Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander

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Vier Jahre für Lincoln - Stillwell Leander Zeitzeugen des Sezessionskrieges

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und meiner Feldflasche und streckte mich auf den Zweigen aus. Da lag ich nun, zu Tode erschöpft und durch die Ereignisse des Tages einigermaßen entmutigt. Der Großteil von Buells Army of the Ohio kam kurz nach Einbruch der Dunkelheit etwas oberhalb der Anlegestelle das Steilufer heraufmarschiert und formierte sich unweit davon in Linie. Ich meine, mich vage daran zu erinnern, dass dies den größeren Teil der Nacht in Anspruch nahm. Ihre Regimentskapellen spielten unablässig und ich hatte den Eindruck als spielten alle von ihnen das Lied "The Girl I Left Behind Me". Der Regen prasselte herab und alle 15 Minuten donnerte eines der großen Kanonenbootgeschütze und schleuderte eine behäbige Granate in Richtung des Hohlweges, wo sich der Feind befand. Noch heute überflutet mich, sobald ich die Klänge von "The Girl I Left Behind Me" höre, die Erinnerung an jene trübe Sonntagnacht nahe Pittsburg Landing. Ich kann erneut das unablässige Prasseln des Regens hören und ebenso die dumpfen, schweren Schritte von Buells marschierenden Kolonnen, die donnernden Geschütze der Kanonenboote, das dämonische Kreischen der fliegenden Granaten und ganz sanft unter all diesem Lärm die süße Melodie dieses alten Liedes. Wir hatten unsere eigene Armee-Version, die ich bisher noch nirgends abgedruckt gesehen habe. Ihr Text unterschied sich gänzlich von der ursprünglichen Ballade und die letzte Strophe unserer Version lautete folgendermaßen:

      "Und ist der Krieg dann endlich aus

      Und ich leb', mit heilen Gliedern,

      Dann folg' Polaris ich nach Haus

      Und seh' mein Mädel wieder."

      Wie bereits erwähnt, war unser Regiment am Montag nicht mehr an den Kampfhandlungen beteiligt. Wir verbrachten den gesamten Tag in unserem Lagerplatz vom Sonntagabend. Wir rammten die Enden der Fahnenstangen unserer Regimentsflaggen in den Boden und so wehten die Banner träge im Wind, während die Männer herumsaßen oder -lagen, mit griffbereiten Musketen und umgeschnallten Patronentaschen, um sofort gefechtsbereit zu sein, falls der Trommelwirbel ertönen sollte. Aus irgendeinem Grunde, den ich niemals in Erfahrung bringen konnte, wurden wir jedoch nicht mehr eingesetzt. Unser Divisionskommandeur General B. M. Prentiss und unser Brigadekommandeur Colonel Madison Miller gerieten beide am Sonntag zusammen mit dem Großteil von Prentiss' Division in Gefangenschaft, also betrachtete man uns wohl als eine Art "Waisenkinder". Wir waren jedoch nicht die einzigen. Auch andere Regimenter aus Grants Armee wurden in Reserve gehalten und gaben am Montag keinen einzigen Schuss mehr ab.

      Nach der Schlacht lief ich die folgenden beiden Tage auf dem Schlachtfeld umher und sah mir an möglichst vielen Orten die Folgen der Kampfhandlungen an. Die fürchterlichen Szenen, derer man auf einem blutdurchtränkten Schlachtfeld ansichtig wird, können unmöglich in all ihren fürchterlichen Einzelheiten beschrieben werden. Man muss sie mit eigenen Augen sehen, um ihren ganzen Schrecken zu erfassen. Byron spricht die Wahrheit, wenn er in "Don Juan" sagt:

      "O Tod! Du hast ja täglich deinen Schmaus,

      Pest, Hunger, Ärzte, die den Nationen

      Wie eine Totenuhr all deinen Graus

      Ins Ohr zu picken pflegen; doch dergleichen

      Muss einem treuen Schlachtgemälde weichen."

      Auf dem Schlachtfeld befand sich ein kleines, freies Feld, das die "Pfirsichplantage" genannt wurde. Es war, soweit ich mich erinnere, von unregelmäßiger Form und etwa sechs bis acht Hektar groß, allerdings kann ich dies nicht mit Sicherheit sagen. Seinen Namen verdankte es wohl den wenigen, kümmerlichen Pfirsichbäumchen, die auf ihm wuchsen. Am Sonntag hielten die Unionstruppen eine starke Stellung im Wald unmittelbar nördlich dieser "Plantage" und die Konföderierten stürmten viermal über das offene Feld hinweg gegen unsere Linie an, wobei sie jedes Mal unter grausigen Verlusten zurückgeschlagen wurden. Am Tag nach dem Ende der Schlacht lief ich dieses Feld in seiner Gesamtheit ab, als die Toten noch nicht begraben waren. Es ist die reine Wahrheit, wenn ich sage, dass der Boden förmlich mit gefallenen Konföderierten bedeckt war und dass man das gesamte Feld auf ihren Körpern hätte überqueren können, ohne dabei die Erde zu berühren. General Grant war in seinen Memoiren der gleichen Überzeugung. Es war ein furchtbarer Anblick, doch etwas westlich, unweit der "Pfirsichplantage", gab es eine noch grausigere Szenerie zu sehen. Dort hatten einige unserer Truppen eine Linie entlang eines alten, grasüberwachsenen Feldweges gehalten, der sich durch einen dichten Wald schlängelte. Die Räder all der Wagen, die hier seit etlichen Jahren in der gleichen Spur gefahren waren, hatten einen Hohlweg in die Erde gegraben, der um einiges tiefer lag als das umliegende Gelände. Einem knienden Schützen bot sich somit eine natürliche Brustwehr, die zwar verhältnismäßig flach war, aber trotzdem beträchtlichen Schutz bot. Vor dieser Stellung befanden sich neben den großen Bäumen auch dichtes Gehölz, Pfahleichen und dergleichen, die allesamt noch ihre Blätter trugen. Zudem war der Boden mit trockenem Laub bedeckt. An dieser Stelle fanden erbitterte Kämpfe statt, in deren Verlauf explodierende Granaten das Gehölz in Brand setzten. Die Kleidung der auf der Erde liegenden toten Konföderierten fing Feuer und ihre Leichname verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Ich habe irgendwo gelesen, dass auch einige Verwundete verbrannt sein sollen, aber das bezweifele ich. Ich ging das Gelände ab und besah mir diese armen Burschen, wobei ich gründlich nach ihrer jeweiligen Todesursache Ausschau hielt. Sie hatten Schussverletzungen erlitten, welche sie offensichtlich sofort oder nach nur wenigen Sekunden getötet haben mussten. Wie dem auch sei, der Anblick erschütterte mich bis ins Mark. Ich werde hier keine Einzelheiten nennen, diese werden deiner Vorstellungskraft überlassen bleiben müssen.

      An einer anderen Stelle auf dem Schlachtfeld sah ich die Leichen zweier konföderierter Soldaten, die ich ebenfalls niemals vergessen werde. Sie veranschaulichten die äußerst unterschiedlichen Umstände, unter welchen man in der Schlacht sterben konnte. Der eine war ein erwachsener Mann von wohl etwa 30 Jahren mit rötlichgelbem Haar und einem struppigen Bart und Schnurrbart in der gleichen Farbe. Er hatte von einer Position hinter einem Baumstamm aus geschossen und als er einmal seinen Kopf dahinter hervorstreckte, traf ihn eine Musketenkugel mittig in die Stirn. Er musste sofort tot gewesen sein und sackte in eine kauernde Haltung hinter seinem Baum zusammen. Als ihn der Tod ereilte, biss er gerade eine Patrone auf. Der Papierfetzten stak noch zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen, während seine rechte Hand die übrige Papierhülse umklammert hielt. Seine Zähne waren lang, schief und von Kautabak verfärbt. Wie bereits erwähnt, musste er sofort tot gewesen sein. Seine Augen waren weit aufgerissen und sein Blick trug noch immer den Ausdruck dämonischen Hasses. Da sein Übergang vom Leben in den Tod so unvermittelt geschehen war, hatten sich seinem kalten Antlitz untilgbar die rasende Wut und der Blutdurst des Kampfes eingeprägt. Der Bursche sah furchteinflößend aus und ich musste meine Augen abwenden. Der zweite Tote bot einen vollkommen anderen Anblick. Er lag bei einer sanften Anhöhe, über welche die Konföderierten gegen eine Geschützbatterie angestürmt und dabei förmlich niedergemetzelt worden waren. Er war noch ein Junge, nicht älter als 18 Jahre, mit ebenmäßigen Gesichtszügen, hellbraunem Haar und blauen Augen – insgesamt ausgesprochen gutaussehend. Eine Kanonenkugel hatte ihn am rechten Bein, etwa mittig zwischen Knie und Hüfte, getroffen. Das Bein war nahezu gänzlich abgerissen und hing nur noch an einem Hautfetzen. Der Junge lag ausgestreckt auf seinem Rücken und sein rechter Arm ragte stocksteif und mit geballter Faust empor. Seine Augen standen weit offen, aber ihr Ausdruck war natürlich und friedlich. Der Schock und der rasche Blutverlust mussten ihm die Gnade eines schnellen Todes gewährt haben. Während ich mir den unglücklichen Jungen ansah, überkam mich der Gedanke daran, wie irgendwo ob der traurigen Nachricht seines verfrühten Todes einer armen Mutter schier das Herz brechen würde. Bis zum Ende des Krieges ereigneten sich tausende solcher Schicksale in den Armeen von Nord und Süd.

      Ich denke, ich sollte hier über eine von mir gehegte Überzeugung sprechen, über deren Wert du selbst befinden magst. Wie du weißt, bin ich kein religiöser Mensch im theologischen Sinne des Wortes und habe zeitlebens keiner Glaubensgemeinschaft angehört. Ich war stets bemüht, die Goldene Regel zu befolgen und habe es hierbei bewenden lassen. Seit meiner frühesten Jugend verspüre ich jedoch eine besondere Achtung vor dem Sonntag. Als kleiner Junge ging ich oft mit dem Gewehr auf die Jagd,

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