Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander

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Vier Jahre für Lincoln - Stillwell Leander Zeitzeugen des Sezessionskrieges

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verstarb unterwegs an Bord des Schiffes und wurde hastig in einer Sandbank an der Mündung des White River begraben. Die sich wandelnden Strömungen des mächtigen Mississippi haben diese Sandbank nun schon vor langer Zeit verschluckt und mit ihr die sterblichen Überreste des armen Jobson.

      Ich erreichte mein Zuhause irgendwann am Nachmittag, befreite Bill von seinem Zaumzeug, brachte ihn in den Stall und fütterte ihn. Draußen rührte sich niemand und so betrat ich unangekündigt das Haus. Meine Mutter saß nähend in einem alten Schaukelstuhl. Sie schaute auf, sah mich in meiner Soldatenuniform und wusste sofort, was dies bedeutete. Die Näharbeit fiel ihr in den Schoß, sie schlug ihre Hände vors Gesicht und die Tränen rannen durch ihre Finger, während ihre Emotionen sie erzittern ließen. Sie schluchzte nicht und gab auch sonst keinen Laut der Trauer von sich, aber durch ihr Schweigen wirkte ihre Verzweiflung umso eindringlicher. Ich fühlte mich elend und wusste nicht, was ich sagen sollte, also sagte ich nichts, ging in die Küche und von dort aus zurück in die Scheune. Hier traf ich auf Vater, der gerade von irgendeiner Arbeit im Freien zurückgekehrt war. Er schaute mich ernst an, verriet jedoch keinerlei Gefühlsregung und bemerkte lediglich: "Nun, ich schätze, du hast die richtige Entscheidung getroffen."

      Am nächsten Morgen schienen alle etwas fröhlicher zu sein und am Frühstückstisch erzählte ich viel über Camp Carrollton.

      Als mein Urlaub auslief, meldete ich mich unverzüglich wieder im Lager und trat meinen Dienst als Soldat an. All die Drillübungen, die ständig stattfanden und den Großteil meiner Zeit in Anspruch nahmen, erforderten meine volle Aufmerksamkeit. Als ich mich einschrieb, wusste ich nicht das Geringste über Drill und außer am Montagnachmittag hatte ich noch niemals bei den Übungen zugesehen. Das damals angewandte System war "Hardees Infanterietaktik". Es war einfach aufgebaut und leicht zu erlernen. Wichtig bei seiner Umsetzung waren Schnelligkeit, Sorgfalt und Konzentration. Den ganzen Tag lang konnte man im Lager die Stimme irgendeines Offiziers hören, der seiner Gruppe oder Kompanie "Links! Links! Links, rechts, links!" zurief, um den Männern den Marschrhythmus einzuimpfen. Wir wurden in Camp Carrollton in der "Schule des Soldaten", der "Schule der Kompanie" und dem Einsatz in loser Gefechtsordnung unterwiesen. Bei Sonnenuntergang wurde stets eine Parade abgehalten. Wir hatten keine Musketen und erhielten erst welche, als wir in die Benton-Kaserne in St. Louis einrückten. Ich glaube nicht, dass wir in Camp Carrollton auch Bataillonsdrill abhielten. Die zahlreichen großen Bäume auf dem Jahrmarktgelände hätten es wohl auch nicht erlaubt. Unsere Verpflegung bestand aus Weizenbrot, Kaffee, je nach Mahlzeit frischem oder gesalzenem Fleisch, Bohnen, Reis, Zwiebeln, Kartoffeln, Süßkartoffeln und gelegentlich Kompott aus getrockneten Äpfeln zum Abendessen. Das Salzfleisch war in der Regel gepökeltes Schweinefleisch und fettes Bauchfleisch. Letzteren "Gaumenschmeichler" nannten die Jungs "Schweinebauch". Hiervon bekamen wir bis zum Ende des Krieges mehr als genug. Soweit es das Futter betrifft, möchte ich behaupten, dass sich die Unionssoldaten (zumindest in den westlichen Armeen) beinahe ausschließlich von Kaffee, Schweinebauch, Bohnen und Hartkeksen ernährten. Selbstverständlich brauchten wir einige Zeit, um zu lernen, wie man diese Dinge zubereiten muss (besonders die Bohnen), aber nachdem wir diese Kunst gemeistert hatten, konnten wir stets auf unser nahrhaftes Essen zählen. Man muss allerdings den Tod so manches armen Jungen (besonders während unserer ersten zwei bis drei Monate im Felde) darauf zurückführen, dass er sein Essen nicht richtig kochte.

      Die fröhlichste Zeit des Tages in Carrollton waren jene Stunden nach der Parade und vor dem Trompetensignal, das den Zapfenstreich verkündete. In dieser Zeit fand ein lebhaftes "Kojotengeheul" statt: Die Jungs rannten umher und besuchten die Quartiere der anderen Kompanien, um dort gemeinsam aus vollem Halse zu singen. Alle möglichen patriotischen Lieder waren damals sehr beliebt und was uns an Musikalität fehlte, machten wir durch Lautstärke wett. Am 19. Januar 1862 hatte die Union in der Schlacht von Mill Springs, Kentucky den Sieg davongetragen und dabei den konföderierten General Felix K. Zollicoffer getötet. Dieser war ein Kongressabgeordneter aus Tennessee gewesen und galt im Süden als ein bedeutender Mann. Es dauerte nicht lange, bis ein Lied zur Feier dieses Sieges auftauchte. Es trug den Titel "Das frohe Land Kanaan" und ich kann mich nur noch an eine Strophe erinnern, die wie folgt lautete:

      "Old Zolly ist hin

      Und der Süden weint um ihn

      Denn als General war er ein wichtiger Mann

      Er leistete Widerstand

      Bei dem Flusse Cumberland

      Und ging ein in das frohe Land Kanaan."

      [Anm. d. Übers.: Stillwell vermischt hier die ersten drei Zeilen der zweiten Strophe mit den letzten drei Zeilen der ersten Strophe.] Natürlich folgte jeder Strophe ein lebhafter Refrain, der nicht Bestandteil des ursprünglichen Liedes war und zudem, wie es manchmal in den Zeitungen heißt, "nicht zur Veröffentlichung geeignet" war, also werde ich ihn an dieser Stelle verschweigen. Ich kann noch heute meine Augen schließen, mich in meinem Stuhl zurücklehnen und meine Gedanken in jene ferne Zeit zurückstreifen lassen. Dann ist mir, als könne ich Nelse Hegans aus Kompanie C vor mir sehen und hören, wie er nachts in unserem Quartier in Camp Carrollton dieses Lied singt. Er war ein über 1,80 Meter großer, kräftiger Bursche von etwa 21 Jahren mit einer tiefen Bassstimme, deren Gesang wie entfernter Donner dröhnte. Er war rundum ein prächtiger Kerl. Der arme Nelse! Er wurde am Morgen des ersten Tages bei Shiloh von einer Musketenkugel tödlich am Hals verwundet und starb wenige Tage später.

      Die Jungs erfreuten sich während ihrer Zeit in Camp Carrollton bester Gesundheit. Es gab vereinzelte Fälle von Masern, aber soweit ich mich entsinne, endeten diese nicht tödlich. Einmal fing ich mir eine arge Erkältung ein, aber ich kurierte mich selbst mit einem Hausmittelchen und dachte nicht daran, deswegen den Arzt aufzusuchen. Ich schälte etwas Rinde von einem Hickorybaum, der in der Nähe unsers Quartiers stand und brühte mir einen Liter starken Hickoryrindentee auf. Diesen trank ich heiß und in einem Zug unmittelbar vor dem Zubettegehen. Der Tee war von grüner Färbung und ausgesprochen bitter, aber er kurierte meine Erkältung.

      Wenige Wochen nach meiner Einschreibung wurde ich zum Corporal befördert. Eine Infanteriekompanie verfügt (oder verfügte zumindest zu meiner Zeit) über acht Corporals und diese werden durchnummeriert. Ich war der Fünfte. Diese Beförderung verdankte ich der Freundschaft und dem Einfluss von Enoch Wallace und es war dies lediglich eine der zahlreichen Nettigkeiten, die er mir während meiner Dienstzeit erwies. Ich kann kaum beschreiben, wie stolz ich auf meinen bescheidenen militärischen Rang war. Ich spreche die reine Wahrheit, wenn ich gestehe, dass mir der Rang eines "Corporals in Kompanie D" mehr Stolz und Freude bescherte als jedes andere Amt, das ich in meinem Leben innehatte, sei es nun militärisch oder zivil. Die Jungs brachten ein Gerücht über mich in Umlauf, das besagte, man habe mich kurz nach meiner Beförderung hinter den Quartieren der Kompanie überrascht, wie ich meinen Kopf so tief wie möglich in ein leeres Fass steckte und mit tiefer, kehliger Stimme ausrief: "CORPORAL STILLWELL! CORPORAL STILLWELL!" Die Jungs erklärten, ich hätte dies getan, da ich den Klang dieser Worte so sehr liebte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass meine Beförderung zwar noch während unserer Zeit in Carrollton ausgesprochen wurde, die offizielle Ernennung jedoch auf einen Zeitpunkt nach unserem Einrücken in die Benton-Kaserne datierte.

      Die einzige Unannehmlichkeit, an die ich mich bezüglich Camp Carrollton erinnern kann, war der völlige Mangel an Privatsphäre. Selbst außerhalb seiner Dienstzeiten war es einem nicht möglich, sich zurückzuziehen und irgendwo etwas Ruhe und Frieden zu finden. Schon der Gedanke daran, ein stilles Fleckchen zu finden, um alleine ein Buch oder eine Zeitung zu lesen, schien absurd. Um mich eines dieser modernen Ausdrücke zu befleißigen: "Irgendwas ging immer ab." Nach dem Abendessen an frostigen Abenden, wenn die Jungs alle in den Baracken saßen und sangen oder herumalberten, schlich ich mich oft hinaus, schlenderte unter den großen Bäumen umher und lauschte dem Knirschen des Schnees unter meinen Füßen, nur um einmal eine Zeit lang alleine zu sein. In dieser Hinsicht besserten sich die Zustände jedoch, als es nach Süden ging und wir nicht mehr auf 15 Hektar zusammengepfercht waren.

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