Der rote Komet. Robert Heymann
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Читать онлайн книгу Der rote Komet - Robert Heymann страница 3
„Sie müssen mich erhören!“ fuhr John Crofton mit einer Stimme fort, welche die unglückliche Frau erschreckte und sie jedes weiteren Widerstandes beraubte. „Ja, ich liebe Sie, werde nie aufhören, Sie zu verehren, und Sie werden mein werden, ich schwöre es Ihnen, und wenn ich Berge niederreißen müßte, Sie zu gewinnen!“
Er hatte sich auf die Knie niedergelassen und seine Arme um den Leib der Frau geschlungen, die die Gattin seines Freundes war, den er in diesem Augenblick in der schmählichsten Weise betrog. Frau Fabia aber sprang auf, riß seine Arme von ihren Hüften und schleuderte sie von sich, als seien sie giftige Reptilien, vor denen sie sich entsetzte.
„Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen, als das eine: Betreten Sie nie mehr meine Gemächer ohne Begleitung meines Gatten!“
John Crofton machte einen letzten Versuch, sich ihr zu nähern. Er stürzte noch einmal auf sie zu, riß sie an sich, ja, er vergaß in diesem Augenblick, was er Frau Fabia als Weib schuldig war, und bog ihren Kopf zurück, um seine Lippen auf die ihren zu pressen, sie aber riß sich los und erreichte die elektrische Klingel, welche in das Dienerzimmer führte.
Da verließ der Amerikaner das Gemach. Draußen, als der Lakai ihm den Mantel um die Schultern hing, knirschte er mit den Zähnen.
„Du sollst es mir büßen! Du sollst es furchtbar büßen!“
Damit verließ er des Romulus Futurus’ Haus.
II.
Es war eine bizarre Idee des Astronomen, daß er in den kleinen Kreis, den er bei John Crofton traf, seinen photographischen Apparat mitnahm. Vielleicht hatte der Journalist ihn auch darum gebeten; jedenfalls wurde die photographische Platte, die in aller Welt bereits bekannt war, der Beginn von Romulus Futurus Unglück und Untergang.
Der große Gesellschaftssaal in dem Hause John Crofton war mit einer langen Tafel versehen worden. Man hatte alle elektrischen Lichter perlöscht und ließ nur dem purpurnen Lichte des Kometen Zutritt, das ganz Berlin erfüllte und die Menschen in einer ewig prickelnden Aufregung hielt.
Die kleine, gewählte Gesellschaft unterhielt sich aufs beste. Schon die Tatsache, daß Divina, die Sängerin, in diesen vornehmen Kreis geladen worden war, bewies, daß man im dritten Jahrtausend alle lästigen Vorurteile der früheren Zeiten beiseite ließ.
Das Gespräch drehte sich natürlich um den roten Kometen, der seit Monaten alle anderen Interessen in den Hintergrund gedrängt hatte. Zudem war Romulus Futurus die einzige Autorität, die über den neuen Stern sachkundige Aufklärungen geben konnte.
„Nun, was meinen Sie, Herr Kultusminister,“ sagte Miß Head-Divina, indem sie mit einer koketten Bewegung das feingeschliffene, biegsame Sektglas an die rotleuchtenden Lippen hob und Romulus Futurus einen ihrer zündendsten Blicke zuwarf: „Wird der neue Komet zu uns kommen ober nicht?“
Romulus Futurus nickte.
„Er wird zu uns kommen, Miß Head-Divina, verlassen Sie sich darauf!“
Sie legte den schönen Hals zurück und lachte, wurde aber plötzlich ernst und beugte sich vor mit dunkel sprühenden Augen:
„Ich erwarte ihn! Ich erwarte ihn voll Ungeduld! Ob Sie mir glauben oder nicht, Herr Minister, ich vergehe förmlich vor tiefer, heißer Sehnsucht nach diesem Stern, den man ja bald zu sehen bekommen wird! Sein Licht ruft in mir etwas wie eine stete Raserei hervor!“
John Crofton, der bevorzugte Günstling der schönen Amerikanerin, beugte sich über ihre weißen Schultern und flüsterte:
„Ich werde eifersüchtig werden, göttliche Happy, eifersüchtig auf diesen Kometen, der dich scheinbar mehr interessiert, als meine Liebe!“
Sie warf ihm einen lächelnden Blick zu und sah dann zu Ralph Jonathan Wieland hinüber, dem Krösus, der mit gleichgültiger Miene sein Sektglas hob. Und es wollte Romulus Futurus, dem Menschenkenner, scheinen, als ob in dem nebensächlichen Blick der göttlichen Sängerin und der offen zur Schau getragenen Gleichgültigkeit des Krösus ein geheimer Sinn läge.
Aber der Astronom war klug genug, zu schweigen, um so mehr, als ihm die Leidenschaft für eine Frau etwas Unverständliches war. Er hatte nie in seinem Leben geliebt, und der Rausch, den er einstmals für seine Braut Fabia empfunden, war eben nichts weiter gewesen als eine Aufwallung, die sich rasch genug gelegt hatte. Das Weib erschien ihm als etwas durchaus Minderwertiges, das kein Anrecht auf männliche Ehrerbietung besaß, und Romulus Futurus hatte aus diesen seinen Ansichten auch niemals ein Hehl gemacht. Sein Benehmen gegen die Frau war, wenn auch durch weltmännische Gewandtheit verdeckt, stets von einer heimlichen Brutalität geleitet.
„Und was wird werden, wenn der Komet auf die Erde kommt?“ fragte Dr. Diabel, indem er sein bleiches, von einem blauschwarzen Bart umrahmtes Gesicht über den Tisch neigte und gleichzeitig die großen, glänzenden Augen auf die Fürstin Angelika heftete, die am Ende der Tafel saß und keinen Blick von Romulus Futurus wandte. Die junge Fürstin war das Gegenteil von Frau Fabia. Schlank, zierlich, dabei von seltener Schönheit, glich sie einer jener Orchideen, die in den Treibhäusern ihre schönsten Farben entwickeln. „Was wird geschehen, wenn der Komet auf die Erde kommt?“ wiederholte Dr. Diabel seine Frage.
Da Romulus Futurus nicht sofort antwortete, so entgegnete General Treufest:
„Darüber kann ich Ihnen Auskunft geben. Auf alle Fälle werden wir mit allen Hilfsmitteln der Technik, die uns zur Verfügung stehen, versuchen, das drohende Unheil abzuwenden. Sollte es aber etwa gar auf einen Eroberungszug der mystischen Bewohner dieses Kometen abgesehen sein, so werden sie eine fatale Bekanntschaft mit unseren großen Riesenkanonen machen müssen.“
„Es besteht sehr wenig Wahrscheinlichkeit, daß dieser Komet bewohnt ist!“ wandte Romulus Futurus ein. „Die Tatsache, daß er eine so phänomenale Leuchtkraft besitzt, spricht dagegen. Dieses Purpurlicht, meine ich, ist auch vorläufig für uns eine größere Gefahr, als der Komet selbst, denn unsere Zeitungen bringen tagtäglich neue, fürchterliche Berichte über Entartungen und Verbrechen, die im Zeichen des roten Kometen geschehen!“
„Zuerst wird wohl eine Revolution ausbrechen, wie die Erde keine zweite gesehen hat!“ sagte plötzlich hastig Peter Cornelius, der junge Student, indem er sich nervös durch das reiche, blonde Haar fuhr. „Die Völker werden aufstehen und das Joch der Tyrannei abwerfen, unter dem sie lange genug geschmachtet haben.“
Während er das sagte, sah er mit brennenden Augen zu Miß Head-Divina hinüber. Die aber schenkte ihm keinen Blick. Sie hatte sich vorgebeugt und flüsterte dem General zu:
„Ist es wahr, wovon man allgemein spricht? Wir werden einen Krieg mit Frankreich und England bekommen?“
Der General, der sich schon in vorgerückter Weinlaune befand, entgegnete:
„Es ist richtig, daß eine außergewöhnliche Aufregung zwischen diesen drei Ländern besteht und daß im Kriegsministerium eifrig gerüstet wird. Aber woher wissen Sie davon? Bis jetzt wird alles geheim gehalten!“
Woher sie davon wußte? Natürlich von John Crofton, dem Bevollmächtigten Amerikas, der besser orientiert war als General Treufest. Miß Head aber versuchte, den General weiter auszuforschen.
Plötzlich kam John Crofton auf die bizarre Idee, Romulus Futurus möchte sie doch alle zusammen photographieren.