Vom Winde verweht. Margaret Mitchell
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Vom Winde verweht - Margaret Mitchell страница 18
Ellens Leben war weder leicht, noch war es glücklich. Mühelosigkeit erwartete sie vom Leben nicht, und daß ihm das Glück fehlte, war Frauenlos. Die Welt gehörte dem Mann, und so nahm sie sie hin. Dem Mann gehörte der Besitz, die Frau hatte ihn zu verwalten. Waren Haus und Plantage gut aufgezogen, so hatte der Mann die Ehre, und die Frau lobte seine Geschicklichkeit. Der Mann brüllte wie ein Stier, wenn er einen Splitter im Finger hatte, und die Frau erstickte jedes Stöhnen bei der Geburt, damit es ihn nicht störe. Die Männer waren grob in ihren Worten und oftmals bezecht. Die Frauen überhörten anstößiges Reden und brachten die Trunkenbolde ohne ein Wort der Bitterkeit zu Bett. Die Männer sagten barsch und unverblümt ihre Meinung, die Frauen waren immer freundlich, gütig und verzeihend. Ellen war in den Traditionen vornehmer Damen erzogen worden, die sie gelehrt hatten, ihre Last zu tragen, ohne von ihrem persönlichen Zauber etwas einzubüßen, und sie wollte auch ihre drei Töchter zu vornehmen Damen machen. Mit den jüngeren gelang es ihr; Suellen war so darauf aus, zu gefallen, daß sie aufmerksam und willig auf die Lehren ihrer Mutter hörte, und Carreen war schüchtern und leicht zu lenken. Aber Scarlett, ganz Geralds Kind, fand den Weg zur vollendeten Dame nur ganz mühselig.
Zu Mammys Entrüstung waren ihre liebsten Spielkameraden nicht ihre artigen Schwestern oder die wohlerzogenen Wilkesschen Mädchen, sondern die farbigen Kinder auf der Plantage und die Jungens aus der Nachbarschaft. Auf Bäume klettern und mit Steinen werfen konnte sie so gut wie der Beste unter ihnen. Mammy war ganz verstört darüber, daß Ellens Tochter sich so entfaltete, und beschwor sie häufig, »sich wie eine kleine Dame zu benehmen«. Aber Ellen betrachtete die Sachlage mit duldsamerem Auge, mehr auf lange Sicht. Sie wußte, daß aus Spielkameraden einstmals Verehrer wurden, und die erste Pflicht eines Mädchens war, zu heiraten. Sie sagte sich, daß dies alles nur die überschäumende Lebensfülle des Kindes sei und daß es immer noch Zeit sein würde, Scarlett die Künste der Anmut und des Liebreizes zu lehren.
Zu diesem Zweck vereinten Ellen und Mammy ihre Bemühungen, und als Scarlett heranwuchs, wurde sie eine gelehrige Schülerin. Viel mehr lernte sie freilich auch nicht. Trotz einer ganzen Reihe von Erzieherinnen und einem zweijährigen Aufenthalt in der nahe gelegenen Töchterschule zu Fayetteville blieb ihre Bildung höchst lückenhaft, aber kein Mädchen aus der Provinz tanzte besser als sie. Sie verstand zu lächeln, daß die Grübchen spielten, auf leichten Füßen zu gehen, daß die weiten Krinolinenröcke einladend um sie her flogen, dem Mann ins Auge zu sehen und sofort den Blick niederzuschlagen, als bebte sie in süßer Erregung. Vor allem lernte sie, ihren scharfen Verstand vor den Männern hinter einem Gesicht zu verbergen, das so sanft und harmlos dreinschauen konnte wie das eines kleinen Kindes. Ellen und Mammy mühten sich beide ab, ihr die Eigenschaften einzuimpfen, die aus ihr eine wahrhaft begehrenswerte Gattin machen sollten, Ellen mit sanften Ermahnungen, Mammy mit beständigem Tade l.
»Du mußt stiller sein, Liebling, und gesetzter«, sagte Ellen zu ihrer Tochter. »Du darfst die Herren nicht unterbrechen, wenn sie sprechen, und wenn du es zehnmal besser weißt als sie. Ein vorlautes Mädchen mögen die Männer nicht.«
»Eine kleine Dame, die die Stirn runzelt und das Kinn auf wirft und sagt >ich will< und >ich will nicht<, kriegt keinen Mann ab«, prophezeite Mammy düster, »so eine kleine Dame soll die Augen niederschlagen und sagen >gewiß doch< und >Sie haben ganz recht<.«
So gut sie vermochten, lehrten sie sie alles, was eine Dame wissen sollte; Scarlett aber begriff nur den äußeren Schein. Die Herzensanmut, aus der die äußere Form wachsen sollte, lernte sie nie und sah auch keinen Grund ein, sie zu lernen. Der äußere Schein genügte, die damenhaften Formen machten sie beliebt, und mehr verlangte sie nicht. Gerald prahlte damit, daß sie in fünf Provinzen die gefeiertste Schönheit sei, und nicht mit Unrecht. Fast alle jungen Männer aus der Nachbarschaft und viele von weither, aus Atlanta und Savannah, hatten ihr Heiratsanträge gemacht. Mit sechzehn Jahren sah sie, dank Mammy und Ellen, liebreizend und fügsam aus, in Wirklichkeit aber war sie eigensinnig und eitel. Sie hatte die leichterregbare Leidenschaftlichkeit ihres Vaters, aber von dem selbstlosen, duldsamen Wesen ihrer Mutter nur eine dünne Politur. Das wurde Ellen nie ganz bewußt, denn vor ihrer Mutter zeigte sie sich stets von der besten Seite, verbarg ihre Sprunghaftigkeit, unterdrückte ihren Zorn und war so sanft, wie sie nur konnte, denn ein vorwurfsvoller Blick der Mutter konnte sie bis zu Tränen beschämen.
Mammy hingegen gab sich keinen Täuschungen über sie hin und lag beständig auf der Lauer, sie zu durchschauen. Mammy hatte ein schärferes Auge als Ellen, und Scarlett konnte sich ihr Leben lang nicht erinnern, die alte Amme je auf die Dauer hinters Licht geführt zu haben.
Nicht daß die beiden liebevollen Erzieherinnen Scarletts rasches Blut, ihre Lebhaftigkeit und ihre Reize beklagt hätten. Auf solche Züge waren die Frauen in den Südstaaten stolz. Was ihnen Sorge machte, war das von Gerald ererbte halsstarrige, ungestüme Wesen, und zuweilen fürchteten sie, es möge mißlingen, diese verhängnisvollen Eigenschaften zu vertuschen, bis sie eine gute Partie gemacht hatte. Aber Scarlett wollte heiraten, Ashley heiraten, und sie trug geduldig die Maske scheinbarer Sittsamkeit und liebenswürdiger Gedankenlosigkeit, weil nun einmal nur diese Mittel bei den Männern ihre Wirkung taten. Darüber nachzudenken, warum das so war, reizte sie nie; sie hatte keine Ahnung, wie es in der Menschenbrust zugeht, auch nicht in der eigenen. Sie wußte nur eines: wenn sie dies und jenes tat und sagte, antworteten die Männer unfehlbar mit dieser und jener Schmeichelei. Es war nicht schwieriger als eine mathematische Formel. Mathematik war das einzige, was Scarlett in der Schule leichtgefallen war.
Noch weniger als vom Innenleben des Mannes wußte sie von dem der Frau, denn Frauen interessierten sie nicht. Eine Freundin hatte sie nie gehabt und nie entbehrt. Alle Frauen, auch ihre beiden Schwestern, waren ihre natürlichen Feinde, weil sie dieselbe Beute verfolgten ... den Mann. Alle Frauen, mit einer einzigen Ausnahme: ihre Mutter!
Ellen 0'Hara war anders. Scarlett betrachtete sie wie etwas Heiliges, das über allen anderen Menschen steht. Als Kind hatte sie ihre Mutter mit der Jungfrau Maria verwechselt, und als sie älter wurde, sah sie nicht ein, warum sie ihre Ansicht ändern sollte. Ellen war für sie der Inbegriff der vollkommenen Ruhe, wie nur der Himmel oder eben eine Mutter sie geben kann. Ihre Mutter war die verkörperte Gerechtigkeit, Wahrheit, zärtliche Liebe und tiefe Weisheit - und sie war eine vornehme Dame.
Scarlett wollte von Herzen gern so werden wie ihre Mutter; nur gab es da eine Schwierigkeit: wer gerecht und wahrhaftig, liebevoll und selbstlos war, dem entgingen die meisten Freuden des Lebens und vor allem viele Verehrer. Das Leben aber war zu kurz, als daß man so erfreuliche Dinge versäumen durfte. Später einmal, wenn sie erst Ashleys Frau und älter war, später, wenn sie für so etwas Zeit hatte, wollte sie so sein wie Ellen. Bis dahin ...
An diesem Abend vertrat Scarlett ihre Mutter bei der Mahlzeit. Aber in ihrem Gemüt gärte noch immer das Schreckliche, das sie über Ashley und Melanie gehört hatte. Sie sehnte sich voller Verzweiflung danach, daß ihre Mutter von Slatterys zurückkehren möge; ohne sie fühlte sie sich einsam und verlassen. Welches