Die Baumeisterin. Barbara Goldstein

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Die Baumeisterin - Barbara Goldstein

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getragen wurde. Niemand wagte es, den Blick zu heben, um den König ins Gesicht zu sehen. Bevor mein Vater mich auf die Knie zog und ich widerstrebend meinen Kopf senkte, sah ich, wie hundert Tempeldiener mit prächtigen Ritualgewändern bekleidet feierlich durch die wartende Menge schritten. Die Sänfte des Königs, ein Sitz aus kostbarem Zedernholz, wurde von acht schwarzen Kuschiten getragen. Der Lebendige Gott saß unbeweglich wie eine Götterstatue, den Blick nach vorn gerichtet. Die Menschen, die vor ihm im Staub knieten, schien er gar nicht zu bemerken.

      Er war einundzwanzig Jahre alt. Seine Augen waren mit Lidstrichen aus blauem Lapispulver geschminkt. Er trug ein durchscheinendes Gewand über einem prächtigen Lendenschurz, vergoldete Ledersandalen, aber noch keine Krone. Wie schön er war!

      Einen Blick erhaschte ich auf die junge Frau im nächsten Tragsessel. Sie war die neue Königin! Mein Vater hatte mir erzählt, dass Hotepheres die Trägerin der Königswürde war und dass Seneferu, als er seine Schwester heiratete, den Titel des Gottkönigs erst erwarb.

      Mein Vater zog mich zu sich herunter, als die königlichen Sänften an uns vorübergetragen wurden. Wie alle anderen küsste ich den Boden, über den der König getragen wurde. Verstohlen sah ich wieder auf.

      Das Gefolge des Lebendigen Gottes war prächtig gekleidet. Die Prinzen trugen Lendenschurze aus kostbarem Leinen, goldene Ketten um die nackten Schultern und Sandalen, die Prinzessinnen Kleider aus durchscheinendem Stoff, der ihre Körper kaum verhüllte, und Ketten und Ohrringe aus Gold. Bei uns im Dorf trugen wir weder Perücken noch Sandalen, und unsere Lendentücher waren auch nicht aus plissiertem Leinen.

      »Das ist der Wesir Nefermaat, ein Bruder des neuen Königs«, flüsterte ein Mann neben mir.

      Prinz Nefermaat war ein hoch gewachsener Mann, dessen golddurchwirktes Wesirsgewand von den Schultern bis zu den Knien reichte und am Hals durch zwei breite Bänder befestigt war.

      »Und dort kommt Prinz Amenemhet mit seiner Schwestergemahlin Iset!«

      Prinz Amenemhet hatte dieselbe majestätische Statur wie seine Brüder Nefermaat und der göttliche Seneferu. Er trug die Abzeichen eines Generals.

      »Er sieht nicht glücklich aus!«

      »Das ist er auch nicht. Eigentlich hätte er heute gekrönt werden sollen! Erst kurz vor seinem Tod hat Huni Prinz Seneferu zu seinem Nachfolger bestimmt.«

      »Und dort kommt die Zweite Gemahlin des Königs! Sie wird dem Lebendigen Gott schon bald sein erstes Kind schenken.«

      Die Gottesgemahlin stützte sich auf den Arm eines Mannes. Sie war hochschwanger, und das Gehen fiel ihr schwer.

      Hinter der Familie des Königs schritten die Hohepriester der verschiedenen Tempel der Beiden Länder, der Hohepriester des Sonnengottes Re aus Iunu, die Hohepriesterinnen der Hathor aus Yunet und der Bastet aus Pibastet im Sumpfgebiet des Unteren Landes, die Hohepriester des Osiris und der Isis aus Abodu und viele andere. Den Priestern folgten die zweiundvierzig Gaufürsten der Beiden Länder, die Minister der neuen Regierung und die Generäle der vier großen königlichen Regimenter Amun, Re, Ptah und Seth.

      Dann schlossen sich die Tempeltore hinter dem König und seinem Gefolge.

      Es wurde ruhig auf dem Platz: Die Menge wartete.

      Aus dem Tempel drang kein Laut nach draußen. Der König brachte im Sonnenhof die vorgeschriebenen Speise- und Trankopfer für Ptah dar, und der süße Duft des Weihrauchs mischte sich mit dem Geruch von verbrennendem Fett, das von dem geschlachteten Opferstier in das Feuer tropfte.

      Fliegende Händler schritten durch die Reihen der Wartenden, die ihren Platz während der stundenlangen Krönungszeremonien nicht aufgeben wollten, und verkauften Datteln, Nüsse und heißes Fladenbrot mit Ziegenkäse.

      »Was geschieht jetzt im Tempel?«, fragte ich nach einer Weile.

      »Der Lebendige Gott nimmt die Throne Beider Reiche in Besitz. Erst besteigt er den Thron des Unteren Landes und erhält die rote Mehus-Krone aufgesetzt, dann setzt er sich auf den Thron des Oberen Landes und erhält die weiße Schemas-Krone als Zeichen seiner Macht.«

      »Wer setzt ihm die beiden Kronen auf?«, wollte ich wissen.

      »Der Hohepriester des Ptah.«

      Dann öffneten sich die Tore, und die Prozession verließ den Tempel, zuerst die Bewaffneten, dann die Gottesdiener und schließlich die Sänfte des Königs.

      Seneferu trug nun die Sechemti-Doppelkrone, die aus der roten Krone des Unteren und der weißen Krone des Oberen Landes bestand. In den über der Brust gekreuzten Händen hielt er Zepter und Geißel.

      Der Wesir Nefermaat schritt vor der königlichen Sänfte her und rief mit lauter Stimme, damit es die ganze Welt vernehme: »Ich verkünde die Inthronisation des Herrn der Weltordnung, Seneferu Nebmaat, des Großen Gottes, Sohn des Re, Licht der Welt, Eroberer der Fremdländer, Herrscher des Oberen und Unteren Landes. Möge er tausend Jahre regieren!« Und dann: »Huldigt dem Lebendigen Gott! Gelobt sei sein geheiligter Horus-Name in Beiden Ländern!«

      Die Menschen sprangen auf und jubelten dem neuen König zu. Möge er tausend Jahre regieren!

      Und ich konnte nichts mehr sehen!

      »Warum hat der König so viele Namen?«, fragte ich meinen Vater.

      »Die Namen des Herrschers sind so etwas wie sein Regierungsprogramm und zeigen dem Volk, was er sich vorgenommen hat. Der Name Nebmaat bedeutet, dass Seneferu die Welt durch die Maat vollkommen machen will. Als Gottkönig, Hohepriester und Stellvertreter des Gottes Horus auf Erden, wird er für Ordnung, Gerechtigkeit und die Vervollkommnung der Welt sorgen. Er wird die Fremdländer unterwerfen: die Libyer im Westen, die Kuschiten im Süden und die Sumerer im Osten.«

      Ich drängte nach vorn, um etwas sehen zu können.

      »Komm zurück! Das darfst du nicht!«, rief mein Vater entsetzt und wollte mich festhalten, aber ich riss mich los, kroch zwischen den Beinen der Leibwachen durch, die die Ehrengasse für den Netjer bildeten, und stand mitten auf dem Weg, auf dem sich die Prozession näherte.

      Die Menschen warfen sich zu Boden, als die Sänfte des Göttlichen sich näherte. Fasziniert sah ich den König an und vergaß, mich vor ihm niederzuwerfen, um den Staub unter seinen Füßen zu küssen.

      Der Blick des Göttlichen war in die Unendlichkeit gerichtet, sein Gesicht war unbewegt. Nur ein feines Lächeln des Triumphes lag auf seinen Lippen.

      Ein Bewaffneter packte mich an der Schulter und drückte mich in den Staub. Aber ich ließ meinen Blick nicht vom Lebendigen Gott.

      Da sah er mich an! Sein Blick traf mich wie ein Sonnenstrahl!

      Verstohlen winkte ich ihm zu.

      Er lächelte.

      Doch dann hob er wieder den Blick zum Horizont und war nicht mehr Mensch, sondern König und Gott.

      Sein Triumph war unermesslich.

      Die Krönungsfeierlichkeiten im Tempel des Ptah und die ausgelassene Feier auf dem großen Platz vor dem alten Königspalast von Mempi schienen der Höhepunkt im Leben aller Menschen zu sein. Doch noch in derselben Nacht gebar die Gottesgemahlin Ahmes sein erstes Kind. Die Prozession in den Tempel des Ptah und die anschließenden Empfänge für die fremdländischen

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