Der Politiker. Geri Schnell
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Auf ihrem Zimmer ist die Stunde von Sepp gekommen. Jetzt fühlt er sich stark. Willi unterstützt ihn so gut es geht, aber ohne die Führungsrolle von Sepp zu gefährden. Er braucht ihn noch, er muss unbedingt zu einer Uniformen kommen und da rechnet er mit der Unterstützung von Sepp.
Während das Studium zu Gunsten der aktuellen Politik etwas vernachlässigt wird, freuen sich die Studenten auf die bevorstehenden freien Tage über den Fasching.
Am Samstagabend trifft Willi in Worms ein und Gabi holt ihn vom Bahnhof ab. Sie nehmen sich Zeit mit dem Nachhauseweg. Den Koffer ziehen sie im Leiterwagen hinter sich her, so bleibt immer eine Hand frei. In ihrer dunklen Ecke beginnen sie wieder mit dem herumfummeln.
«Morgen muss ich bei meiner Familie bleiben», erklärt Willi, «am Montag haben wir Besuch, aber am Dienstag könnten wir auf einen Maskenball gehen. Hast du Lust?»
«Ja natürlich!», entgegnet Gabi und gibt ihm einen Kuss, «ich muss am Sonntag auch zuhause sein und an einem Montag darf ich normalerweise nicht ausgehen, das passt gut. Ich sehe dich am Dienstag, holst du mich ab?»
Am Dienstagabend holt Willi seine Gabi ab. Sie hat sich als Prinzessin verkleidet und sieht bezaubernd aus. Willi ist ein Strassenräuber, die beiden passen gut zusammen.
«Wollen wir ins Volkshaus oder in den Krug?», fragt Willi.
«Im Volkshaus kostet es Eintritt, mir reicht der Krug. Im Volkshaus kam es letztes Jahr zu Raufereien.»
«Also in den Krug!», willigt Willi ein, «auf eine Rauferei kann ich verzichten.»
Dass der Entscheid richtig war, zeigt sich, gegen Mitternacht. Als mehrere Maskierte im den Krug drängen und von Unruhen im Volkshaus berichteten. Nun ist es Zeit für die Beiden, sich auf den Heimweg zu begeben. Auch im Krug ist es vorbei mit der Gemütlichkeit.
Da geniesst das Liebespaar lieber noch eine halbe Stunde Zweisamkeit in ihrer dunklen Ecke. Als Willi nach Hause kommt, sitzt Vater vor dem Radio und hörte gespannt auf die neusten Meldungen.
«Der Reichstag brennt!», informiert er seinen Sohn, der noch nicht auf dem neuesten Stand ist, «sie meinen, ein linker Jude hat ihn angezündet.»
«Du meinst Brandstiftung, wie das Stadttheater hier in Worms?»
«Sie wissen noch nichts genaues, mit Sicherheit wurde er in Brand gesteckt.»
Am nächsten Morgen liest Willi in der Zeitung, was im Volkshaus los war. Der Wirt wurde während dem Lumpenball von Nationalsozialisten erschossen. Das Leben in Worms wird immer gefährlicher, nur wer sich deutlich als Nationalsozialisten zu erkennen gibt, ist sicher. Franz trägt jetzt in der Öffentlichkeit immer die Naziarmbinde, nur so kommt er ungeschoren durch die Stadt. Die Wormser Polizei wird von den Nazis kontrolliert. Auch wenn der Stadtrat noch zur Liberalen Partei gehört, im Polizeirevier hat er nichts mehr zu melden. Die sind nicht mehr unter seiner Kontrolle. Auch Franz fahren die Ereignisse im Volkshaus ein, erst jetzt merkt er, wie gefährlich seine Arbeit in der goldenen Gans war.
Aus Berlin melden sie, dass das Reichstaggebäude nur noch eine Ruine ist. Paul von Hindenburg verkündet, dass die Schuldigen bestraft werden. Gleichzeitig teilt er mit, dass ab sofort eine Notverordnung in Kraft tritt. Er beruft sich auf Artikel 48 der Weimarer Rechtsverfassung.
Dass der Brandstifter bereits ermittelt werden konnte, wird von der Presse gerühmt. Ein linker Holländer namens van der Lubbe wurde verhaftet. Der Kommunist ist erst 23 Jahre alt und reiste erst kürzlich aus Holland nach Berlin. Dem Lümmel wird man zeigen, wie man in Deutschland mit Unruhestifter umgeht.
Was die Notstandgesetze für die Deutschen bedeutet ist nicht klar. Allgemein wird begrüsst, dass man nun gegen Unruhestifter hart vorgehen kann, das deutsche Volk will endlich wieder Ruhe. Politische Aufwiegler haben in Deutschland nichts verloren.
«Jetzt geht es aufwärts», meint Franz zu seinem Sohn, «jetzt herrscht wieder Ordnung, jetzt sind die Deutschen wieder wer.»
«Ich hoffe nur», wendet Wilhelm ein, «dass uns unsere Uroma nicht zum Verhängnis wird.»
«Solange wir uns für Deutschland einsetzen, spielt das sicher keine Rolle», beschwichtigt sein Vater, «du wurdest immerhin in der Partei aufgenommen.»
«Schon, aber nur, weil die mich nicht so genau überprüft hatten.»
«Die Hauptsache ist, dass du jetzt in der Partei bist», stellt Vater fest, «der Rest wird sich geben. Du musst halt aktiv sein, dann fällt es nicht auf.»
«Mit Sepp hab ich einen guten Kumpel zur Hand, er ist schon lange in der Partei und hat einiges zu sagen.»
«Wichtig ist jetzt, es geht mit Deutschland voran. Die Versailler Verträge haben nichts mehr zu bedeuten, wir sind endlich frei.»
Damit ist das Thema abgehackte. In der heutigen Zeitung hat Franz eine Anzeige der Lederfabrik gelesen, die suchen einen Buchhalter. Er will sich noch heute dort bewerben. Den Direktor kennt er noch aus seiner Zeit als Steuerbeamter und damals hat er immer dafür gesorgt, dass die Firma nicht zu viel Steuern bezahlen musste, das ist eine günstige Gelegenheit.
Er zieht seinen besten Anzug an und verabschiedet sich von seinem Sohn.
«Du verstehst doch, dass ich dich nicht zum Bahnhof bringen kann?», erklärt er Wilhelm, «das ist für mich wichtig, ich will am neuen Deutschland mitarbeiten.»
«Ist verständlich! Gabi wird mich zu Bahnhof bringen. Sie wird den Leiterwagen nachher in den Schuppen stellen.»
«Mach's gut!»
Willi schaut ihm nach wie er sich aufs Fahrrad schwingt und in Richtung Lederfabrik davonradelt. Bei so viel Optimismus muss es klappen.
Franz ist nervös, er hofft, dass der Direktor ihn noch gut in Erinnerung hat. Vor der Fabrik reduziert er das Tempo, er will nicht verschwitzt zum Vorstellungsgespräch erscheinen. Es ist jedoch noch gar nicht sicher, ob er überhaupt vorgelassen wird. Sicher gibt es viele Bewerber. Zum Glück hat er letzte Woche noch eine original Armbinde und eine Anstecknadel mit Hakenkreuz gekauft. Er achtet darauf, dass die Binde vorschriftsmässig befestigt ist und steckt sich auch die Nadel an den Kragen. Er ist gerüstet, nun stellt er sein Rad ab und geht auf das Pförtnerhaus zu.
«Heil Hitler, - was kann ich für sie tun?»
«Heil Hitler», erwidert er zackig den Gruss, «in der Zeitung habe ich gelesen, dass sie einen Buchhalter suchen. Ich möchte mich bewerben.»
«Moment bitte, wie ist ihr Name?»
«Franz Wolf!»
Der Pförtner betätigt die Kurbel an seinem Fernsprecher. Franz kann von der Unterhaltung nichts verstehen, der Pförtner hat die Scheibe zugezogen.
«Sie sollen warten», informiert ihn der Pförtner.
Wenigstens wird er nicht gleich weggeschickt, doch das Warten zehrt an seinen Nerven. Nach einer Viertelstunde steht er immer noch vor dem Häuschen und wartet. In der Zwischenzeit sind drei weitere Männer beim Pförtner aufgetaucht. Zwei, beide ohne Parteiabzeichen, wurden sofort weg geschickt. Einer steht nun wie Franz herum und wartet.