Leidenschaft. Andreas Nass

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Leidenschaft - Andreas Nass

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ohne ein Wort aus dem Tempel. Leichtfertig bist du! Tsss.«

      Sie beugte sich vor und kam meinem Gesicht mit dem ihren sehr nahe. Ihr herber, brutaler Geruch kitzelte meine Nase, und auch ohne ihre drängenden Worte lief mir eisiges Wasser den Rücken hinunter.

      »Vielleicht war es besser für dich, nicht hier zu sein, während die Maschinen wüteten. Schnell wärst du Opfer der metallenen Hände gewesen. Sie hätten dich zerquetscht, wie eine faule Frucht«, sie ballte ihre sechs Hände auf eindrucksvolle Weise. »Aber glaube nicht, du hättest so einfach entkommen können. Tsss. Bevor dich jemand in den Abgrund schickt, werde ich mir dich vornehmen. Wenn du versagst, werde ich dir Schmerzen bereiten, die du nie vergessen wirst! Also sorge dafür, dass du deine Bestimmung erfüllst, und das Tor zum Abyss öffnest. Und hör mit deinen Spielchen auf! Wir sind nicht zum Spaß hier! Ich werde selbst mit deiner Mutter über deine Erziehung reden. Etwas Ernsthaftigkeit kann nicht schaden. Von Respekt ganz zu schweigen! Tsss!«

      Ihre barschen Worte ärgerten mich. Ich wollte mir nicht sagen lassen, was ich zu tun hatte. Leider hatte ich keine andere Wahl und setzte mein bestes, dienstbares Lächeln auf, ohne dabei völlig unterwürfig zu wirken. Soll sie ruhig wissen, dass ich mich nicht so einfach herumkommandieren ließ.

      »Wie gerne, liebe Nephtis, würde ich allen meinen Verpflichtungen nachkommen«, säuselte ich gefällig, »doch gerade jetzt könnte ich jemanden gebrauchen, der dir ebenfalls recht nahe steht.«

      »Du spielst auf diesen Idioten Tua’thal an.« Ihre rubinroten Augen glühten drohend. »Ein Ärgernis, um das ich mich selber kümmern werde. Du lässt nach wie vor die Finger von ihm! Tsss! Und alles andere auch!«

      »Ja, Nephtis«, sagte ich genervt und kämpfte darum, den zittrigen Unterton in meiner Stimme zu unterdrücken. »Darf ich jetzt zu meiner Mutter?«

      »Geh nach deiner Mama, Kindchen«, höhnte sie zischelnd, »und hör auf zu flennen! Wie kann eine Prinzessin nur so emotional sein? Tsss.« Kopfschüttelnd bewegte sie sich weiter, dabei schwankte ihr Schlangenkörper wie ein Schiff in rauer See.

      Ich brauchte noch einen Moment, um mich wieder zu beruhigen, bevor ich den Weg fortsetzte. Vor der breiten Ebenholztüre standen sechs Gardisten in ihrer scharlachroten Rüstung. Das Symbol meiner Mutter, der gezackte Uterus, prangte auf ihren Brustpanzern. Als sie mich erkannten, nahmen sie Haltung an.

      »Prinzessin«, verneigte sich der ranghöchste Gardist, »Eure Mutter befindet sich gerade im Gespräch und hat ausdrücklich angeordnet, dabei nicht gestört zu werden.«

      »Wer ist denn bei ihr?«, erkundigte ich mich interessiert.

      »Das Oberhaupt einer kirchlichen Organisation, so viel darf gesagt werden.«

      Seine Gedanken verrieten ihn, dennoch konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen, wer zugegen war, vermutete jedoch, dass es sich um den Vater von Moi’ra handelte, Akb’ah, dem Anführer vom Orden des dunklen Mondes und nun getreuer Diener von Kachus, dem Gott der Ketten und Verließe. Bei diesem Gespräch wollte ich auf keinen Fall stören.

      Bis ich auf eine Audienz hoffen konnte, sah ich bei einigen Klerikerinnen vorbei. Sie erklärten sich bereit, Feuerschutzamulette anzufertigen, die dem Träger zumindest teilweise vor Schaden durch Hitze bewahrten.

      Danach begab ich mich zu den Stallungen. Gargarhaykal hatte den Angriff gut überstanden. Das für mich aus dem Abgrund beschworene Ross hatte sich während der Belagerung auf die Ätherebene begeben und erfreute sich nach dem Ende der Kämpfe an den noch warmen Leichen. Zu viele, um sie frisch zu verzehren. Gebete bewahrten das Fleisch vor dem Verfall. Ein angefressener Frauenkörper lag in seinem Futtertrog. Ob die Frau zu den Opfern zählte oder wegen eines Vergehens zu Tode verurteilt wurde, konnte ich nicht bestimmen. Mein Vertrauter blies beständig Rauch hinein, um Aasfliegen abzuhalten. Ich striegelte sein nachtschwarzes Fell und drückte meine Nase in seine Flanke. Die flammenden Hufe und die Flammenmähne verströmten den beißenden Geruch des Abyss. Heimat.

      ›Auch ein Stück, Krisheena?‹, fragte er gesättigt. Telepathisch hallte seine tiefe Gedankenstimme in meinen Kopf. Die Anrede mit meinem wahren Namen erzeugte ein Kribbeln in meinem Nacken.

      ›Danke, aber ich habe schon gefrühstückt‹, belächelte ich sein Angebot. ›Iss dich gut satt, wir werden bald wieder gemeinsam reiten, und da wird es nicht so viel zartes Fleisch geben.‹

      ›Soll ich mich nun auf die Reise freuen oder es bedauern, den Tempel zu verlassen?‹

      ›Ein wenig Bewegung kann dir nicht schaden‹, kicherte ich und fasste in seine Seite, ›der Winterspeck muss weg.‹

      ›Lass das‹, schnaufte er und schnappte mit seinen Reißzähnen nach mir, ›das sind alles Muskeln!‹

      ›Ich habe nie etwas anderes behauptet, mein stolzer Hengst‹, feixte ich und gab ihm noch einen Klaps auf den Hinterlauf. ›Bis später.‹

      Hüftschwingend verließ ich den Stall und suchte wieder den neuen Thronsaal auf. Schon während ich mich näherte, öffneten mir die Gardisten die Türe und ich trat in die kleine Halle. So gut es ging hatten die Tempelbediensteten für eine würdige Einrichtung gesorgt. Decke und Wände waren mit dunklen Vorhängen verhangen, über den Boden zog sich ein scharlachroter Teppich bis zu einer kleinen Empore, auf der sich ein stabiler Sessel mit breiten, gepolsterten Lehnen befand. Räucherbecken mit blauen Flammen reihten sich zu beiden Seiten und beleuchteten das Innere des Saals.

      Meine Mutter stand mit zwei Priesterinnen und einem nahezu nackten Mann an der linken Wandseite. Der geschorene Kopf und die beiden Ketten des Gastes machten seine Zugehörigkeit zum Orden des dunklen Mondes deutlich.

      Sie sahen mich nahen. Mit kurzen Worten schickte meine Mutter die Anwesenden heraus und widmete mir ein Lächeln.

      »Meine Tochter, wie schön, dass du bei mir vorbeisiehst«, wärmte mich ihre rauchige Stimme. Ihre geschmeidige Hand wies zum Sessel, dabei bauschten sich ihre wallenden Gewänder, schimmernd in dunkelroten Farben.

      Für mich waren die perfekten Rundungen ihrer Weiblichkeit ein Vorbild. Auch wenn ich nicht gewollt hätte, wäre ich dem Reiz erlegen, sie zu berühren. So trat ich nahe an sie heran, umfasste ihre Taille und begrüßte sie mit einem sinnlichen Kuss.

      Zärtlich legte sich ihre Hand um meine Hüfte, glitt wie selbstverständlich meinen Rücken hinauf und kraulte in meinen Haaren. Ein frühlingswarmer Schauer lief über meine Schultern und ich atmete tief ein, roch ihr blumiges Parfum.

      Sanft, aber bestimmend, schob sie mich zum Thron, setzte sich anmutig und zog mich in einer fließenden Bewegung auf ihren Schoss.

      »Erzähl mir, mein Kind, von deinem kleinen Ausflug zur Schule der Kurtisanen.« Sie lachte, als sie den verwunderten Ausdruck in meinem Gesicht sah. »Krisheena, du glaubst doch nicht etwa, mir bliebe ein Geheimnis lange verborgen? Auch wenn dein Bruder äußerst geschickt geworden ist.«

      Sehr ausführlich gab ich meine Erlebnisse während der Ausbildung wider und zeigte ihr auch eine Kostprobe der gelernten einfachen Tänze. Das Zusammentreffen mit der Göttin Anu Sens selbst erwähnte ich mit keinem Wort.

      »Deine anderen Kenntnisse werde ich mir bei Gelegenheit ansehen«, zwinkerte sie und wackelte dann mit ihren Beinen, schüttelte mich so, »doch dafür bist du sicher nicht zu mir gekommen. Was kann ich denn für meine Tochter tun?«

      »Yana hat mir die Orte gezeigt, wo ich an die Essenz eines großen Feuerelementarwesens gelangen kann. Ich habe mich für den Vulkan

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