Der Politiker. Geri Schnell

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es ab. Natürlich muss er damit rechnen, dass es trotzdem gestohlen wird, doch er behält es aus der Distanz im Auge. Es gibt viele Männer welche in der Nähe der Anlegestelle der Schiffe herumlungern. Er beobachtet die Männer heimlich. Die können sicher irgendwelche Geschäfte machen, sonst wären sie nicht hier. Einige verkaufen Zigaretten, andere Alkohol und dann gibt es noch solche, die Geld wechseln.

      Ein Schiff aus Basel legt an der Pier an. Die Matrosen haben offensichtlich für den Abend Ausgang erhalten. Er folgt einem, welcher sich auf den Weg zur Innenstadt macht. Als der Matrose anhält und in seinen Taschen etwas sucht, holt ihn Franz ein und grüsst ihn.

      «Kannst du mir Reichsmark verkaufen?»

      «Wieviel brauchst du?»

      «Ich denke für zehn Mark bekomme ich etwas zu essen und ein Bier.»

      «Sicher, das reicht. Was kannst du mir geben.»

      «Ich habe nur Schweizer Franken!»

      «Was soll ich mit denen? Hast du Zigaretten?»

      «Ja, aber nicht hier, ich muss zurück aufs Schiff, dort habe ich dreihundert.»

      «Soviel brauche ich nicht, aber hundert zu zehn Mark wäre ein faires Geschäft.»

      Man ist sich einig. Franz ist mit neunzig Zigaretten zufrieden. Nicht das ganz grosse Geschäft, aber immerhin ein Anfang.

      Nach einer Woche hat er einige Güter ausgemacht, mit denen man gute Geschäfte machen kann. Am Nachmittag kann er noch drei kleine Geschäfte abschliessen. Es ist nicht viel, aber wenigstens hat er, als er nach Hause zu Rosa geht, mehr Geld in der Tasche, als er am Mittag mitgenommen hatte.

      In den folgenden Tagen lernt er das Geschäft mit den Matrosen besser kennen. Die haben meistens nur wenig Zeit, um sich vom harten Job auf dem Schiff zu erholen. Die Meisten sind zufrieden, wenn sie eine Kneipe mit etwas Betrieb und gutem Bier finden. Mit dem Wirt der goldenen Gans schliesst er eine Art Vertrag ab. Für jeden Matrosen den er in die Kneipe bringt, erhält er drei Prozent Kommission auf dessen Umsatz. Es ist nicht viel, aber leicht verdientes Geld. Zudem sind die Matrosen dankbar, in anderen Städten werden sie oft übers Ohr gehauen. Die gute Betreuung durch Franz hat sich schnell herumgesprochen. Nach drei Wochen muss er den meisten Kunden nicht mehr nachrennen, sie suchen ihn.

      Streng achtet er darauf, dass sie in der Kneipe gut betreut werden. Die meisten Matrosen fahren immer die gleiche Strecke. Inzwischen kennt er die Möglichkeiten, welche seine Kunden haben. In jeder Stadt gibt es spezielle Waren, welche dort günstig zu erwerben sind. So vertieft sich die Zusammenarbeit und beide Seiten profitieren. Die einen können ihre Rechnung in der Kneipe entweder mit einem Käse aus Holland begleichen oder mit Wein aus Frankreich. Aus der Schweiz sind die Zigarren momentan am einträglichsten.

      Damit die Matrosen in der goldenen Gans nicht alleine rumsitzen müssen, organisierte Franz Leute von der Strasse. Die sind froh, wenn sie an der Wärme sind. Da sie sich kein Bier leisten können, stellt der Wirt ihnen ein, zwei Finger hoch gefülltes, Bierglas hin. Ab und zu, lässt er in ein leeres Glas etwas nachfüllen. So ist in der goldenen Gans immer viel Betrieb.

      Nachdem es sich herumgesprochen hat, ist es manchmal zu laut. Einmal geraten sich Sozis und Nazis in die Haare und es gibt eine Schlägerei. Darauf hin hängte der Wirt eine Tafel vor das Lokal. Politische und religiöse Symbole sind in der goldenen Gans unerwünscht. Ab diesem Zeitpunkt sieht man weder Hakenkreuze noch rote Halstücher im Lokal.

      Franz macht sich die Arbeit nicht leicht, jeden Abend führt er sein Kassenbuch nach. Es ist wichtig, denn die Preise schwanken. Er muss darauf achten, dass von keinem Produkt zu viel auf den Schwarzmarkt in Worms gelangt.

      Eine steile Karriere, welche Franz da hinlegt. Vom korrekten Beamten, zu einer Drehscheibe auf dem Schwarzmarkt. Nach zwei Monaten steht er nicht mehr selber am Pier, dazu hat er Männer angestellt, welche für ein paar Zigaretten seine Aufträge ausführen. Er hat sie gut im Griff, jeder ist froh, wenn er seine Aufgabe hat, die ihm erlaubt, dass er abends nicht hungrig ins Bett muss.

      Natürlichen hat sich herumgesprochen, dass in der goldenen Gans viele Matrosen einkehren. Um den Matrosen ein gutes Programm zu bieten, schickt Franz Männer aus, welche in den Strassen nach jungen Mädchen Ausschau halten. Die meisten sehen erbärmlich aus. Frau Wirtin nimmt sich den Mädels an. Zuerst müssen sie ins Badezimmer. Einige erhalten nach Wochen endlich wieder einmal ein Bad. Nach dem sie gründlich gewaschen sind, versucht die Wirtin, sie etwas herzurichten. Sie kämmt ihre meist wilde Frisur und bändigt diese in Zöpfen. Wenn die Kleidung gar schäbig aussieht, holt sie aus ihrem Kleiderschrank einen Rock oder eine Bluse und leiht sie den Mädels.

      So herausgeputzt schickt man die inzwischen recht ansehnlichen Mädchen in die Kneipe. Der von der Strasse geholte Handharmonikaspieler sorgt für Stimmung. Es wird geschunkelt, als ob jeden Tag Fasching wäre. Das gefällt den Leuten. Die Matrosen haben meistens links und rechts bei einem Mädchen eingehängt und wiegen hin und her. Natürlichen wurde der Körperkontakt von beiden Seiten begrüsst. Die Mädchen bekommen zur Belohnung meistens ein Bier und manchmal eine Suppe spendiert. Die Spende wird üblicherweise mit einem Kuss verdankt.

      Der Franz kann sich nicht beklagen. Der Wirt lässt ihn am guten Geschäft mit verdienen. Dass aus dem exakten Beamten, so quasi ein Zuhälter geworden ist, stört eigentlich nur Rosa. Sie ist jedoch froh, dass ihr Haushaltsgeld wieder etwas reichlicher ausfällt. Nachdem Franz arbeitslos wurde, musste sie sich sehr einschränken, das ist für sie ungewohnt. Sie die in Kassel Verwandte hat, welche mit dem Kaiser verwandt waren. Wenn die wüssten, sie könnte sich bei ihnen nicht mehr blicken lassen, aber das ist zurzeit eh kein Thema, es sind keine weiteren Familientreffen geplant.

      Wilhelm geht immer noch ans Gymnasium. Dort hat es grosse Änderungen gegeben. Viele Schüler haben aufgegeben. Was sollen sie mit dem Abitur anfangen. Arbeit werden sie auch mit einem Diplom keine finden. Es gibt unter den Arbeitslosen zu viele Akademiker. Zurzeit sind eher Leute mit starken Muskeln gefragt. Kerle die anpacken können. Die Klasse ist um die Hälfte geschrumpft und wird nur noch von einem Lehrer unterrichtet.

      In den Strassen von Worms finden wöchentlich Demonstrationen statt. Sowohl rechts wie links mobilisieren ihre Leute. In der Schule gibt es zwei Lager. Von der Herkunft her gehört Willi eigentlich zu den rechten, doch die jüdische Urgrossmutter verhindert einen Beitritt zur Hitlerjugend.

      So ist er gezwungen, sich mit den immer seltener werdenden Söhnen der linken zusammenzutun. Er tritt dem SV Wormatia Worms bei. Fussball hat ihn schon immer begeistert. Die Mitglieder sind meistens links orientiert, doch es dominiert der Fussball, Politik bleibt draussen. Nach anfänglichen Problemen, wird er immer besser und steigt vom Ersatzspieler zur Stammelf auf, allerdings nur in der zweiten Mannschaft.

      In der Schule hat er immer noch viele Freunde. Auch solche die jetzt in der Hitlerjugend sind. Die erzählten von ihren Zeltlagern und Schiessübungen welche sie jedes Wochenende organisieren. Da können die Fussballer nicht mithalten. Eigentlich würde Willi auch gerne ins Zeltlager und bei Schiessübungen teilnehmen, aber sein Bericht über den Besuch bei seiner jüdischen Urgrossmutter, haben die anderen Schüler noch nicht vergessen. Wie konnte er nur so dumm sein, mit einer jüdischen Urgrossmutter anzugeben. Heute wäre das undenkbar, doch damals war das noch normal.

      Zumindest Gabi schätzt es, dass er nicht in der Hitlerjugend ist. Ihre Familie steht politisch, auf Grund ihrer Herkunft, links. Sie besucht jedes Fussballspiel in dem Willi mitspielt, sogar wenn sie auswärts antreten, fährt sie mit dem Rad hin und unterstützt ihn mit lauten Zurufen.

      In der goldenen Gans bereitet man sich auf eine spezielle Nacht vor. Max Schmeling boxt diese Nacht in

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