Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander

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Vier Jahre für Lincoln - Stillwell Leander Zeitzeugen des Sezessionskrieges

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mochte. Es folgte die leidenschaftliche Ansprache des alten Herrn, die uns auf die Schlacht einstimmen sollte.

      "Gentlemen," sagte er mit einer Stimme, die jedermann im Regiment hören konnte, "denken Sie an Ihren Heimatstaat und tun Sie am heutigen Tage Ihre Pflicht wie tapfere Männer!"

      Das war alles. Ein Kriegsjahr später hätte uns der alte Herr zweifelsohne als "Soldaten" angesprochen und nicht als "Gentlemen" und zudem hätte er wohl die Nennung des "Heimatstaates" unterlassen, da diese unangenehm an die Beweggründe der Rebellen erinnerte. Er war jedoch ein überzeugter Demokrat im Sinne von Stephen Douglas und seine Gedanken kreisten wohl noch um die Schlacht von Buena Vista im Mexikokriege, wo sich angeblich ein Regiment aus einem westlichen Staate schändlich betragen und das Ansehen jenes Staates so schmählich besudelt hatte, dass es nur im Wüten des jetzigen Bürgerkrieges wiederhergestellt werden konnte. [Anm. d. Übers.: Stephen Arnold Douglas war ein erfolgloser Kandidat der gespaltenen Demokratischen Partei bei den Präsidentschaftswahlen des Jahres 1860. Er setzte sich für die Rechte der Einzelstaaten ein und verurteilte sowohl die Abolitionistenbewegung in den Nordstaaten als auch die Sezessionsbestrebungen in den Südstaaten. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs hielt er zur Union, starb jedoch bereits im Juni 1861.] Nach der kurzen Anstachelung durch unseren Colonel marschierte das Regiment unverzüglich über das bereits erwähnte kleine Feld und nahm seinen Platz in der Kampflinie ein. Vor uns befand sich der Wald und hinter uns das freie Feld. Wir richteten uns an unserer Fahne aus und warteten, Gewehr bei Fuß, auf den Angriff. Der Lärm zu unserer Rechten war inzwischen ohrenbetäubend. Die Rebellenarmee verbreiterte ihre Front und die Schlacht rollte unaufhaltsam auf unsere Position zu. Zwischen den Bäumen an unserer rechten Flanke konnten wir bereits bläuliche Rauchringe aufsteigen sehen und der beißende Geruch verbrannten Schwarzpulvers hing in der Luft. Während das Prasseln von rechts her die Linie entlang auf uns zu brauste, erinnerte es mich an ein heftiges Sommergewitter, dessen Regen über dem ausgedörrten Boden eines Stoppelackers niederging, nur war es etwa eine Million Mal lauter.

      Hier standen wir also stillschweigend am Rande des Waldes und warteten darauf, dass der Sturm über uns hereinbrechen möge. Ich weiß noch exakt, an was ich in jenem Moment dachte. Vor meinem inneren Auge sah ich das kleine Blockhaus, weit entfernt, im Hinterlande des westlichen Illinois. Ich konnte meinen Vater sehen, wie er auf der Veranda saß und in der dünnen Lokalzeitung las, welche am Abend zuvor mit der Post gekommen war. Meine Mutter war auch da und machte meine kleinen Brüder ausgehfein für die Sonntagsschule. Unser alter Hund döste in der Sonne. Die Hühner stolzieren gackernd in der Scheune umher. All diese Dinge und noch hundert weitere teure Erinnerungen durchfluteten meinen Geist und ich schäme mich nicht, einzugestehen, dass ich alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen militärischen Ehren bereitwilligst hergegeben hätte, wäre ich dafür durch irgendeine Zauberei plötzlich auf den Hof jenes kleinen Heims in tausend Kilometern Entfernung von allen Schrecken menschlicher Kriegsführung versetzt worden.

      Die Zeitspanne, während der wir dort herumstanden und auf die Attacke warteten, kann nicht mehr als fünf Minuten betragen haben. Plötzlich flackerte schräg zu unserer Rechten eine lange, gewellte Reihe von kleinen Blitzen auf, dann eine weitere und noch eine! Es war dies das Sonnenlicht, das von Musketenläufen und Bajonetten reflektiert wurde. Und dann … da waren sie schließlich! Eine langgezogene, braune Linie, die Musketen an der rechten Schulter, in makelloser Formation – so kamen sie direkt durch den Wald auf uns zu.

      Wir eröffneten sofort das Feuer. Eine Welle roter Flammen rollte vom einen Ende des Regiments zum anderen und der Lärm, den wir am Rande unseres Feldes veranstalteten, klärte General Prentiss zweifellos darüber auf, dass die Rebellen die äußerste Linke seiner Linie erreicht hatten. Wir hatten erst zwei oder drei Salven abgefeuert, als wir aus irgendeinem Grunde (ich habe niemals erfahren, weshalb) den Befehl erhielten, uns über das Feld zurückzuziehen, was wir auch prompt taten. Unsere gesamte Linie, soweit ich nach rechts sehen konnte, wich zurück. Am Waldrand auf der gegenüberliegenden Seite des Feldes, in der Nähe unserer Zelte, nahmen wir wieder Aufstellung und eröffneten erneut das Feuer. Die Rebellen waren uns natürlich gefolgt und nahmen nun jene Stellung ein, die wir gerade verlassen hatten. Hier fochten wir unseren ersten harten Kampf des Tages aus. Nach dem Ende der Schlacht sagten unsere Offiziere, wir hätten diese Position eine Stunde und zehn Minuten lang gehalten. Ich selbst vermag darüber nichts zu sagen. Ich konnte die Zeit nicht schätzen, da ich anderweitig beschäftigt war.

      Von unserer zweiten Stellung zogen wir uns zurück, da (wie unsere Offiziere später sagten) die Truppen zu unserer Rechten nicht mehr standhalten konnten und unsere Flanke bedroht war. Wahrscheinlich bedienten sich diese Burschen zu unserer Rechten der gleichen Entschuldigung und womöglich stimmte sie sogar. Wie dem auch sei, wir zogen uns keine Minute zu früh zurück. Als ich mich hinter dem gestürzten Baumstamm aufrichtete, von dem aus ein Grüppchen von uns gefeuert hatte, sah ich bereits Männer in grauer und brauner Kleidung mit ihren Musketen durch das Lager zu unserer Rechten rennen. Ich sah noch etwas anderes, das mir ein Schauern über den Rücken jagte: eine Flagge, wie ich sie noch niemals zuvor gesehen hatte. Sie war ein farbenfrohes Ding mit roten Streifen und sofort durchblitzte mich die Erkenntnis, dass dies eine Rebellenflagge sein müsse. Sie flatterte nicht weiter als 50 Meter von mir entfernt. Der Rauch um sie herum hing niedrig und dicht und so konnte ich den Mann, der sie trug, nicht sehen, aber die Fahne selbst war deutlich zu erkennen. Sie bewegte sich in abrupten Sprüngen vorwärts, woran ich erkannte, dass ihr Träger im Laufschritt vorstürmte. Ziemlich genau zu diesem Zeitpunkt setzten wir uns nach hinten ab. Wir hielten dabei keinerlei Formation ein und waren nur bestrebt, schnellstmöglich das Weite zu suchen. Ich rannte unsere Kompaniestraße entlang und als ich das große Sibley-Zelt meiner Messe erreichte, kam mir der Gedanke, meinen Tornister mit all meinen Habseligkeiten, darunter mein unersetzlicher, kleiner Packen von Briefen meiner Eltern, zu bergen. Ich sagte mir: "Ich rette meinen Tornister, komme, was da wolle!" aber nach einem raschen Blick über meine linke Schulter besann ich mich eines Besseren und eilte weiter. Weder meinen Tornister noch seinen Inhalt habe ich jemals wieder gesehen.

      Unsere arg zerzausten Truppen formierten sich schließlich einen knappen Kilometer hinter unserem Lager auf dem Kamm eines sanften Hügels, der mit dichtem Gehölz bewachsen war. Ich erkannte mein Regiment an dem kleinen, grauen Pony, das unser alter Colonel ritt und rannte an meinen Platz in der Linie. Während wir dort standen und einmal mehr dem Feinde entgegensahen, bemerkte ich eine scheinbar endlose Kolonne von Soldaten in blauen Uniformen, die an unserer Flanke vorbeimarschierten und nach rechts in den Wald verschwanden. Ich hörte, wie unser alter, deutscher Adjutant namens Cramer in seinem unverkennbaren Zungenschlag zum Colonel sagte: "Das sin' die Truppe vom Gen'ral Hurlbut. Er bild' 'ne neue Linie dort im G'hölz." Als ich dies hörte, jubelte ich innerlich: "Ein Hoch auf General Hurlbut und seine Jungs im Gehölz! Vielleicht reißen wir die ganze Sache ja doch noch herum!" Dieses Gefühl der Hoffnung werde ich niemals vergessen. Unser erster Rückzug am Morgen über das Feld an den Rand unseres Lagers hatte mich verwirrt, aber dann dachte ich, dass all dies wohl nur irgendeine "höhere Strategie" gewesen sein mochte und planmäßig so geschehen sei. Als wir dann allerdings unser Lager aufgeben und einen knappen Kilometer weit davonrennen mussten, war ich überzeugt, wir seien auf ewig entehrt und in meinem Kopf kreiste die eine Frage: "Was werden die Leute zuhause nur hierzu sagen?"

      Ich litt elendigen Durst und da wir gerade untätig waren, schlüpfte ich aus der Formation und rannte auf der Suche nach Wasser zu einer kleinen Senke hinter unserer Linie. Ich fand eine Pfütze, warf mich vor ihr auf die Erde und trank mit gierigen Schlucken. Als ich mich wieder erhob, sah ich in etwa fünf Metern Entfernung einen Offizier, der ebenfalls seinen Durst stillte, wobei er sein Pferd am Zügel festhielt. Er stand auf und ich erkannte in ihm unseren alten Adjutanten. Normalerweise hätte ich es niemals gewagt, ihn ohne einen dienstlichen Anlass zu belästigen, aber die gegenwärtige Lage der Dinge hatte mich mit der nötigen Tapferkeit erfüllt. "Herr Adjutant" sagte ich, "Was bedeutet das alles? Warum rennen wir davon? Sind wir etwa geschlagen?" Er blies einige Wassertropfen aus seinem Schnauzbart und antwortete rasch in unbekümmertem Tonfalle: "Oh nein, das hat scho' alles seine Ordnung. Wir sin' nur zurück, um hier die Reserve zu bilden. Gen'ral Buell is' mit 50.000 Mann auf dem Weg über'n Fluss und wird bald hier

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