Gregors Pläne. Hans Durrer

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Gregors Pläne - Hans Durrer

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für Eigenschaften halten Sie bei einem Menschen für wesentlich?“

      Die Personalbereichsleiterin ist Mitte vierzig, sportlich-elegant gekleidet und attraktiv. Sympathisch ist sie mir nicht; mir sind Leute, die beim Fernsehen arbeiten, grundsätzlich nicht sympathisch, ich halte sie für eitel und aufgeblasen. Wieso ich mich beworben habe? Aus Eitelkeit. Das sage ich natürlich nicht.

      „Verlässlichkeit“, sage ich. „Und Aufrichtigkeit.“

      „Ist Aufrichtigkeit wichtig, wenn man vor der Kamera steht?“

      „Aufrichtig zu wirken halte ich für entscheidender.“

      Sie lacht. „Haben Sie sich schon einmal vor einer Kamera ins Szene gesetzt?“

      „Ja, vor einer Fotokamera, vor einer Filmkamera hingegen nicht.“

      „Wirkten Sie da fotogen?“

      „Schon, ja, doch es hängt auch von der Person hinter der Kamera ab.“

      „Mit welchem ihrer Charakterzüge haben Sie am meisten Mühe?“

      „Mit meiner Ungeduld.“

      „Das kennen wir glaube ich alle.“

      „Persönlicher möchte ich nicht werden.“

      „Sagten Sie nicht, dass Sie Aufrichtigkeit für wesentlich halten?“

      „Doch“, sage ich. „Dass ich diesbezüglich nicht persönlicher werden will, ist meine aufrichtige Meinung.“

      „Okay. Werden wir konkret. Bei einer Diskussionssendung geht es darum, ganz unterschiedlichen Meinungen eine Plattform zu geben, also auch Leuten, deren Meinung sie nicht teilen, ja, sie geradezu verabscheuen. Haben Sie ein Problem damit?“

      „Grundsätzlich nicht.“

      „Und im Speziellen?“

      „Beim denen, die ich als notorische Lügner, empathielos und menschenverachtend einschätze, habe ich klar ein Problem.“

      Sie grinst. „Wenn wir darauf Rücksicht nehmen, können wir die Sendung einstellen. Doch im Ernst: Die Frage ist natürlich auch, ob ihre Einschätzung richtig ist. Sie könnten sich schliesslich täuschen.“

      „Sowieso. Doch die meisten Leute erkennen einen Lügner, wenn sie einem gegenübersitzen.“

      „Dann können Sie ihn ja in die Sendung einladen und den Zuschauern die Beurteilung überlassen.“

      „Ich denke nicht, dass man Lügnern eine Plattform geben sollte.“

      „Wenn wir nur die einladen, die uns passen, können wir die Sendung vergessen, denn so eine schaut niemand.“

      „Aha, die Einschaltzahlen.“

      „Das ist doch klar. Was glauben Sie, warum wir Fernsehen machen? Natürlich wollen wir auch aufklären. Doch vor allem: Wir sind hier keine Richter, wir sind mehr so eine Art Theater oder Zirkus, wo sich die Leute unterhalten sollen.“

      „Damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen?“

      „Was meinen Sie damit?“

      „Paul Valéry hat einmal gemeint, die Politik sei dazu da, die Menschen davon abzuhalten, sich mit dem zu beschäftigen, was sie wirklich angehe. Das gilt auch für die Medien, würde ich sagen.“

      „Ablenkung und Unterhaltung ist oft nicht das Dümmste.“

      „Das sehe ich auch so.“

      „Lassen Sie uns konkret werden: Würden Sie einen empathielosen, menschenverachtenden Lügner in die Sendung einladen?“

      „Denken Sie an den Golfer im Weissen Hauses?“

      „Zum Beispiel.“

      „Nein, würde ich nicht.“

      „Viele Zuschauer würden den aber gerne sehen.“

      „Viele sehen auch gerne Pornos. Und trotzdem zeigen Sie keine.“

      „Politik abzubilden gehört zu unserem Kernauftrag.“

      „Politik. Nicht Politiker. Zeigen Sie nicht die Politiker, sondern die Auswirkungen der Politik.“

      „Sie haben sich beworben als Moderator einer Debatten-Sendung. Das meint, Sie bringen Leute miteinander ins Gespräch. Und zu diesen Leuten gehören nun mal Politiker. Und jetzt sagen Sie, man solle Politikern nicht das Wort geben?“

      „Anstatt Politikern eine Plattform für ihr Ego zu geben, wäre es meines Erachtens sinnvoller, den von den Auswirkungen der Politik Betroffenen eine Plattform zu geben.“

      „Glauben Sie, dass das viele vor den Bildschirm bringen wird?“

      „Vor Jahren, in Japan, wurde heftig darüber gestritten, ob eine Philosophie-Sendung, die sich mit Fragen von Leben und Tod auseinandersetzte, zur Hauptsendezeit ausgestrahlt werden sollte. Die Medienfachleute fanden die Idee absurd, das Publikum sah das anders – die Einschaltquoten waren erstaunlich hoch.“

      „Ich habe viel Sympathie für Ihr Argument. Nur eben: Wir sind hier in der Schweiz, nicht in Japan.“

      ***

      Am nächsten Tag befindet sich in meiner Post der Brief eines Buchverlags, der auf Recht und Geschichte spezialisiert ist. Ich bin in die engere Auswahl für den Verlagsleiterposten gekommen und werde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

      Der Eigentümer ist ein jugendlicher Mitvierziger und mir sympathisch. Dass ich über keine Verlagserfahrung verfüge, sei ein Vorteil, lacht er, denn so sei ich formbar. Nach den ersten paar Monaten merke ich dann, wie formbar er ist. Jedenfalls lerne ich schnell wie ich meine Projekte bei ihm durchbringen kann. Sind eigentlich Aussagen, die man über andere macht, jemals etwas anderes als Selbstcharakterisierungen?

      Das Buch ist für mich das ultimative Kulturgut, gierig mache ich mich über Herstellung, Gestaltungsfragen und Marketing kundig. Besonders gut verstehe ich mich mit dem Buchhersteller, einem Mann von Mitte fünfzig, belesen und von grossem Sachverstand. In seiner Gegenwart spüre ich, dass Büchermachen gleichzeitig Handwerk wie auch Kunst ist.

      Ich treffe Autoren, die mich beeindrucken, doch die meisten sind eitle Wichtigtuer. Zu meinen Lieblingen gehört ein emeritierter Geschichtsprofessor, der mir jeweils am Telefon Gedichte deklamiert und Lieder vorsingt, sowie ein Alt-Bundesrat, der mich beim Durchgehen meiner Anmerkungen zu seinem Manuskript unterbricht und grinsend bemerkt: „Sie erinnern mich an meinen ehemaligen Staatssekretär, der hat auch dies und das bemängelt, allerdings mit einem Unterschied: Er entschuldigte sich dann immer, obwohl er doch dafür gar nicht bezahlt wurde.“

      Akademische Bücher zu verlegen finde ich schon nach kurzer Zeit wenig interessant. Meldet sich ein Professor mit einem Manuskript kann man als Quasi-Universitätsverlag eigentlich kaum Nein-Sagen, wie mich ein von mir wenig geschätzter Professor wissen lässt. Als sich dann unverhofft die Gelegenheit bietet, das Nein-Sagen zu üben, lehne ich ein Referat

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