Der Politiker. Geri Schnell

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Der Politiker - Geri Schnell

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nachts schliessen, aber man hat vorgesorgt. Um Mitternacht sieht es so aus, als ob alle nach Hause gingen, doch die Leute kommen durch den Kellereingang wieder zurück in die Kneipe. Natürlichen heisst es ab diesem Zeitpunkt ruhig sein. Alles versammelt sich in der hinteren Stube, die für Versammlungen vorgesehen ist. Von dort dringt kein Laut nach draussen.

      Der Kampf gegen den als unschlagbar geltenden Sharkey beginnt. Gespannt lauschen die Leute der Stimme des Reporters. Schmeling beginnt gut, doch es ist nicht zu verkennen, dass Sharkey sehr stark ist. Auch wenn der deutsche Reporter jede Aktion von Schmeling über Gebühren lobt, so ist nicht zu verheimlichen, dass er viel einstecken muss. Auf jeden Fall mehr als es dem Reporter lieb ist.

      Immerhin, die ersten drei Runden hat er überstanden, das schafften bis jetzt nur die wenigsten. Dann wird die Stimme des Reporters laut.

      «Max krümmt sich vor Schmerzen, es sieht schlechte aus, aber das war ein Tiefschlag, der ihn ausser Gefecht gesetzt hat».

      Danach ist der Reporter verstummt, die Halle scheint zu toben.

      «Der Kampf ist zu Ende», findet der Reporter seine Stimme wieder, «wird Max der Titel gestohlen?»

      Die Spannung ist auch in der Kneipe zu spüren, ist das das Ende des Traums?

      «Max ist Weltmeister!», - die Stimme des Reporters überschlägt sich beinahe. «Sharkey wird disqualifizier. Max ist Weltmeister, - Weltmeister, Weltmeister!»

      In der Kneipe bricht Jubel aus. Max ist einfach der Grösste.

      Mit dem Gefühl, wir Deutschen sind Weltmeister, verlassen die letzten Gäste die Kneipe erst, als es draussen schon hell war. Auch Franz hat ein bisschen zu viel getrunken, doch Rosa schläft schon fest, als er zu ihr ins Bett steigt.

      Ende Juni ist es dann soweit, die Franzosen ziehen ab. Endlich ist Worms wieder deutsch. Endlich kann man die Ernst Ludwig Brücke überqueren, ohne dass man mit einer Kontrolle durch die Franzosen rechnen muss.

      Die Freude in der Bevölkerung ist gross, nur öffentlich zeigen wollte man es nicht. Die Hauptsache ist, dass sie endlich gehen. Mit gemischten Gefühlen schaut Maria den letzten LKWs nach. Die Nacht von Mannheim spukt immer noch ab und zu in ihrem Kopf herum, zum Glück hat nie jemand davon erfahren.

      Der Abzug der Franzosen verursacht in Worms eine optimistische Stimmung. Nur, der Lebensstandard steigt deshalb nicht wirklich an, die Armut ist nur besser zu ertragen.

      Der Winter 1931 ist etwas wärmer, als die letzten Jahre. Trotzdem leiden die Einwohner von Worms unter der Wirtschaftskrise. Immer mehr Arbeitslose bedeutet auch für die Geschäfte wenig Umsatz und stark sinkende Erträge. Auch die goldene Gans musste Einbussen verkraften, doch lange nicht so viel, wie andere Kneipen. Das Konzept stimmte und Matrosen haben immer Geld. Aber die schlechte Wirtschaftslage führt dazu, dass weniger Schiffe in Worms anlegen. Auch Familie Wolf muss zurückstecken, doch im Vergleich mit vielen anderen Wormser sind sie gut dran.

      Hitler in Worms /1932

      Das Strassenbild in Worms verändert sich. Immer mehr junge Männer in Uniformen stolzieren durch die Gassen. Ihr Benehmen gibt zu Sorgen Anlass. Zivilisten müssen aufpassen, dass nicht eine Gruppe uniformierter sie aufs Korn nimmt. Wahllos werden Leute angegriffen und verprügelt. Nach einem Überfall ist es besser, sich ruhig zu verhalten. Eine Anzeige bei der Polizei ist zwecklos. Die Banden werden durch sie geschützt. Wenn man Pech hat, landet man als Anstifter einer Schlägerei im Knast.

      Franz hat gelernt mit ihnen umzugehen. Wenn ihm eine Gruppe begegnet, hebt er den rechten Arm und grüsst zackig. Das macht Eindruck und hilft darüber hinweg, dass er kein Parteiabzeichen trägt. Sein Verhalten ist ihm innerlich zuwider, es ist jedoch besser als verprügelt zu werden. Er sehnt sich nach der Zeit des Kaisers zurück.

      Der Winter 1932 ist wieder sehr streng. Franz muss langsam seine Reserven anzapfen. Um wenigstens ein Zimmer warm halten zu können, tauscht er drei Laib Käse gegen Briketts ein. Zu Essen gibt es Sauerkraut und Kartoffeln, ab und zu kocht Rosa ein bisschen Schinken.

      Als sich endlich der Frühling ankündigte, ist das Schlimmste überstanden. Aus dem Garten gibt es frühen Salat. Mit der wärmeren Jahreszeit legen wieder mehr Schiffe im Hafen an und die goldene Gans macht mehr Umsatz.

      Ende Mai hängen überall in der Stadt Plakate, welche auf einen Auftritt von Adolf Hitler im Wormatia Stadion am 12. Juni hinwiesen. Das ist ein grosses Ereignis und wird von vielen mit Begeisterung erwartet.

      Für Franz hatte der Besuch von Hitler verheerende Folgen. Die SA wollen Worms im besten Licht erscheinen lassen. Am 3. Juni stürmen zwanzig SA-Leute die goldene Gans und schlagen alles zusammen. Es gab einige verletzte Gäste. Der Wirt wird schwer verletzt in Spital eingeliefert. Franz hat Glück, er war zum Zeitpunkt des Überfalls nicht im Lokal. Die SA nahm es dem Wirt immer noch übel, dass sie in Uniform nicht ins Lokal durften. Jetzt kann gar niemand mehr ins Lokal. Die Türe der goldenen Gans wurde mit Brettern vernagelt.

      Brauchbar ist das Lokal eh nicht mehr. Das gesamte Mobiliar wurde zertrümmert. Nun hat Franz seine Haupteinnahmequelle verloren. Dank dem Garten kann er sich über Wasser halten, aber was bringt der nächste Winter?

      Dann kommt der 12. Juni. Zu tausenden strömen die Leute ins Stadion. Auf dem Weg vom Bahnhof zum Stadion wütete der Mob. Alles was nach jüdisch aussieht, wird zerstört. Zum Glück liegt der Laden von Goldberg nicht in der Nähe des Stadions. Vorsorglich hat er das Geschäft die ganze Woche geschlossen. Kunden sind eh selten geworden. Neue Uhren kann er schon lange nicht mehr verkaufen. Lediglich mit Reparaturen, welche Joshua durchführt, hält er sich über Wasser.

      Für Franz ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, er musste sich entscheiden, denn bei den Braunen gilt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Die Nachbarschaft beobachtet ihn schon lange. Zu verlockend ist es, einen bei der SA anzuschwärzen, so kann man von sich selber ablenken und hat seine Ruhe.

      Vor dem Einschlafen diskutiert er mit Rosa, soll er morgen ins Stadion? Rosa hat sich sehr verändert. Seit Hitler allgegenwärtig ist, geht sie nur noch selten in die Kirche.

      «Natürlichen gehst du hin, du musst mit der Zeit gehen», stellt Rosa fest, «du hast schon die Stelle verloren, nur weil du für die falsche Partei kandidiert hast. Du kannst dir mal anhören was dieser Hitler zu berichten hat. Das bedeutet ja nicht, dass du ihn dann wählen musst.»

      «Meinst du?», fragt Franz nach, «ich habe ja nicht einmal eine Binde mit Hakenkreuz, da falle ich auf und werde womöglich noch verprügelt.»

      «Dann nähe ich dir so eine Armbinde, das ist doch kein Problem. Stoff habe ich.»

      «Das würdest du machen?», fragt er unsicher, «ist das nicht Verrat an den Goldbergs?»

      «Hat sich Goldberg um dich gekümmert, als du die Arbeit verloren hast?»

      «Konnte er ja nicht», wendet Franz ein, «das hätte es nur noch schlimmer gemacht.»

      «Ja vielleicht hast du Recht, aber jetzt muss man für sich schauen. Die Braunen schauen gut zu ihren Leuten, die haben alle Arbeit.»

      Damit ist das Thema erledigt, bis Mittag hatte Franz seine Armbinde. Die Farbe stimmt nicht genau, aber da wird er nicht der Einzige sein. Sein Haus verlässt er noch ohne Armbinde. Erst als er sich der Hauptstrasse nähert, holt er die Binde aus der Tasche und streift sie über den linken Arm. Nun ist er einer von Ihnen,

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