Vom Winde verweht. Margaret Mitchell
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»Warum sitzen Sie denn heute nicht zu Pferde, Mrs. Tarleton? 0hne Nellie sehen Sie mir ganz fremd aus. Sie sind doch der wahre Stentor ...«
»Stentor, du meine Güte!« Mrs. Tarleton äffte sein Irisch nach. »Zentaur meinen Sie wohl! Stentor war ein Mann mit einer Stimme wie ein Messinggong.«
»Stentor oder Zentaur, das ist mir eins«, antwortete Gerald und ließ sich durch seinen Irrtum nicht aus der Fassung bringen. »Im übrigen haben Sie ja eine Stimme wie aus Messing, gnädige Frau, wenn sie die Meute antreiben.«
»Da hast du's, Ma«, sagte Hetty, »ich hab' dir immer gesagt, du kreischst jedesmal wie ein Indianer, wenn du einen Fuchs siehst.«
»Nicht so laut, wie du kreischst, wenn Mammy dir die 0hren wäscht«, gab Mrs. Tarleton zurück. »Und du willst sechzehn Jahre alt sein! Also reiten kann ich heute nicht, weil Nellie in der Frühe gefohlt hat.«
»Wahrhaftig!« Gerald war auf das lebhafteste interessiert, seine irische Leidenschaft für Pferde strahlte ihm aus den Augen, und Scarlett hatte wieder das Gefühl der Bestürzung, als sie ihre Mutter mit Mrs. Tarleton verglich.
Für Ellen fohlten Stuten nicht und kalbten keine Kühe. Kaum daß Hühner Eier legten. Ellen sah über all das vollständig hinweg. Aber Mrs. Tarleton kannte solche Schamhaftigkeiten nicht.
»Eine kleine Stute, nicht wahr?«
»Nein, ein schöner kleiner Hengst mit fast zwei Meter langen Beinen. Sie müssen einmal herüberkommen und ihn sich ansehen, Mr. 0'Hara. Ein echt Tarletonsches Pferd, rot wie Hettys Locken .«
»Sieht Hetty auch sonst furchtbar ähnlich«, sagte Camilla und tauchte dann in einen Wirrwarr von Röcken, Spitzenhosen und wippenden Hüten unter, als Hetty sie zu kneifen begann.
»Meine Fohlen sticht heute morgen der Hafer«, sagte Mrs. Tarleton, »sie haben schon die ganze Zeit über hinten ausgeschlagen, seit wir heute morgen die Neuigkeiten über Ashley und seine kleine Cousine aus Atlanta hörten. Wie heißt sie noch? Melanie? Gott segne das Kind, sie ist gewiß ein süßes kleines Ding, aber ich kann mich weder auf ihren Namen noch auf ihr Gesicht besinnen. Unsere Köchin ist die Frau des Wilkesschen Dieners. Er kam gestern abend und erzählte ihr, daß die Verlobung heute abend verkündet werden soll, und Cooky hat es uns heute morgen berichtet. Die Mädchen sind ganz aufgeregt darüber, ich sehe nicht recht ein, warum. Seit Jahren weiß jeder Mensch, daß Ashley sie heiraten will, das heißt, wenn er nicht eine seiner Cousinen aus Macon zur Frau nehmen würde. Genau wie Honey Wilkes ihren Vetter Charles, Melanies Bruder, einmal heiraten wird. Nun sagen Sie mir, Mr. 0'Hara, ist es etwa ungesetzlich für Wilkes, außerhalb ihrer eigenen Familie zu heiraten? Wenn nämlich ...«
Den Rest der lachend gesprochenen Worte hörte Scarlett nicht. Für einen kurzen Augenblick war es, als habe sich die Sonne hinter eine kühle Wolke geduckt und überließe die Welt einem Dunkel, das alle Dinge ihrer Farbe beraubte. Das frischgrüne Laub sah kränklich aus, der Liguster wurde fahl, der blühende Apfelbaum, der eben noch in so herrlichem Rosa gestrahlt hatte, wurde bleich und trüb. Scarlett grub die Finger in die Wagenpolster, und einen Augenblick schwankte ihr Sonnenschirm. Zu wissen, daß Ashley verlobt war, bedeutete etwas ganz anderes, als die Leute so leichthin darüber sprechen zu hören. Dann aber strömte der Mut ihr machtvoll zurück, die Sonne kam wieder zum Vorschein und übergoß die Landschaft mit neuem Glanz. Sie wußte, daß Ashley sie liebte. Das war gewiß. Und sie lächelte bei dem Gedanken, wie überrascht Mrs. Tarleton sein würde, wenn heute abend von keiner Verlobung die Rede war - wenn es statt dessen zu einer Entführung kam. Dann würde sie gewiß überall erzählen, was für ein gerissener Schlingel Scarlett sei, einfach dabeizusitzen und zuzuhören, wenn über Melanie gesprochen wurde, wo doch die ganze Zeit schon sie und Ashley ... ihr kamen die Grübchen bei ihren eigenen Vorstellungen, und Hetty, die die Wirkung der mütterlichen Worte scharf beobachtet hatte, lehnte sich mit leichtem, ratlosem Stirnrunzeln zurück.
»Was Sie auch sagen mögen, Mr. 0'Hara«, unterstrich Mrs. Tarleton. »Die Heiraterei von Vetter und Cousine ist ganz verkehrt. Schlimm genug, daß Ashley die kleine Hamilton heiratet; daß aber Honey den blassen Charlie Hamilton nehmen will ...«
»Honey bekommt nie einen anderen, wenn sie nicht Charlie heiratet«, erklärte Randa grausam im Vollgefühl ihrer eigenen Beliebtheit. »Außer ihm hat sie nie einen Verehrer gehabt. Und er hat auch nie sehr verliebt getan, obwohl sie verlobt sind. Scarlett, weißt du noch, wie er vori ge Weihnachten hinter dir her war?«
»Nicht boshaft werden, Miß«, sagte die Mutter. »Vettern und Cousinen sollten einander nicht heiraten, nicht einmal Vettern und Cousinen zweiten Grades. Das schwächt den Schlag. Das ist nicht wie bei Pferden. Man kann eine Stute mit ihrem Bruder und einen Hengst mit seiner Tochter paaren und gute Ergebnisse erzielen, wenn man die Rasse kennt; aber bei Menschen geht das nun mal nicht. Edle Rasse bekommt man vielleicht, aber ohne Saft und Kraft.«
»Gnädige Frau, ich nehme Sie beim Wort! Gibt es bessere Leute als Wilkes? Und sie haben immer untereinander geheiratet, seitdem Brian Boni ein Junge war.«
»Und es wird höchste Zeit, daß sie damit aufhören, es fängt an, sich bemerkbar zu machen. 0 nein, nicht so sehr Ashley, der ist ein gut aussehender junger Teufel, obwohl auch er ... Aber sehen Sie sich diese beiden verwaschenen Wilkesschen Mädchen an, die armen Dinger! Nette Mädchen natürlich, aber farblos. Und sehen Sie sich doch die kleine Miß Melanie an. Dünn wie eine Latte, zum Umwehen zart und ohne alles Temperament. Keinen eigenen Einfall im Kopf. >Nein, gnädige Frau, ja, gnädige Frau!< Mehr weiß sie nicht zu sagen. Verstehen Sie, was ich meine? Die Familie braucht neues Blut, gutes, kräftiges Blut, wie meine Rotschöpfe oder wie Ihre Scarlett. Aber mißverstehen Sie mich nicht, Wilkes sind auf ihre Art sehr feine Leute, Sie wissen, wie gern ich sie alle habe, aber, seien Sie aufrichtig, durch Inzucht überzüchtet, stimmt es oder stimmt es nicht? Höchst brauchbar auf trockenem, auf leichtem Geläuf, aber passen Sie auf, was ich sage, ich glaube nicht, daß Wilkes auf schwerem Boden laufen können. Aller Saft und alle Kraft ist aus ihnen herausgezüchtet, glaube ich, und im Notfall sind sie dem Unerwarteten nicht gewachsen. Ein Schlag n ur für gutes Wetter! Durch das Untereinanderheiraten sind sie anders geworden als die übrigen Leute in der Gegend. Immer klimpern sie auf dem Klavier und stecken die Nase in Bücher. Ich glaube wahrhaftig, Ashley zieht das Lesen dem Jagdreiten vor! Ja, das ist meine ehrliche Überzeugung, Mr. 0'Hara! Sehen Sie sich doch nur ihre Knochen an. Viel zu fein. Die brauchten kraftvolle Väter und Mütter ...«
»Ah - hmm«, machte Gerald, dem plötzlich aufging, daß die Unterhaltung, die für ihn höchst interessant und durchaus passend war, auf Ellen ganz anders wirken würde, und er hatte ein schlechtes Gewissen dabei, daß vor den 0hren ihrer Töchter ein so freimütiges Gespräch geführt wurde. Mrs. Tarleton aber war wie gewöhnlich taub für alles andere, wenn es sich um ihr Lieblingsthema handelte: Zuchtfragen, sei es bei Pferden oder Menschen.
»Ich weiß, was ich sage. Ich hatte einen Vetter und eine Cousine, die einander geheiratet haben. Nun, ich gebe Ihnen mein Wort, die Kinder hatten alle richtige Froschaugen, die armen Dinger. Und als meine Familie von mir verlangte, ich sollte meinen Großvetter heiraten, habe ich gebockt wie ein Fohlen. Ich habe gesagt: >Nein, Ma, ich nicht! Dann bekommen ja meine Kinder alle den Spat und werden Rohrer.< Ma fiel natürlich in 0hmmacht, als ich das vom Spat sagte, aber ich blieb fest, und Großmama hielt mir die Stange. Sie verstand eben auch was von Pferdezucht und gab mir recht. Sie ist mir dann behilflich gewesen, mit Mr. Tarleton durchzugehen. Und nun sehen Sie sich meine Kinder an! Groß und gesund und nicht ein kränkliches oder zurückgebliebenes dazwischen, wenn auch Boyd knapp sechs Fuß mißt. Die Wilkes hingegen ...«
»Nicht