Die Pest zu London. Daniel Defoe
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Aber nun wieder zurück zum Beginn dieser erstaunlichen Zeit, als die Angst des Volkes erst im Entstehen war. Mehrere seltsame Ereignisse kamen dazu, sie zu verstärken, und wenn man sie nebeneinander hält, muß man sich wirklich wundern, daß nicht das ganze Volk, wie ein Mann, die Heimstätten verließ und sich aus einem Orte flüchtete, den der Fluch des Himmels getroffen hatte, mit allem, was in ihm lebte, vom Erdboden zu verschwinden. Ich will nur einiges davon anführen, von dem vielen, mit dem die Hexenmeister und Schlauköpfe einen solchen Schwindel trieben, daß ich nicht erstaunt gewesen wäre, wenn alle, besonders die Frauen, die Stadt verlassen hätten.
Vor allem war es ein Schweifstern oder Komet, der mehrere Monate vor der Pest am Himmel erschien, gerade wie damals vor der großen Feuersbrunst. Die alten Weiber und jener Teil des stärkeren Geschlechts, den ich auch alte Weiber nennen möchte, beobachteten damals, aber natürlich erst, als beide Heimsuchungen vorüber waren, daß die beiden Kometen unmittelbar über die Stadt hinweggezogen waren, und das so nahe über den Häusern, daß es offensichtlich für die Stadt etwas Besonderes zu bedeuten hatte. Ferner hieß es, daß der Komet, der vor der Seuche erschien, von blasser, matter, flauer Farbe gewesen wäre, sich auch sehr langsam, feierlich und schwerfällig bewegt habe, während der Komet, der die Feuersbrunst anzeigte, hell, glänzend und sprühend ausgesehen hätte und sich schnell und wütend bewegt habe. Woraus hervorgeht, daß der eine eine langsam verlaufende, aber schwere, schreckliche und verderbliche Heimsuchung anzeigte, wie es die Pest ist, der andere aber ein plötzliches, schnell hereinbrechendes Unglück, nämlich die Feuersbrunst. Einige Leute behaupteten sogar, beim raschen Vorüberziehen des Feuerkometen, dessen Bewegung sie mit den Augen folgten, ein gewaltiges, sausendes Getöse vernommen zu haben, wie aus weiter Entfernung, so daß es gerade noch hörbar war.
Ich selbst habe beide Himmelskörper gesehen und muß gestehen, daß auch ich so weit von dem allgemeinen Glauben angesteckt war, um in ihnen die Vorboten und Warnungen des göttlichen Gerichtes zu erkennen, besonders, als auf den ersten die Pest folgte. Als ich dann den zweiten erblickte, konnte ich nicht anders als glauben, daß Gott die Stadt noch nicht genügend gestraft hätte.
Die Furcht des Volkes wurde noch mehr gesteigert durch den Aberglauben jener Zeit, die, ich weiß nicht auf was hin, mehr für Vorhersagungen, astrologisches Gerede, Träume und Altweibergeschwätz empfänglich war, als irgendeine vorher oder nachher. Ob diese unselige Neigung ursprünglich durch die Narreteien jener Leute genährt wurde, die dadurch Geld verdienten, indem sie allerlei Prophezeiungen und Horoskope drucken ließen, weiß ich auch nicht, aber sicher ist es, daß alles Gedruckte auf das Volk einen tiefen Eindruck machte, solches Zeug wie Lilys Almanach, Gadburys Astrologische Prophezeiungen, Poor Robins Kalender und ähnliches mehr, ebenso wie vorgebliche Andachtsbücher. Eins von ihnen trug den Titel: Zieh aus von ihr, mein Volk, damit du nicht zum Mitschuldigen an ihren Seuchen werdest; ein anderes hieß: Guter Rat, ein drittes: Britisches Memento usw. Alle oder fast alle sagten offen oder verschleiert das Verderben der Stadt voraus. Manche Leute stellten sich so begeistert, daß sie, Prophezeiungen ausrufend, durch die Straßen liefen, unter dem Vorgeben, sie wären gesandt, der Stadt Buße zu predigen. Einer besonders schrie in den Straßen wie Jonas in Ninive: Noch 40 Tage, dann wird London zerstört werden! Ganz genau weiß ich allerdings nicht mehr, ob er 40 Tage oder ein paar Tage sagte. Ein anderer trieb sich, bis auf eine Unterhose splitternackt, herum und rief wie jener Mann, von dem Josephus erzählt, der vor der Zerstörung Jerusalems »Wehe Jerusalem« schrie, Tag und Nacht: O des großen und schrecklichen Gottes! Mehr sagte er nicht, sondern wiederholte nur immer wieder dieselben Worte mit einer Stimme und einem Gesicht, in denen sich das Entsetzen malte, während er unaufhörlich weiter rannte, ohne jemals stehen zu bleiben, sich niederzusetzen oder irgendeine Nahrung zu sich zu nehmen, wenigstens nach dem, was ich von ihm gehört habe. Ich sah den armen Teufel mehrmals auf der Straße und würde ihn angeredet haben, aber er wollte weder mit mir noch irgend jemand sonst etwas zu tun haben, sondern fuhr nur fort, sein schauerliches Geschrei von sich zu geben.
Durch derartige Vorfälle wurde das Volk aufs äußerste erregt, besonders, als wie schon berichtet, in den öffentlichen Sterberegistern zwei oder drei Pestfälle in St. Giles erschienen.
Zu all dem kamen noch die Träume der alten Weiber, oder richtiger: die Auslegungen der alten Weiber der Träume anderer Leute. Sie machten Haufen von Menschen geradezu verrückt.
Einige hörten Stimmen, die sie ermahnten fortzugehen, denn es würde eine solche Seuche in London ausbrechen, daß die Lebenden nicht mehr imstande wären, die Toten zu begraben. Andere sahen Erscheinungen in der Luft, und ich glaube, ich darf von beiden, ohne die Gefühle des Mitleids zu verletzen, sagen, daß sie Stimmen hörten, die niemals sprachen und Erscheinungen sahen, die nicht da waren. Aber die Einbildungskraft der Leute war nun einmal wie besessen, und kein Wunder, daß die, die beständig in die Wolken schauten, endlich Umrisse und Gesichter und Erscheinungen sahen, die aus nichts als Dunst und Qualm bestanden. Die einen schrien, sie sähen eine Hand, die ein Flammenschwert mit der Spitze über die Stadt hielte, aus der Wolke hervorkommen; andere erblickten in der Luft Bahren und Särge, die zum Begräbnisplatz zogen. Dann wieder Leichenhaufen, die unbeerdigt herumlagen, -- was eben die Phantasie des armen verwirrten Volkes gerade hervorbrachte.
Ganze Bücher könnte ich mit den Erzählungen solcher Leute anfüllen von dem, was sie täglich gesehen hatten. Und dabei glaubte jeder so fest an das, was er erblickt zu haben vorgab, daß man keinem widersprechen durfte, ohne ihn zum Feinde zu machen oder einerseits roh und unmanierlich, oder frivol und oberflächlich gescholten zu werden. Eines Tages, ehe sich die Pest noch über St. Giles hinaus verbreitet hatte, sah ich mitten auf der Straße einen Haufen Menschen. Aus Neugier ging ich hin und sah, daß sie alle in die Luft starrten, um das gewahr zu werden, was ein altes Weib dort erblickte, nämlich nach ihren eigenen Worten, einen weißgekleideten Engel, der ein feuriges Schwert über seinem Haupte schwang. Sie beschrieb die Gestalt bis ins einzelne mit jeder Bewegung, und die Leute waren voll Begier, sie auch zu sehen, bis endlich einer schrie: Ja, ich seh's ganz deutlich, da ist ein Schwert, wie's nur eins gibt; einer sah den Engel, ein anderer sein Gesicht und rief: Was für eine wundervolle Gestalt; und so sah der eine dies und der andere das. Ich schaute ebenso eifrig wie die anderen hinauf, wenn auch wahrscheinlich mit weniger Bereitwilligkeit, mir etwas einreden zu lassen, aber ich konnte nichts sehen als eine weiße Wolke, die auf der einen Seite glänzte, weil auf die andere die Sonne schien. Das Weib versuchte, mir's zu zeigen, konnte mich aber nicht zum Geständnis bringen, daß ich etwas sah. Denn ich hätte lügen müssen, wenn ich behauptet hätte, ich sähe etwas. Worauf das Weib mich anblickte und meinte, ich lache sie aus, was aber wiederum nur in ihrer Phantasie geschah, weil's mir wirklich nicht ums Lachen war, sondern ich bei mir überdachte, wie sich die armen Leute durch ihre eigene Einbildungskraft ins Bockshorn jagen ließen. Die Frau wandte sich nun mir zu, nannte mich einen unheiligen Burschen und Spötter, und rief, es sei eine Zeit von Gottes Zorn, sein schreckliches Gericht rücke näher und solche, wie ich, die ihn mißachteten, sollten hinausziehen und zugrunde gehen.
Die herumstehenden Leute schienen ebenso aufgebracht als das Weib selber, und da ich sah, ich könnte sie doch nicht überreden, daß ich sie nicht ausgelacht hätte, und eher Mißhandlungen befürchten mußte, ging ich meines Weges und ließ die Engelserscheinung ebenso wirklich sein wie die des Kometen.
Noch eine andere Begegnung hatte ich am hellichten Tage, in einem engen Durchgang von Petty-France in dem Bishopsgate-Kirchhof, an einer Reihe von Armenhäusern vorbei. Dabei muß ich bemerken, daß es zwei Kirchhöfe im Kirchspiele von Bishopsgate gibt, den einen zwischen dem Platz von Petty-France und der