Vom Winde verweht. Margaret Mitchell
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Auf den Stufen vor der Eingangstür stand hochaufgerichtet John Wilkes in seinem Silberhaar und strahlte den stillen Zauber und die herzliche Gastfreundschaft aus, die warm und nie versagend wie die georgianische Sommersonne waren. Neben ihm stand Honey Wilkes - Honey genannt, weil sie von ihrem Vater an bis zum letzten Ackerknecht unterschiedslos jeder mit diesem Kosenamen anredete - und begrüßte geziert und kichernd die ankommenden Gäste.
Honeys nervöses und gar zu augenfälliges Bestreben, jedem Mann, der in Sicht kam, zu gefallen, stand in scharfem Gegensatz zu der vornehmen Haltung ihres Vaters. Scarlett kam der Gedanke, daß am Ende doch etwas Wahres an alledem sei, was Mrs. Tarleton gesagt hatte. Der gutaussehende Teil der Familie waren zweifellos die Männer. Die dichten tiefen Wimpern, zwischen denen John Wilkes' und Ashleys Augen so schön standen, waren bei Honey und ihrer Schwester India spärlich und farblos geraten. Honey hatte den eigentümlichen wimperlosen Blick eines Kaninchens, und India konnte man nur als häßlich bezeichnen.
India war nirgends zu sehen, Scarlett vermutete sie in der Küche, wo sie wahrscheinlich den Dienstboten die letzten Anweisungen gab. Arme India, dachte Scarlett. Sie hat sich seit dem Tode ihrer Mutter so mit dem Haushalt plagen müssen, daß sie es mit Ausnahme von Stuart Tarleton zu keinem Verehrer gebracht hat; und schließlich ist es nicht meine Schuld, wenn er mich hübscher findet als sie.
John Wilkes kam die Treppe herunter und bot Scarlett den Arm. Als sie aus dem Wagen stieg, bemerkte sie, wie Suellen plötzlich in ihren Bewegungen geziert wurde. Sie mußte wohl Frank Kennedy irgendwo in der Menge entdeckt haben.
Schrecklich, wenn man sich keinen besseren Verehrer einspannen kann als diese alte Jungfer in Hosen! dachte sie verächtlich, als sie den Fuß auf den Boden setzte und John Wilkes ihren Dank zulächelte. Frank Kennedy kam eilig an den Wagen, um Suellen herauszuhelfen, worauf diese sich so stolz gebärdete, daß Scarlett sie hätte ohrfeigen mögen. Mochte Frank Kennedy auch mehr Land sein eigen nennen als irgendwer in der Provinz, mochte er auch ein sehr gutes Herz haben, was bedeutete all das dagegen, daß er schon vierzig war, hager und nervös, und einen dünnen gelbbraunen Backenbart trug und ein altjüngferliches, umständliches Wesen hatte. Doch Scarlett dachte an ihr Vorhaben, schluckte die Verachtung herunter und begrüßte ihn mit so strahlendem Lächeln, daß er mit dem für Suellen ausgestreckten Arm plötzlich innehielt und in beglückter Verwunderung Scarlett anstarrte.
Während Scarlett leichthin mit John Wilkes plauderte, suchten ihre Augen in der Menge nach Ashley, aber vor dem Hause war er nirgends zu sehen. Dutzende von Stimmen begrüßten sie, Stuart und Brent Tarleton kamen auf sie zu. Die Munroemädchen stürzten herbei und begeisterten sich für ihr Kleid, und im Handumdrehen stand sie im Mittelpunkt eines lauter und lauter sprechenden Kreises, in dem jeder versuchte, den anderen zu überschreien. Wo war Ashley? Und Melanie und Charles? Sie bemühte sich, nicht aufzufallen, während sie überall herumschaute und in die Halle und das lachende Menschengewühl darin spähte.
Als sie so plaudernd und lachend mit raschen Blicken Haus und Hof absuchte, fiel ihr Auge auf einen Fremden, der allein in der Halle stand und sie mit so kühler Unverschämtheit ansah, daß sie augenblicklich stutzte, teils in weiblicher Freude darüber, daß sie einen Mann auf sich aufmerksam gemacht hatte, teils in dem verlegenen Gefühl, daß ihr Kleid vorn zu tief ausgeschnitten sei. Er sah gar nicht mehr jung aus, mindestens wie fünfunddreißig, und war sehr groß und kräftig. Scarlett meinte, sie hätte nie einen so breitschultrigen Mann mit so gewaltigen Muskeln gesehen, fast schon zu kräftig, um vornehm zu sein. Als ihr Auge dem seinen begegnete, lächelte er und zeigte dabei tierhaft weiße Zähne unter seinem kurz
geschnittenen schwarzen Schnurrbart. Er war dunkelhäutig,
sonnenverbrannt wie ein Seeräuber. Seine Augen waren kühn und schwarz wie die eines Piraten, der sich überlegt, ob er eine Galeone versenken, ob er ein Mädchen rauben soll. Kühle Verwegenheit lag in seinem Gesicht, und ein zynischer Humor spielte um den Mund, als er ihr zulächelte. Scarlett verschlug es den Atem. Eigentlich sollte ein solcher Blick sie beleidigen, und sie ärgerte sich über sich selbst, daß sie sich nicht beleidigt fühlte. Wer das sein mochte, wußte sie nicht; aber unleugbar sprach aus seinem dunklen Gesicht vornehme Abstammung. Man sah es an der dünnen Habichtnase über den vollen roten Lippen, der hohen Stirn und den weit auseinanderstehenden Augen. Widerstrebend nur wandte sie den Blick ab, ohne wiederzulächeln; und er drehte sich um, als jemand rief: »Rhett! R hett Butler, komm her! Du sollst das hartherzigste Mädchen in Georgia kennenlernen.«
Rhett Butler? Der Name kam ihr bekannt vor und erinnerte sie an irgendeine herrliche Skandalgeschichte, aber ihre Gedanken waren bei Ashley und gingen der Sache nicht weiter nach.
»Ich muß hinauf und mir das Haar richten«, sagte sie zu Stuart und Brent, die versuchten, sie von der Menge abzuschneiden. »Wartet hier auf mich und lauft gefälligst nicht mit einem anderen Mädchen davon, sonst werde ich böse.«
Sie gewahrte, daß Stuart heute Schwierigkeiten machen würde, sobald sie mit jemand anderem flirtete. Er hatte getrunken und trug die hochfahrende, kampflustige Miene zur Schau, die nichts Gutes bedeutete, wie sie aus Erfahrung wußte. In der Halle blieb sie stehen, sprach mi t Freunden und begrüßte India, die gerade mit unordentlichem Haar und winzigen Schweißtropfen auf der Stirn aus dem Hinterhause auftauchte. Arme India! Es war schon sehr schlimm, wenn Haar und Wimpern farblos waren und das Kinn als Zeichen einer eigenwilligen Natur vorstand und man obendrein noch nicht zwanzig Jahre alt war und doch schon als alte Jungfer galt. 0b India wohl sehr böse war, daß sie ihr Stuart weggenommen hatte? Es hieß, sie sei noch immer in ihn verliebt, aber man konnte nie genau wissen, was in einem Wilkes vorging. Trug sie es Scarlett nach, so ließ sie es doch niemals merken und behandelte ihre Nebenbuhlerin mit der gleichen zurückhaltenden, liebenswürdigen Höflichkeit, die sie ihr stets gezeigt hatte.
Scarlett sagte ihr einige freundliche Worte und schickte sich an, die breite Treppe hinaufzugehen. Da hörte sie sich von einer schüchternen Stimme beim Namen gerufen, drehte sich um und erblickte Charles Hamilton. Er war ein gutaussehender Junge mit einem Gewirr von weichen braunen Locken auf der weißen Stirn und tiefbraunen, reinen, sanften Augen wie ein Schäferhund. In seinen senfgelben Hosen und seinem schwarzen Rock war er sehr elegant, auf seinem gefältelten Hemd saß die breiteste, modernste schwarze Krawatte, die man sich vorstellen ko nnte. Eine leichte Röte stieg ihm ins Gesicht, als Scarlett sich ihm zuwandte. Mit Mädchen war er schüchtern, und wie die meisten