Vier Jahre für Lincoln. Stillwell Leander

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Vier Jahre für Lincoln - Stillwell Leander Zeitzeugen des Sezessionskrieges

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Sichtweite war. Dieses Ereignis bewahrten wir alle stets in liebevoller Erinnerung, denn es waren dies die letzten Bekundungen von Unterstützung und Patriotismus durch das weibliche Geschlecht, die dem Regiment zuteilwurden, bis wir schließlich einige Monate nach Kriegsende auf unserem Wege heimwärts den Boden des Staates Indiana betraten.

      Gegen Sonnenuntergang erreichten wir Alton, wo wir uns unverzüglich an Bord des Seitenraddampfers "City of Alton" begaben, der am Kai auf uns wartete. Sogleich wurden Wachen aufgestellt, um die Männer am Verlassen des Schiffes zu hindern. Doch "'s ward irgendwo geblundert" und man hatte uns keine Verpflegung für unser Abendessen zugeteilt. [Anm. d. Übers.: Stillwell spielt hier auf eine Zeile aus Alfred Tennysons Gedicht "The Charge of the Light Brigade" an. Um den Zitatcharakter zu wahren, wurde an dieser Stelle die bekannteste (wenn auch aus Gründen des Reims sehr unbeholfene) Übersetzung von Theodor Fontane gewählt.] Wir waren ausgehungert, denn unser Mittagessen (zumindest das von Kompanie D) hatte nur aus den Überbleibseln unseres Frühstücks bestanden. Die Offiziere nahmen sich der Sache an, suchten das Städtchen auf und kauften mit ihrem eigenen Geld Nahrungsmittel für uns. Meine Kompanie erhielt ein Fass Austernkekse, die damals "Butterkekse" genannt wurden, und dazu tranken wir Flusswasser.

      Die Neuartigkeit und Aufregung der vorigen beiden Tage hatten mich emotional wie körperlich erschöpft und, um die Wahrheit zu sagen, ich fühlte bereits einen ersten Anflug von Heimweh. Nach dem Abendessen begab ich mich auf das Oberdeck, breitete dort meine Decke aus, legte mich nieder, wobei mir mein Tornister als Kopfkissen diente und war bald eingeschlafen. Der Dampfer verließ Alton erst nach Einbruch der Dunkelheit und als er ablegte, rissen mich das Schrillen der Dampfpfeife, das Rauschen der Schaufelräder und das Stampfen und Hämmern der Dampfmaschinen aus dem Schlaf. Ich setzte mich auf, schaute mich um und beobachtete die Lichter von Alton, wie sie in der Schwärze der Nacht schimmerten und funkelten, bis ich sie in einer Flussbiegung aus den Augen verlor. Ich legte mich wieder nieder, schlief ein und erwachte erst am nächsten Morgen nach Tagesanbruch, als unser Schiff bereits am Anlegeplatz von St. Louis ankerte. Bald darauf gingen wir von Bord und marschierten zur Benton-Kaserne, welche außerhalb der Stadt und der Vororte lag. Soweit ich mich erinnere, entsprach die Form des Kasernengeländes einem großen, länglichen Viereck. Die Baracken selbst bestanden aus einer langen Reihe miteinander verbundener Holzrahmenbauten, in denen die Quartiere einer jeden Kompanie durch Bretterwände getrennt und entlang der Wände mit zwei Reihen von Stockbetten eingerichtet waren. Am Ende jeder Kompanieunterkunft befand sich die Kompanieküche. Diese war jeweils ein abgetrennter, separater Rahmenbau, der über allerlei Vorrichtungen zur Nahrungszubereitung verfügte, darunter einen Backsteinofen mit Öffnungen für Pfannen, Töpfe, Kessel und dergleichen. Sowohl die Baracken als auch die Küchen waren bequem und angenehm eingerichtet und unseren zusammengezimmerten Hütten in Carrollton in jeder Hinsicht vorzuziehen. Das Kasernengelände umfasste ein beträchtliches Areal, jedoch kann ich mich nicht an die genaue Größe erinnern. Das Gelände war nahezu völlig frei von Bäumen und wurde für Drillübungen und Paraden genutzt. Der Kommandeur vor Ort war zu dieser Zeit Colonel Benjamin L. E. Bonneville, ein alter Offizier der regulären Armee, der in seinen jüngeren Jahren ein bekannter Entdeckungsreisender in den ungezähmten westlichen Gebieten gewesen war. Ich sah ihn häufig auf dem Gelände umherreiten. Er war ein kleiner, runzeliger, alter Franzose und eine vollkommen unmilitärische Erscheinung. Trotzdem hatte dieser Mann seiner Wahlheimat lange und treu als Soldat gedient. Solltest du jemals mehr über diesen Mann erfahren wollen, so lies (falls du dies nicht schon getan hast) die "Abentheuer des Capitäns Bonneville oder Scenen jenseits der Felsgebirge des fernen Westens" von Washington Irving. Es wird dir eine ausgesprochen interessante Lektüre sein.

      Wir verbrachten etwa vier Wochen in der Benton-Kaserne. Das Leben dort war eintönig und bar jeglicher Ablenkung. Ich erinnere mich, dass wir nur selten Drillübungen abhielten, da es die meiste Zeit über regnete und der Boden des Exerzierplatzes ein einziger See aus Matsch war. Die Drainage war eine Katastrophe und so blieb der Regen an der Oberfläche, bis die Erde ihn aufsog. Und eines kann ich dir sagen: Im März des Jahres 1862 regnete es über der Benton-Kaserne wie aus Eimern! Während wir dort untergebracht waren, fand ich in einer kürzlich geräumten Baracke eine alte, zerfledderte Taschenbuchausgabe von Dickens' "Bleakhaus" und an jenen regnerischen Tagen kroch ich in mein Bett (ich belegte eines der oberen Stockbetten), machte es mir bequem und las dieses Buch. Einige der darin vorkommenden aristokratischen Charaktere besaßen einen Landsitz namens "Chesney Wold", wo es unablässig zu regnen schien. Um (sinngemäß) aus dem Buch zu zitieren: "Der Regen fiel ohne Unterlass, tropf, tropf, am Tage wie in der Nacht in jenem Orte in Lincolnshire." Ebenso verhielt es sich in der Benton-Kaserne. Wenn ich des Lesens überdrüssig war, wandte ich meinen Kopf zur Seite und schaute eine Weile aus dem kleinen Fenster an der Seite meines Bettes, das mir einen Ausblick über den Großteil des Platzes gewährte, um den herum die Baracken standen. Der Boden war ein regelrechter Sumpf aus Schlamm und Wasser und keine Seele rührte sich dort draußen, mit Ausnahme einer berittenen Ordonnanz, die gelegentlich im Galopp über das Kasernengelände jagte. Seit damals habe ich "Bleakhaus" mehrere Male gelesen und sobald ich das Kapitel erreiche, in dem vom regnerischen Wetter auf dem Landsitz der Dedlock-Familie die Rede ist, kann ich jene düsteren und trostlosen Verhältnisse, unter denen ich vor mehr als einem halben Jahrhundert meine Zeit in der Benton-Kaserne verbrachte, stets deutlich und mit allen Sinnen nachempfinden. Irgendwo in General Shermans Memoiren habe ich eine Stelle gelesen, in der er sich dahingehend äußert, dass sich Regen im Feldlager negativ auf das Gemüt der Soldaten auswirke, auf dem Marsch jedoch durchaus anregend sei. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass diese Beobachtung der Wahrheit entspricht. Auf dem Marsch wurden wir häufig von schwerem Regen überrascht, welcher die Straßen rasch in einen Sumpf aus klebrigem, gelbem Schlamm verwandelte. In diesen Fällen zogen wir unsere Schuhe und Strümpfe aus, banden sie etwas unterhalb der Mündung und knapp oberhalb des Schaftendes an unserem Musketenlauf fest, balancierten die Muskete auf ihrem Hahn über der Schulter, sodass der Schaft nach oben zeigte und rollten unsere Hosenbeine bis zu den Knien hoch. Dann taten wir es wie Tam O'Shanter und ließen "Lehm und Moder um uns spritzen, die Winde heulen, Blitze blitzen", wobei wir "John Brown's Body" sangen oder irgendein anderes Lied, nach dem uns gerade zumute war. [Anm. d. Übers.: Stillwell zitiert hier aus "Tam O'Shanter", einem Gedicht des schottischen Nationaldichters Robert Burns aus dem Jahre 1790.] Regnerische Tage im Lager hingegen, besonders derart heftige wie jene während unserer Zeit in der Benton-Kaserne, beschwören Gefühle von Trostlosigkeit und Niedergeschlagenheit herauf, die man nur nachvollziehen kann, wenn man sie selbst erlebt hat. Das Elend, das sie verursachen, lässt sich nicht beschreiben.

      Während ich eines Tages müßig über das Kasernengelände schlenderte, traf ich einen Soldaten, der mir erzählte, er gehöre zur 14th Wisconsin Infantry. Er war einige Jahre älter als ich, recht mitteilsam und schien mir ein vernünftiger, aufgeweckter Bursche zu sein. Er redete ohne Unterlass über sein Regiment, es bestünde fast ausschließlich aus jungen Männern, großgewachsenen, kräftigen Holzfällern aus den Kiefernwäldern Wisconsins. Ich wurde nachdrücklich eingeladen, das Regiment bei Gelegenheit am Abend zu besuchen und ihm bei der Parade zuzusehen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Erfahrung gemacht, dass Soldaten dazu neigten, mit ihrem Regiment zu prahlen, weswegen ich seinen Schilderungen mit einiger Vorsicht begegnete, allerdings hatte er trotzdem meine Neugierde auf diese Kerle aus Wisconsin geweckt. Als ich eines Abends keine Verpflichtungen hatte, ging ich mir also ihre Parade ansehen und es stellte sich heraus, dass der Soldat tatsächlich nicht übertrieben hatte. Es waren allesamt prächtige, große Burschen mit breiten Schultern, enormen Brustkörben und kräftigen Gliedmaßen. Was die körperliche Verfassung betrifft, so waren dies zweifelsohne die prächtigsten Soldaten, die ich während meiner gesamten Militärzeit sah. Ich erwähne dieses Ereignis und diese Burschen an dieser Stelle, da ich später möglicherweise noch mehr über das 14th Wisconsin zu sagen haben werde.

      In der Benton-Kaserne erhielten wir unsere Regimentsnummer – die 61 – und fortan waren wir die 61st Illinois Infantry. Auch unsere Waffen wurden uns zugeteilt. Wir wurden mit österreichischen Musketen mit gezogenem Lauf ausgerüstet. Sie waren von mittlerer Länge, hatten einen Schaft aus hellbraunem Walnussholz und gaben alles in allem tadellose Schießeisen ab. Zu jener Zeit waren die meisten Truppen des westlichen Kriegsschauplatzes mit aus Europa

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