Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich
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Der alte Herr verlangte allerdings, daß ihrer Vier den Unglücklichen, der jedenfalls noch lebte, bis zum nächsten Haus hinab tragen sollten, da ihm das Rütteln des Fuhrwerks vielleicht den Tod bringen konnte. Dagegen aber protestirten die Uebrigen, die geradezu erklärten: sie hätten heut Abend der Unbill genug gelitten, um jetzt auch noch mit den überdies /15( durch den Sturz schmerzenden Gliedern eine Leiche Stunden weit zu schleppen. Die Wunde in der Brust sei jedenfalls tödtlich, und das Einfachste, den armen Teufel hier unter einen Baum zu legen und dann vom nächsten Haus Leute abzuschicken, die ihn begraben oder sonst mit ihm machen konnten, was sie wollten. Was kümmerte sie überhaupt der fremde Mensch!
Dem widersprach der alte Herr auf das Entschiedenste. Den Verwundeten hier ohne Hülfe zurück zu lassen, wäre kaum weniger ein Verbrechen gewesen, wie der Mord selber, und wenn sich auch ein paar der Rohesten noch dagegen sträubten, setzte er doch endlich die Mitnahme durch. So gut das eben die Umstände erlaubten, wurde dem Unglücklichen ein bequemer Platz hergerichtet; der alte Herr nahm ihn dann selber in seine Arme, und mit der Mahnung an den Kutscher, bis zu der nächsten menschlichen Wohnung nur langsam zu fahren, setzte sich der geplünderte Postwagen endlich wieder in Bewegung.
Indessen hatten sich die Bushranger in den Wald und zu einer ihnen wohl bekannten Stelle an einer Schroffe zurückgezogen, wo sie ganz sicher waren, heute Nacht nicht allein nicht belästigt zu werden, sondern auch, ohne die geringste Furcht, entdeckt und gesehen zu werden, ein Lagerfeuer anzünden konnten. Lebensmittel mit den nöthigen Getränken waren ebenfalls schon über Tag hierher geschafft worden, und mit dem behaglichen Gefühl eines vollständig geglückten Unternehmens suchte die verbrecherische Schaar diesen Zufluchtsort, um sich vor allen Dingen mit Speise und Trank zu stärken und dann das Weitere, ihre eigene Sicherheit betreffend, zu überlegen und zu besprechen.
Dort waren diese, an ein Buschleben überhaupt gewöhnten und abgehärteten Menschen auch bald behaglich eingerichtet, und ihre fetten Hammelrippen auf den Kohlen bratend und eine Flasche Rum im Kreise herumsendend, gaben sie sich einem Gefühle vollständiger Sicherheit hin, das auch in der That nur durch einen Umstand getrübt wurde - den ausgeführten Mord. Die Beraubung der königlichen Postkutsche wie ihrer Passagiere hätte ihnen sonst wenig Sorge genug gemacht.
„Sagt mir, Bill," begann auch hier Jim endlich, „was /16/ Euch auf einmal in den Kopf stieg, den jungen Swell2 so ohne Weiteres über den Haufen zu schießen. Die ganze Geschichte ging so geschwind und eigentlich so ruhig ab, daß ich nicht einmal recht klug daraus geworden bin, wenn ich auch dicht daneben stand."
„Er hatte mich erkannt und - mußte sterben," erwiderte der junge Bursche, und schien sich Mühe zu geben, gleichgültig bei den Worten zu bleiben. Aber so verworfen hatte ihn das Laster doch noch nicht gemacht, selbst von einem Mord theilnahmlos zu sprechen, wenn er es auch die schon mehr abgehärteten Kameraden wollte glauben machen. Sein Gesicht selber sah wenigstens todtenbleich dabei aus, und seine Hand zitterte, als er die Flasche ergriff, um mit dem starken Trank die aufsteigenden Gedanken zu betäuben.
„Hm - 's bleibt immer eine verfluchte Geschichte," brummte der Trompeter vor sich in den Bart - „Blut ist Blut, und je weniger mau damit zu thun hat, desto besser. Wird jetzt ein heilloses Geschrei in der Colonie geben, und die ganze Polizei Monate lang auf den Beinen halten."
„Und was thut's?" lachte der junge Verbrecher höhnisch zurück. „Wir Alle wissen, wohin wir uns zu wenden haben, um dem Lärm aus dem Wege zu gehen, bis er vorüber geblasen ist. So wie wir getheilt haben, brechen wir auf, und mit dem Bösen selber müßte es zugehen, wenn sie uns auf die Spur kommen wollten. Ich wenigstens fürchte die ganze Polizeibande nicht."
„Blut ist Blut," knurrte aber auch Bob, der nichtsdestoweniger dabei an einer erst halbgaren Hammelrippe kaute, daß ihm das Fett an beiden Mundwinkeln herunter lief, „und es bleibt immer ein nichtswürdiges Gefühl, wenn man das hinter sich weiß - den Strick nämlich."
„Und sollt' ich ihn laufen lassen, daß er nachher in Sidney Lärm schlug und wir Alle wie ein Dingo im Walde herum und zu Tode gehetzt wurden?"
„Wäre auch eine verdammte Geschichte, das ist wahr," bestätigte Jim. - „Daß Ihr den schwarzen Lappen auch vom /17/ Gesicht verlieren mußtet. Es geht doch bei solchen Gelegenheiten nichts über das Anmalen, und man hat nie die geringste Unbequemlichkeit davon."
„Und jetzt ist's geschehen und nicht mehr zu ändern," sagte Bill trotzig - „keinesfalls verräth der etwas mehr."
„Und seid Ihr sicher, daß er todt ist?" frug Jenkins, der sich bisher nicht um das Gespräch gekümmert und nur mit der Behandlung des Fleisches auf den Kohlen beschäftigt hatte. Bill sah ihn rasch an.
„Gewiß," sagte er - „die Ladung muß ihm ja den Rock verbrannt haben, so nahe war ich, und den Schuß kann er um keine Minute überlebt haben."
„Dann ist's auch nicht der Mühe werth, nachher noch ein großes Geschrei zu machen," philosophirte der Bushrangcr - „Blut ist Blut, das ist richtig, aber ein Strick ist auch ein Strick, und sicher bleibt sicher. Bill hat wie ein Mann gehandelt, ich hätt's selber nicht besser machen können" - und als ob das das größte Lob sei, das er im Stande wäre zu spenden, stach er mit seinem Messer in ein paar der jetzt durchgebratenen Rippenstücke und begann seine eigene Mahlzeit.
Der Gegenstand der Unterhaltung war überhaupt nicht angenehm genug, auch die Uebrigen lange zu fesseln, noch dazu, da jetzt ja die Theilung der gemachten Beute bevorstand, die sich bald reicher auswies, als sie Alle erwartet haben mochten. „Bill", wie er von den Gefährten kurzweg genannt wurde, da diese nicht einmal seinen ordentlichen Namen kannten, hatte das Unternehmen auch in der That eingeleitet, da er gerade in Erfahrung gebracht, daß an diesem Tag eine nicht unbedeutende Summe in baarem Gelde nach Sidney geschickt werden sollte. Diese befand sich jetzt mit dem ebenfalls nicht unbeträchtlichen, den Passagieren abgenommenen Raub in ihren Händen, und die arbeitharten und rauhen Fäuste wühlten mit innigem Behagen in den vor ihnen auf eine wollene Decke ausgeschütteten Goldstücken - hatte doch Keiner von ihnen in seinem ganzen Leben schon so viel baares Geld auf einem Fleck zusammen gesehen - das Bewußtsein gar nicht gerechnet, daß er selber der Eigenthümer des vierten Theiles sei.
„Jungens, Jungens," sagte Jim, vergnügt vor sich hin /18/ lachend, indem er seine ausgestreckte Hand in den Haufen von Goldstücken hineinschob und di« einzelnen Münzen durch die Finger zurückgleiten ließ, „das ist, straf' mich Gott, die schönste Musik, die ich in meinem ganzen Leben gehört habe - die beste Fiedel der Welt nicht ausgenommen. Hol's der Teufel, das kann selbst der Gouverneur nicht" - und mit den Worten warf er sich voll tollen Uebermuths auf den ausgebreiteten Schatz, um sich im wahren Sinne des Wortes in Gold zu wälzen.
„Hallo - Du, Jim," rief aber der Trompeter, „nimm Dich in Acht, mein Herzchen, daß Dir nicht aus Versehen ein halb Dutzend Stücke in die Rocktasche oder den Kragen fallen. Ehrlich Spiel! Vorher wollen wir theilen, und nachher kannst Du mit Deinem Part machen, was Dich eben freut."
„Hast Du Angst, Schatz, daß ich mir mein „Taschengeld" vorausnehme?" lachte der Irländer- „hab' keine Sorge, es bleibt noch genug für Dich übrig, um Dir die Tage zu versüßen, bis Du gehangen wirst."
„Nicht vor Dir hoffentlich," knurrte der Trompeter, über die Anspielung sichtlich nichts weniger als erfreut, „damit ich bei Deinem Leichenbegängniß