Die Pest zu London. Daniel Defoe

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Die Pest zu London - Daniel Defoe

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      Hervorragender hochdeutscher Arzt, eben von Holland gekommen, wo er sich während des ganzen Verlaufs der großen Pest aufhielt, letztes Jahr in Amsterdam, hat Haufen von Leuten geheilt, die wahrhaftig an der Pest erkrankt waren.

      Italienerin von Stande, gerade von Neapel angelangt, besitzt ein besonderes Geheimnis, um die Ansteckung zu verhindern, das sie durch ihre tiefe Wissenschaft entdeckte, und womit sie bei der letzten Pest, an der 20 000 in einem Tage starben, wundervolle Kuren vollführte.

      Alte Dame, die mit großem Erfolg während der Londoner Seuche von 1636 ihre Kunst ausübte, gibt Rat nur an Frauen. Sprechstunde usw.

      Erfahrener Arzt, der lange das Studium der Gegenmittel gegen alle Arten von Giften und Ansteckungen betrieb, hat sich nach vierzigjähriger Praxis eine solche Geschicklichkeit erworben, daß er, mit Gottes Hilfe, jedermann vor der Ansteckung irgend welcher Seuche schützen kann. Arme werden umsonst behandelt.

      Ich führe das nur als Beispiele an, von denen ich noch ein paar Dutzend geben könnte, ohne meinen Vorrat zu erschöpfen. Doch mögen diese genügen, um einen Begriff von der Gemütsverfassung dieser Zeit zu geben. Nicht nur, daß ein Haufen von Schwindlern und Geldschneidern den armen betrogenen Leuten das Geld aus der Tasche stahl, wurden sie auch mit gräulichen und gefährlichen Mitteln vergiftet. Einige mit Quecksilber, andere mit ebenso schädlichem Zeug, das weit entfernt war, die versprochenen Wirkungen hervorzubringen und im Falle einer Ansteckung dem Körper eher schadete als nützte.

      Doch von einem Schlich eines dieser Quacksalber muß ich doch noch erzählen, mit dem er die armen Teufel an sich heranlockte und sie um ihr Geld brachte. In einem Nachtrag stand auf den Zetteln, die er auf der Straße austeilte, in dickgedruckten Buchstaben: Behandlung der Kranken umsonst.

      Natürlich drängten sich die Leute zu ihm, worauf er ihnen die schönsten Reden hielt, sie auch auf ihren Gesundheitszustand hin untersuchte und ihnen manche Ratschläge gab, die freilich nicht viel wert waren. Sie kamen immer darauf hinaus, daß er eine Medizin besitze, die allmorgendlich genommen, jeden, bei Verpfändung von des Doktors Leben, vor der Pest schützen würde, selbst wenn er mit kranken Leuten in einem Hause wohnte. Natürlich brannten nun alle darauf, dieses Mittel zu haben, aber der Preis war sehr hoch, ich glaube, 2½ Schillinge. »Aber Herr,« sagte eine arme Frau, »ich bin eine Armenhäuslerin, und werde vom Kirchspiel erhalten, und Ihr sagt, daß die Armen Eure Hilfe umsonst haben.« -- »So ist es, gute Frau,« entgegnete der Doktor, »wie's hier gedruckt steht: ich gebe meinen Rat, aber nicht meine Medizin!« -- »Dann, Herr,« sagt sie, »ist es eine Schlinge für die Armen; Ihr gebt ihnen wohl Euren Rat umsonst, nämlich den Rat, Eure Medizin für ihr Geld zu kaufen, wie es jeder Händler mit seinen Waren macht.« Darauf fing sie zu schimpfen an und blieb den ganzen Tag vor seiner Türe stehen, indem sie allem Volk, das kam, ihre Geschichte erzählte, bis der Doktor, als er sah, daß sie ihm alle Kunden vertrieb, sich genötigt sah, sie nach oben zu rufen und ihr eine Schachtel seiner Medizin für nichts zu geben, die ihr wahrscheinlich auch zu nichts taugte.

      Aber die Verwirrung, in der sich das Volk befand, war eben geeignet, es für das Gerede jedes Schwindlers empfänglich zu machen. Zweifellos zogen diese quacksalbernden Burschen einen großen Gewinn aus der Torheit der bejammernswerten Leute, denn das Gedränge vor ihren Türen und das Gelaufe zu ihnen war viel größer als vor den Wohnungen von Dr. Brooks, Dr. Upton, Dr. Hodges, Dr. Berwick oder sonst irgendeinem der damals berühmtesten Ärzte, und ich habe mir sagen lassen, daß einige dieser Marktschreier durch ihre Medizinen nicht weniger als 5 Pfund im Tage verdienten.

      Aber noch eine andere Verrücktheit gab es, die über all dies hinausging, und eine gute Vorstellung von dem vertrackten Gemütszustand des Volkes in jener Zeit gibt. Es lief noch hinter einem weit schlimmeren Pack von Betrügern her als alle die schon erwähnten waren, die es doch nur täuschten, um Geld aus ihm herauszuziehen, so daß die Schlechtigkeit ganz auf ihrer Seite war und nicht bei den Betrogenen. Bei dem aber, was ich jetzt erzählen werde, waren beide Teile gleich schuldig. Das war das Tragen von Amuleten, Beschwörungsformeln, Zaubermitteln und, was weiß ich, sonst noch für Zeug, um den Körper gegen die Seuche »fest« zu machen, so als ob die Pest nicht von Gott geschickt worden wäre, sondern gleichsam von einem bösen Geiste hervorgebracht würde, gegen den man sich durch kreuzförmige Striche, astrologische Zeichen, mit so und so vielen Knoten zusammengebundene Papiere, aus die gewisse Worte und Zeichen geschrieben waren, schützen könne. Für besonders wirksam galt das Wort Abracadabra, dreiecks- oder pyramidenförmig geschrieben, so nämlich:

      A B R A C A D A B R A

       A B R A C A D A B R

       A B R A C A D A B

       A B R A C A D A

       A B R A C A D

       A B R A C A

       A B R A C

       A B R A

       A B R

       A B

       A

      Andere trugen das Zeichen der Jesuiten in einem Kreuz:

      I H

      S

      und noch andere machten nichts als ein gleichschenkeliges Kreuz:

      +

      Ich könnte einen großen Teil meiner Zeit aufwenden, um gegen solche Narrheiten zu eifern, denn sie bedeuten wirklich eine Leichtfertigkeit in einer Zeit derartiger Gefahr und Volksverseuchung, aber meine Aufzeichnungen wollen hauptsächlich die Tatsache als solche festlegen. Wie viele dieser armen Teufel später die Wirkungslosigkeit von all diesem Zeug herausfanden, wie viele in den Leichenkarren fortgeschafft und mitsamt ihren Amuletten und ihrem teuflischen Quark um den Hals in die Massengräber geworfen wurden, das wird im folgenden noch besprochen werden.

      Alles dies war die Folge von der Kopflosigkeit, die das Volk ergriffen hatte, nachdem das erste Gerücht von der Pest sich ausbreitete, also ungefähr um Michaeli 1664, dann besonders, als die beiden Männer in St. Giles Anfang Dezember starben, und später noch einmal im Februar. Denn als nun die Seuche offenbar weiter um sich griff, begannen die Leute bald den Unsinn einzusehen, sich solchen unnützen Kerlen anzuvertrauen, die ihnen nur das Geld aus der Tasche zogen. Dann schlug ihre Angst in Stumpfheit und eine Art von Fühllosigkeit um, da sie nicht wußten, was sie tun oder lassen sollten, um sich Erleichterung zu verschaffen. Sie rannten von einem Nachbarn zum andern, oder auch in den Straßen herum, von einer Tür zur andern und riefen fortwährend: Herr, hab' Mitleid mit uns, was sollen wir tun?

      Ich glaube jetzt selbst, daß gleich nach dem ersten Auftreten der Seuche die Behörden die Lage des Volkes in ernsthafte Erwägung zogen. Ich werde gleich berichten, was geschah, um die Ordnung in Hinsicht auf die Bevölkerung und die verseuchten Familien aufrechtzuerhalten. Aber was den geistigen Gesundheitszustand anbetrifft, muß erwähnt werden, daß ich selbst das verrückte Wesen der Leute beobachtet habe, die wie Wahnsinnige hinter den Quacksalbern, Schwindlern, Wahrsagern und Hexenmeistern her waren. Der Lordmayor, ein sehr gewissenhafter und frommer Mann, bestimmte Ärzte und Bader zur Hilfe für die Armen, wenn sie krank wurden und befahl insbesondere dem Ärztekollegium, Leitsätze für billige Heilmittel bei allen Symptomen der Seuche herauszugeben. Das war auch wirklich eine der besten und richtigsten Maßregeln, die zu jener Zeit getroffen werden konnte; denn dadurch vertrieb man das Volk von den Türen der Quacksalber und bewahrte es davor, jedes Gift wahllos als Medizin hinunterzuschlucken und sich den Tod statt der Genesung zu holen.

      Die Anweisung der Ärzte wurde in einer Sitzung des ganzen Kollegiums ausgearbeitet, und da sie hauptsächlich zum Gebrauch der Armen und zur Anwendung billiger Heilmittel berechnet war, wurde sie veröffentlicht

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