Auferstehung. Лев Толстой

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Auferstehung - Лев Толстой

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hatte und eben aus einem Theehaus herauskam, trat auf sie zu, bekreuzigte sich und reichte ihr einen Kopeken. Die Gefangene errötete, neigte den Kopf und murmelte etwas.

      Sie fühlte die auf sie gerichteten Blicke und suchte unbemerkt, ohne den Kopf zu wenden, zu denen, die sie ansahen, hinüberzuschielen. Das Aufsehen, das sie erregte, freute sie. Auch an der, im Vergleich zu der Gefängnisatmosphäre, reinen Frühlingsluft empfand sie Freude, aber das Auftreten auf die Steine mit den des Gehens entwöhnten, mit plumpen Pantoffeln beschuhten Füßen that ihr weh und sie sah auf den Weg und bemühte sich, vorsichtig aufzutreten. Als sie an einer Mehlhandlung vorbeiging, vor welcher Tauben sorglos mit ihren wiegenden Schrittchen umherspazierten, streifte die Gefangene beinahe mit dem Fuß eine blaugraue Taube. Der Vogel flatterte auf, flog mit bebendem Flügelschlag hart am Ohre der Arrestantin vorbei und überschauerte sie mit Wind. Sie lächelte. Dann aber kam ihr ihre jetzige Lage in den Sinn und sie seufzte tief auf.

      Zweites Kapitel

      Die Geschichte der Arrestantin Maslowa war eine sehr gewöhnliche Geschichte. Die Maslowa war die Tochter einer unverheirateten Viehmagd, die mit ihrer Mutter auf dem Lande bei zwei Gutsbesitzerinnen, zwei Fräulein, lebte. Dieses unverehelichte Weib kam jedes Jahr nieder, das Kind wurde getauft, dann aber, wie das so häufig auf dem Lande zu geschehen pflegt, nährte die Mutter das unerwünschte, lästige und an der Arbeit behindernde Kind nicht mehr genügend, sodaß es bald vor Hunger zu sterben pflegte.

      So starben fünf Kinder. Sie wurden alle getauft, nicht mehr genährt und starben. Das sechste Kind, das sie von einem vagabundierenden Zigeuner hatte, war ein Mädchen, und sein Schicksal wäre wohl dasselbe gewesen, wie das seiner Geschwister. Aber es geschah, daß das eine der alten Fräulein in den Viehhof kam, um den Viehmägden, wegen der nach der Kuh riechenden Sahne einen Verweis zu erteilen. Auf dem Viehhofe lag gerade die Wöchnerin mit dem hübschen, gesunden Kinde. Das alte Fräulein äußerte ihren Unwillen sowohl bezüglich der Sahne, als auch darüber, daß man eine Wöchnerin in den Viehhof gelassen hatte, und sie wollte schon gehen, als sie das Kind erblickte und von einer momentanen Rührung erfaßt, sich erbot, das Kind zur Taufe zu halten. Das Fräulein hielt dann auch das Kind zur Taufe und gab später, aus Mitleid für ihr Patenkind, der Mutter Milch und Geld. Und so blieb das Mädchen am Leben und wurde von den alten Fräulein mit Recht die »Gerettete« genannt.

      Das Kind war drei Jahr alt, als die Mutter erkrankte und starb. Seiner Großmutter, der Viehmagd, war es zur Last, und so nahmen es die alten Fräulein zu sich. Das schwarzäugige Mädchen wurde ungewöhnlich lebhaft und nett, und die alten Fräulein hatten ihre Freude an ihm.

      Von den beiden Fräulein hatte die jüngere und gutmütigere, Sofja Iwanowna, das Kind zur Taufe gehalten, es später geputzt und lesen gelehrt, um aus ihm eine Ziehtochter zu machen. Das ältere, strengere Fräulein, Marja Iwanowna, sagte, daß man aus dem Mädchen eine Arbeiterin, ein tüchtiges Stubenmädchen machen müsse, und war daher dem Mädchen gegenüber anspruchsvoll, strafte und schlug es sogar zuweilen bei übler Laune. So wuchs denn das Kind unter diesen beiden Einflüssen halb als Stubenmädchen, halb als Ziehkind heran. Es wurde daher auch weder Katharine, noch Käthchen genannt, sondern mit einem mittleren Namen — Käthe oder Katjuscha. Katjuscha nähte, räumte die Zimmer auf, putzte mit Kreide die Metallverkleidungen der Heiligenbilder, röstete, mahlte und servierte den Kaffee, besorgte die kleine Wäsche, und saß bis weilen mit den Fräulein und las ihnen vor.

      Es fehlte ihr nicht an Freiern, aber sie wollte keinen nehmen. Sie fühlte, daß das Zusammen leben mit jenen Arbeitsleuten, die bei ihr anhielten, für sie, die durch die Süße des herrschaftlichen Lebens, bereits verwöhnt war, zu schwer fallen würde.

      So lebte sie bis zum sechzehnten Jahr. Als sie aber sechzehn Jahr alt geworden war, kam zu den alten Fräulein ihr Neffe, ein reicher Fürst, der Student war, auf Besuch. Und Katjuscha verliebte sich in ihn, ohne es zu wagen, sich selbst, geschweige denn ihm dieses Geständnis zu machen.

      Zwei Jahre später besuchte derselbe Neffe seine Tanten auf der Durchreise zum Kriegsschauplatz und blieb vier Tage bei ihnen. Er verführte und betrog Katjuscha, steckte ihr dann am letzten Tage einen Hundertrubelschein zu und reiste weiter. Fünf Monate nach seiner Abfahrt wußte sie genau, daß sie in anderen Umständen sei.

      Von der Zeit an ward ihr alles gleichgültig, und sie dachte nur daran, wie sie der Schande, die ihr bevorstand, entgehen könnte. Sie bediente die Fräulein widerwillig und schlecht, und einmal — sie wußte selbst nicht, wie es gekommen war — platzte sie los, sagte den alten Fräulein Unverschämtheiten, die sie selbst später bereute, und bat um ihre Entlassung.

      Und die Fräulein, die sehr unzufrieden mit ihr geworden, entließen sie. Von ihnen kam sie als Stubenmädchen zu einem Landpolizeimeister, aber konnte dort nur drei Monate bleiben, da der Polizeimeister, ein Mann von bereits 5O Jahren, ihr nachzustellen begann. Einmal, als er besonders unternehmungslustig war, brauste sie auf, nannte ihn einen Narren und alten Teufel und stieß ihn so vor die Brust, daß er hinfiel. Sie wurde wegen Grobheit entlassen. Eine neue Stellung anzunehmen hatte keinen Zweck, da sie bald niederkommen mußte, und so mietete sie sich bei einer Dorfhebamme ein, die nebenbei einen Branntweinhandel betrieb. Die Geburt war eine leichte. Aber die Hebamme, die vorher im Dorf bei einer kranken Wöchnerin gewesen war, infizierte sie mit dem Kindbettfieber. So wurde das Kind in das Findelhaus gebracht, wo der Knabe, wie die Alte, die ihn hingebracht hatte, erzählte, sofort nach seiner Ankunft verstarb.

      Geld hatte Katjuscha, als sie sich bei der Hebamme einmietete, im ganzen hundert und sieben und zwanzig Rubel: sieben und zwanzig Lohn und hundert Rubel, die ihr damals ihr Verführer gegeben hatte. Als sie aber die Hebamme verließ, behielt sie nur sechs Rubel. Sie verstand das Geld nicht zu sparen, verausgabte selbst viel und lieh jedem, der sie darum bat. Die Hebamme nahm von ihr für Kost und Logis für zwei Monate vierzig Rubel, fünf und zwanzig Rubel kostete die Expedierung des Kindes ins Findelhaus, vierzig Rubel bat sich die Hebamme leihweise zur Anschaffung einer Kuh aus, gegen zwanzig Rubel gingen so, für Kleider, für Geschenke u. s. w. darauf. Auf diese Weise also hatte Katjuscha, als sie gesund wurde, kein Geld mehr und mußte sich nach einer Stellung umsehen. Sie fand dieselbe bei einem Förster. Der Förster war ein verheirateter Mann, aber auch er begann ihr, ebenso wie der Polizeimeister, vom ersten Tage an nachzustellen. Er war ihr widerwärtig und sie ging ihm aus dem Wege. Aber er war erfahrener und schlauer, als sie, und vor allem ihr Herr, der sie schicken konnte, wohin er wollte. So bemächtigte er sich denn ihrer in einem günstigen Augenblick. Die Frau erfuhr es, und als sie einmal ihren Mann mit dem Mädchen allein im Zimmer traf, stürzte sie auf Katjuscha los und wollte sie schlagen. Aber Katjuscha ergab sich nicht und so entstand eine Prügelei. Infolge dessen jagte man Katjuscha aus dem Hause, ohne ihr auch nur den Lohn auszuzahlen.

      Da fuhr Katjuscha in die Stadt und stieg dort bei ihrer Tante ab. Der Mann der Tante war Buchbinder und lebte früher gut. Um die Zeit aber hatte er bereits alle seine Kunden verloren, ergab sich dem Trunke und vertrank alles, was ihm nur in die Hände kam.

      Die Tante hielt eine kleine Waschanstalt und ernährte damit sich, ihre Kinder und den verlorenen Mann. Sie bot Katjuscha an, bei ihr als Wäscherin einzutreten. Aber da die Maslowa das schwere Leben, das die bei der Tante wohnenden Frauen, die Wäscherinnen, hatten, sah, so zögerte sie und suchte unterdes in den Bureaux nach einer Stellung als Dienstmädchen. Und so eine Stelle fand sich bei einer Dame, die mit ihren zwei Söhnen, Gymnasiasten, lebte. Eine Woche nach ihrem Eintritt hörte der ältere, ein schnurrbärtiger Tertianer, zu lernen auf und ließ ihr keine Ruhe. Die Mutter gab an allem der Maslowa Schuld und kündigte ihr. Eine neue Stelle fand sich nicht, aber es traf sich, daß die Maslowa in einem Stellenvermittelungsbureau einer Dame mit beringten Fingern und vielen Spangen an den vollen, nackten Armen begegnete. Diese Dame gab der Maslowa, als sie von ihrer Stellenlosigkeit hörte, ihre Adresse und lud sie zu sich ein. Die Maslowa ging hin. Die Dame empfing sie freundlich, bewirtete sie mit Pastetchen und

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