Der Politiker. Geri Schnell
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Als Franz die kritischen Blick der nebenstehenden Leute bemerkte, weil er nur die Lippen bewegte, schrie er bei der nächsten Übung kräftig mit. Jetzt strahlten die beiden kräftigen Männer neben ihm, geht doch, verrät ihr Gesichtsausdruck.
Dann kam der grosse Moment. Hitler tritt an das Rednerpult. Kaum hat die Menge ihn erblickt, bricht ein unglaublicher Jubel aus. Die Menge ist wie verhext, jeder schreit aus Leibeskräften. Franz ist verwirrt, er hatte sich Hitler grösser vorgestellt. Na egal, mal hören was er zu sagen hat. Die Blicke der beiden Kerle veranlassten ihn mitzuschreien. Dass er heiter, statt Hitler schrie, bemerkt keiner der Umstehenden.
Dann beginnt Hitler zu sprechen. Zumindest versuchte er es, aber kaum dass er die Stimmen erhebt, brandet der Jubel los. Erst nachdem seine Gesten andeuten, dass es genug sei, kann er seine Parolen ins Stadion schreien. Franz versteht nichts, er wird von zwei Lautsprechern, die nicht synchron sind, mit Ton versorgt. Zudem geht alles im Jubel unter. Er ist zu weit hinten, er kann Hitler nicht verstehen.
Nur Bruchstücke gelangen zu ihm. Deutschland muss sich von den Klauen der Siegermächte befreien! - Deutschland muss wider stark werden und dass der Jude an allem Schuld ist! sind die wichtigsten Punkte die er versteht. Aber eines wird ihm bewusst, gegen diese Fanatiker kommt man nicht an. Es ist wieder wie zu Zeiten des Kaisers, jemand übernimmt Verantwortung.
Franz lässt sich von der Stimmung mitreissen. Ein unglaubliches Gefühl der Zusammengehörigkeit ist zu spüren. Jeder wird mitgerissen, das Gehirn ist ausgeschaltet. Der Mann auf dem Podium hat die Massen im Griff. Sie schreien wenn er will, sie heben den rechten Arm, wenn er es befiehlt! Es ist unheimlich. In den Gesichtern der Zuhörer erkennt er, sie sind bereit dem Führer zu folgen und das ohne jede Kritik.
Gegen Ende der Veranstaltung wird nur noch geschrien. Fahnen werden geschwenkt, dann stehen die Uniformierten stramm und salutieren. Alles begleitet von Rufen: «Heil Hitler!»
Auch Franz schreit mit, dabei ist sein Innerstes immer noch am Zweifeln. Solange er im Stadion ist, wird das Gewissen verdrängt. Er ist ein Teil der fanatischen Masse, das muss er akzeptieren.
Dann ist die Veranstaltung zu Ende. Der Führer wird in seinem Auto weggefahren, noch einmal huldigt ihm die Menge. Die löst sich nur langsam auf. Immer wieder stolziert ein Uniformierter auf die Bühne und fordert die Menge auf, Hitlers Name zu schreien oder ihn hochleben zu lassen.
Erst nachdem er stundenlang in der Mass stehen musste, kann Franz sich auf den Heimweg machen. Langsam wird ihm bewusst was er eben erlebt hat. Der Franz der da im Stadion stand, das ist nicht der Franz den er kennt. Kann man Hitler mit dem Kaiser vergleichen? Eigentlich nicht, er ist klein und unscheinbar und trotzdem fasziniert er die Massen. Aber warum? Darauf weiss er keine Antwort, da muss er erst darüber schlafen.
«Und wie war es?», fragt Rosa.
«Unheimlich», mehr bringt er nicht raus.
«Ist das alles?»
«Er hatte sie in der Hand, es war unheimlich.»
«Nun erzähl doch, was hatte er für einen Anzug an?»
«Was interessiert mich sein Anzug? - Ja ich glaube er trug einen Anzug nicht die Uniform, aber ich bin mir nicht sicher, ich stand weit hinten.»
«Das nächste Mal muss ich wohl selber hingehen, du erzählst ja nichts.»
«Das kann ich dir nicht empfehlen. Politik ist Männersache. Die würden dich zerdrücken, da geht es nicht sehr friedlich zu. Ich kaufe morgen eine Zeitung, dann kannst du alles nachlesen.»
Danach versinkt Franz in grosses Schweigen. Der Tag macht ihm Angst, wie geht es weiter? Wird Hitler Deutschland wieder gross machen. Dagegen hat er nichts, nur dieser Hass auf die Juden, das kann er als Katholik nur schwer akzeptieren, dieser Goldberg ist doch ein angenehmer Zeitgenosse. Der hatte viel Pech im Leben und hat sich wieder gefangen. Franz könnte ihm nichts vorwerfen.
Sicher gibt es unter den Juden solche, die wissen wie man ein gutes Geschäft abschliessen kann. Ist das ein Verbrechen? Gut vielleicht meint Hitler die Juden, welche die Gutgläubigkeit der Mitmenschen ausnutzen und ihr Vermögen mit illegalen Geschäften anhäuften. Dass man gegen diese Leute vorgeht, da kann er nichts dagegen einwenden. Sicher meinen die Nazis nur solche Juden. Die Juden die Franz kennt, sind im Alltag integriert und fühlen sich als Deutsche. Wenn er da an seine Grossschwiegermutter denkt. Die hatte deutsche Soldaten gepflegt. Da kann man doch nicht von einer Jüdin sprechen, sie ist so deutsch wie andere Frauen.
Plötzlich läuft es ihm kalt den Rücken runter. Es wird ihm bewusst, dass er gar nicht in die NSDAP eintreten kann, er hat jüdisches Blut in seiner Verwandtschaft. Was heisst das nun für ihn? Die Vernunft sagt ihm, dass er die NSDAP mit allen Mitteln bekämpfen müsste, doch kann er das überhaupt? Wie konnte er, als er Rosa heiratete, wissen, dass sie jüdische Vorfahren hat? Das überprüfte doch damals niemand.
Beim Einschlafen drehen sich seine Gedanken um die Zeit, als er an der Kerb überlegte, welches Mädchen er zum Tanz auffordern will. Neben Rosa war da noch die Waltraud und auch die blonde Hanna stand zur Auswahl. Schliesslich viel die Wahl auf Rosa, weil sie sich nicht zierte, als er ihren Busen streichelte. Als er drei Tänze früher das gleiche bei Hanna probierte, spielte die die Entrüstete. Bei Waltraud klappte es nicht, weil sein Freund schneller war. Als er Rosa nach der Kerb nach Hause brachte, waren die Würfel gefallen! Wie konnte er damals ahnen, welch grossen Fehler er gerade beging?
Wieso Fehler? Stellt er entsetzt fest. Mit Rosa hat es doch ganz gut geklappt, jahrelang waren sie ein glückliches Ehepaar. Das soll nun wegen diesen Nazis plötzlich nichts mehr Wert sein? Er lässt sich von denen doch nicht vorschreiben, welche Frau er heiratet. Das geht die doch nichts an.
Trotzdem hat er nun ein Problem. Wie soll er sich verhalten? Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder er ist gegen die Nazis, das ist aber sehr gefährlich. Es bleibt also nur die zweite Möglichkeit, er muss unauffällig mitschwimmen. Nur nicht auffallen und so tun, als ob man sich nicht an der Politik beteiligt. Manchmal wird er eine Armbinde tragen müssen, damit er nicht auffällt, aber was er denkt, das bleibt sein Geheimnis. Vielleicht ist das mit diesen Nazis früher vorbei, als man denkt. Dieser Hitler kann es mit dem Kaiser nicht aufnehmen.
Gefährliche Strassen /1932
Seinen 17. Geburtstag feiert Willi mit den Freunden vom Fussball. Eigentlich plante er eine kleine Feier im Klubhaus. Der Stadionwart riet ihm ab, es könnte sein, dass die Braunen die Feier stören könnten.
So schmückte Willi das Gartenhaus. Rosa und Gabi helfen ihm, dass es trotzt dem kleinen Raum, gemütlich wirkt. Kaum zu glauben, dass seit dem schwarzen Freitag schon vier Jahre vergangen sind. Seither hat sich das Leben der Familie Wolf deutlich verändert. Die guten Zeiten sind vorbei. Für eine einfache Geburtstagsfeier reicht das Geld noch. Es wird ein ruhiger Geburtstag, vom Grammophon, welches ein Freund mitgebracht hat, ertönen mehrheitlich Schnulzen. Das Grammophon gehört seiner Mutter und die liebt diese Schnulzen. Da die meisten Freunde ihre Freundin dabei haben, wird bei schummrigem Licht viel geknutscht.
Die Paare steckten sich gegenseitig an, wenn einer seine Hand auf den Busen seiner Freundin legt, wird es von den anderen Paaren nachgemacht. Die Mädchen welche sich bisher züchtig verhielten, geben ihre Zurückhaltung