Seifert oder der Herr Wagenfeld, der Herr Wieland, der Herr Onken, das sind feine Kerle, mit denen kann man reden. Jawohl, damit kann man reden und reden, und es wird einem auch mal auf die Schulter gekloppt, so fast kameradschaftlich, das hebt des Seemanns Selbstgefühl und stuft ihn ein in die Klasse der an Land Lebenden. Und Hein Seemann macht noch eine Reise von drei oder vier Monaten, zur Not auch ein bis zwei Jahren - wie es gerade kommt. Ob Hein Seemann das gar nicht merkt, wie er beschissen wird? Was heißt hier beschissen? Er wird ja nicht beschissen, wieso, wer bescheißt ihn denn? Er bekommt seine tarifliche Bezahlung, und wenn er besonders „tüchtig“ ist, wird ihm auch noch Geld über Tarif bezahlt. Nein, so ist der Reeder nun auch nicht, letztlich geht dieses Geld ja von seinem Verdienst ab. Aber heute denkt der Reeder ja sozial. Denkt er sozial?

      Kapitel 8

      Eisschollen poltern, rumoren, stoßen und krawallen gegen die Bordwand. Die Hauptmaschine läuft! So gegen acht Uhr morgens war die Gasölübernahme beendet! Meiler schlief. Schlief so fest, dass er nicht hörte, als das Schiff ablegte. Meiler schlief in reedereigener Wäsche - und er schlief gut darin. Das mit der Wäsche ist wohl auch so selbstverständlich? Wo gibt es in Landbetrieben Bettwäsche, geliefert vom Arbeitgeber? Höchstens für Gastarbeiter.

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