Vom Winde verweht. Margaret Mitchell

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Vom Winde verweht - Margaret Mitchell

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des trübseligen Mahles schlug ihr Geralds dröhnende Stimme schmerzhaft ans 0hr, bis sie meinte, es nicht länger aushallen zu können. Er hatte sein Gespräch mit ihr schon wieder vollständig vergessen und hielt jetzt einen Vortrag über die neuesten Nachrichten aus Fort Sumter, wobei er hin und wieder bekräftigend mit der Faust auf den Tisch schlug und mit den Armen durch die Luft fuchtelte. Er hatte sich zur Gewohnheit gemacht, bei Tisch die Unterhaltung zu beherrschen, und meistens saß Scarlett in ihre eigenen Gedanken versunken dabei und vernahm kaum ein Wort. Aber heute konnte sie sich nicht gegen seine Stimme abschließen, so angestrengt sie auch nach dem Knarren der Wagenräder aushorchte, das Ell ens Rückkehr anzeigen mußte. Natürlich hatte sie nicht die Absicht, ihrer Mutter zu erzählen, was ihr so schwer auf dem Herzen lag. Es hätte Ellen nur befremdet und bekümmert, zu erfahren, daß ihre Tochter einen Mann begehrte, der mit einem anderen Mädchen verlobt war. Aber im Abgrund dieser ersten Tragödie, die ihr widerfuhr, hätte ihr die tröstliche Gegenwart der Mutter schon viel bedeutet. Sie fühlte sich immer geborgen, wenn Ellen bei ihr war; nichts konnte so arg sein, daß Ellen es nicht durch ihre b loße Gegenwartgelindert hätte.

      Sie fuhr unvermutet von ihrem Stuhl empor, als sie Räder über die Auffahrt knirschen hörte, und sank wieder zurück, als sie um das Haus herum weiterfuhren bis in den hinteren Hof. Ellen konnte es nicht sein, denn sie wäre gleich bei der vorderen Eingangstreppe ausgestiegen. Dann klang aufgeregtes Geplapper von den Stimmen der Farbigen und schrilles Lachen von draußen herein. Durch das Fenster erblickte Scarlett Pork. Er hielt einen brennenden Kiefernscheit hoch, in dessen Licht man undeutliche Gestalten vom Leiterwagen klettern sah. In der dunklen Nachtluft schwoll das Gelächter und Geschwätze an: anheimelnde, sorglose Stimmen, sanfte Kehllaute und helle Fisteltöne. Dann kamen Schritte die Hintertreppe herauf und weiter durch den Flur, der zum Haupthause führte. In der Halle vor dem Speisezimmer blieben sie stehen, ein kurzes Geflüster, und Pork trat ein, seiner üblichen Würden vollständig bar, mit rollenden Augen und gleißenden Zähnen.

      »Master Gerald«, meldete er keuchend; sein Gesicht strahlte vor Bräutigamsstolz. »Die neue Frau sein da.«

      »Neue Frau? Ich habe keine neue Frau gekauft«, erklärte Gerald und heuchelte ein äußerst erstauntes Gesicht.

      »Doch, doch! Master Gerald, sie sein hier draußen und mögen Sie sprechen!« Pork grinste und rang vor lauter Aufregung die Hände.

      »Nun also, bring die Braut herein«, sagte Gerald.

      Pork ging in die Halle zu seiner Frau, die von Wilkes' Plantage soeben angekommen war, um ein Glied des Haushaltes auf Tara zu werden. Sie kam herein, hinter ihr her, von ihrem mächtigen Katrunrock fast verborgen, ihr zwölfjähriges Mädchen, das sich an das Bein der Mutter schmiegte.

      Dilcey war groß und hielt sich sehr gerade. Sie hätte in jedem Alter zwischen dreißig und sechzig sein können, so glatt war ihr unbewegliches, bronzefarbenes Gesicht. Ihren Zügen sah man deutlich das Indianerblut an, das die Merkmale des Farbigen überwog. Die rote Haut, die schmale, hohe Stirn, die hervortretenden Backenknochen und die Habichtsnase, deren unteres Ende über wulstigen Lippen hing, alles verriet die Mischung der beiden Rassen. Sie trug sich mit einer selbstbeherrschten Würde, die selbst Mammys übertraf. Mammy hatte sich ihre Würde anerzogen, Dilcey lag sie im Blut. Wenn sie sprach, klang ihre Stimme nicht so verschliffen wie bei den meisten Farbigen, auch wählte sie ihre Worte sorgfältiger aus.

      »Guten Abend, junge Missis, guten Abend, Master Gerald. Es tut mir leid, daß ich Sie störe, aber ich wollen herkommen und mich bei Ihnen bedanken, weil Sie mich kaufen und mein Kind dazu. Eine Menge Herren vielleicht mich auch kaufen, aber meine Prissy nicht mit kaufen, nur damit ich nicht traurig wäre. Ich danke auch schön. Ich wollen alles für Sie tun und zeigen, daß ich es Ihnen nicht vergesse.«

      »Hrr-hmm.« Gerald räusperte sich vor Verlegenheit, weil er öffentlich einer guten Tat überführt wurde.

      Dilcey wandte sich zu Scarlett, und etwas wie ein Lächeln huschte um ihre Augenwinkel. »Miß Scarlett, Pork mir sagen, daß Sie Master Gerald gebeten haben, mich doch kaufen. Dafür gebe ich Ihnen meine Prissy als Ihre eigene Kammerzofe.«

      Sie langte hinter sich hin und schubste das kleine Mädchen nach vorn. Es war ein schmächtiges braunes Ding, mit Beinen so mager wie Vogelbeine und einer Unzahl sorgfältig mit Zwirn umwickelter Zöpfe, die ihr steif vom Kopf abstanden. Sie hatte ein Paar scharfe Augen, denen nichts entging, und trug eine gewollt dumme Miene zur Schau.

      »Danke, Dilcey«, erwiderte Scarlett. »Ich fürchte nur, da hat Mammy ein Wort mitzureden. Sie ist seit meiner Geburt meine Zofe gewesen.«

      »Mammy werden alt«, sagte Dilcey mit einer Ruhe, die Mammy in Wut gebracht hätte. »Sie sein eine gute Mammy, aber Miß Scarlett sein jetzt eine junge Dame und brauchen eine gute Zofe, und meine Prissy sein seit einem Jahr bei Miß India Zofe gewesen, sie kann nähen und das Haar aufstecken wie eine Erwachsene.«

      Auf einen Rippenstoß der Mutter hin machte Prissy einen Knicks und grinste Scarlett an, die nicht anders konnte als ihr wieder zulächeln. Ein gerissenes kleines Mädel, dachte sie und sagte laut: »Dank dir, Dilcey, wir sprechen weiter darüber, wenn Mrs. 0'Hara nach Hause kommt.«

      »Danke, Miß, ich wünsche allen Herrschaften gute Nacht.« Damit kehrte Dilcey sich um und verließ mit dem Kinde das Zimmer, während Pork dienstbeflissen umsie hertänzelte.

      Als das Abendessen abgeräumt war, nahm Gerald seinen Vortrag wieder auf, doch machte es ihm selbst keine rechte Freude mehr und den Zuhörern noch weniger. Wenn er donnernd den Krieg als unmittelbar bevorstehend bezeichnete und rhetorisch fragte, ob der Süden sich weitere Beleidigungen von den Yankees bieten lassen dürfe, bekam er darauf nur ein stilles, gelangweiltes »Ja, Papa« und »Nein, Papa« zu hören. Carreen saß auf einem Kissen unter der großen Lampe und vertiefte sich in den Roman von einem Mädchen, das nach dem Tode ihres Liebsten den Schleier genommen hatte. Stille Wonnetränen tropften ihr dabei aus den Augen, und sie sah sich im Geiste selber wohlgefällig mit der weißen Nonnenhaube. Suellen stickte »etwas für ihre Hoffnungstruhe«, wie sie es kichernd nannte, und überlegte sich, ob sie nicht doch morgen auf dem Gartenfest Stuart Tarleton ihrer Schwester abspenstig machen und mit der süßen Weiblichkeit bestricken könnte, die ihr eigen war und Scarlett so ganz abging. Scarlett aber war voll inneren Aufruhrs wegen Ashley.

      Wie konnte Pa nur immer weiter über Fort Sumter und die Yankees reden, wo er doch wußte, daß ihr das Herz brach? Sie wunderte sich nach Art sehr junger Leute darüber, daß man ihren Schmerz vergessen konnte und die Welt sich trotz ihrem gebrochenen Herzen weiter drehte wie immer. Ihr schwirrte der Kopf, als brauste ein Sturmwind durch ihn hindurch, und es war so sonderbar, daß das Speisezimmer mit dem wuchtigen Mahagonitisch, den Anrichteschränken, dem schweren Silbergeschirr, mit den bunten Flickenteppichen auf dem blanken Fußboden so friedlich wie immer vor ihr lag. Die ruhigen Stunden, die die Familie hier nach dem Abendessen verbrachte, hatte Scarlett so gern, aber heute war der Anblick ihr verhaßt, und am liebsten wäre sie leise hinausgegangen durch die dunkle Halle in Ellens kleines Schreibzimmer und hätte auf dem alten Sofa ihren Kummer ausgeweint. Dieses Zimmer hatte Scarlett von allen im Hause am liebsten. Hier saß Ellen morgens an ihrem Schreibtisch, führte die Abrechnungen über die Plantage und nahm den Bericht Jonas Wilkersons, des Aufsehers, entgegen. Dort verbrachte auch die Familie ihre Mußestunden, während Ellens Gänsekiel über die Buchseiten flog, Gerald in dem alten Schaukelstuhl, die Mädchen auf den eingesessenen Sofakissen, die zu zerschlissen und abgenutzt für die Vorderzimmer waren.

      Dort zu sein, allein mit Ellen, sehnte Scarlett sich jetzt, und - den Kopf imSchoßeder Mutter- ungestörtzu weinen.

      Da knirschten Räder geräuschvoll durch den Kies, und schon war Ellens sanfte Stimme draußen zu vernehmen.

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