Winnetou Band 1. Karl May

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Winnetou Band 1 - Karl May Winnetou

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ein Greenhorn, wie es im Buche steht!«

       Damit schob er mich zur Tür hinaus, doch ehe er sie schloß, sah ich, daß ihm das Wasser in den Augen

       stand.

      III. Kleki-petra

      Wir befanden uns beinahe am Ende des herrlichen nordamerikanischen Herbstes und waren schon über

       drei Monate in Tätigkeit, hatten unsere Aufgabe aber noch nicht gelöst, während die andern Sektionen

       meist schon nach Hause zurückgekehrt waren. Hierfür gab es zwei Gründe.

       Der erste Grund lag in dem Umstande, daß wir eine sehr schwierige Gegend zu bearbeiten hatten. Die

       Bahn sollte durch die Prärieen dem Laufe des südlichen Kanadian folgen; die Richtung war also bis zum

       Quellgebiete desselben vorgezeichnet, während sie von New Mexiko an durch die Lage der Täler und

       Pässe ebenso vorgeschrieben wurde. Unsere Sektion aber lag zwischen dem Kanadian und New Mexiko,

       und wir hatten die geeignete Richtung also erst zu entdecken. Dazu waren zeitraubende Ritte,

       anstrengende Wanderungen und viele vergleichende Messungen nötig, ehe wir an die eigentliche Arbeit

       gehen konnten. Erschwert wurde dies alles noch dazu dadurch, daß wir uns in einer gefährlichen Gegend

       befanden, denn es trieben sich da die Kiowa-, Komanche- und Apache-Indianer herum, welche von einer

       Bahn durch das Terrain, welches sie als ihr Eigentum bezeichneten, nichts wissen wollten. Wir mußten

       uns ungemein in acht nehmen und stets auf unserer Hut sein, wodurch unsere Tätigkeit selbstverständlich

       außerordentlich erschwert und verlangsamt wurde.

       In Rücksicht auf diese Indianer mußten wir darauf verzichten, uns durch die Erträgnisse der Jagd zu

       ernähren, denn wir hätten die Roten dadurch auf unsere Spur gelenkt. Wir bezogen vielmehr alles, was

       wir brauchten, durch Ochsenwagen aus Santa Fé. Leider war aber dieser Transport auch ein sehr

       unsicherer, und wir konnten wiederholt mit unseren Messungen nicht vorwärts schreiten, weil wir auf die

       Ankunft der Wagen warten mußten.

       Die zweite Ursache lag in der Zusammensetzung unserer Gesellschaft. Ich habe erwähnt, daß ich in St.

       Louis von dem Oberingenieur und den drei Surveyors sehr freundlich begrüßt worden sei. Diese

       Aufnahme, welche ich bei ihnen fand, ließ mich ein gutes und erfolgreiches Zusammenwirken erwarten;

       darin sollte ich mich aber leider getäuscht haben.

       Meine Kollegen waren echte Yankees, welche in mir das Greenhorn, den unerfahrenen Dutchman sahen,

       dieses letztere Wort als Schimpfwort genommen. Sie wollten Geld verdienen, ohne viel danach zu fragen,

       ob sie ihre Aufgabe auch wirklich gewissenhaft erfüllten. Ich war als ehrlicher Deutscher ihnen dabei ein

       Hemmschuh, dem sie die erst gezeigte Gunst sehr bald entzogen. Ich ließ mich dies nicht anfechten und

       tat meine Pflicht. Es war noch nicht viel Zeit vergangen, so machte ich die Bemerkung, daß es mit ihren

       Kenntnissen eigentlich nicht sehr weit her war; sie warfen mir die schwierigsten Arbeiten zu und machten

       sich das Leben so leicht wie möglich. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden, denn ich bin stets der

       Ansicht gewesen, daß man um so stärker wird, je mehr man leisten muß.

       Mr. Bancroft, der Oberingenieur, war der unterrichtetste von ihnen; leider aber stellte es sich heraus, daß

       er den Branntwein liebte. Es waren einige Fäßchen dieses verderblichen Getränkes aus Santa Fé gebracht

       worden, und seitdem beschäftigte er sich weit mehr mit dem Brandy als mit den Meßinstrumenten. Es

       kam vor, daß er halbe Tage lang total betrunken an der Erde lag. Riggs, Marcy und Wheeler, die drei

       Surveyors, hatten, ebenso wie auch ich, den Schnaps mit bezahlen müssen, und sie tranken, um ja nicht

       zu kurz zu kommen, mit ihm um die Wette. Es läßt sich denken, daß auch diese Gentlemen sich oft nicht

       in der besten Verfassung befanden. Da ich keinen Tropfen trank, so war ich natürlich der Arbeitsmann,

       während sie sich in steter Abwechslung zwischen dem Trinken und dem Ausschlafen ihres Rausches

       hielten. Wheeler war mir noch der liebste von ihnen, denn er hatte so viel Verstand, einzusehen, daß ich

       mich für sie plagte, ohne im mindesten dazu verpflichtet zu sein. Daß unsere Arbeit unter diesen

       Verhältnissen litt, versteht sich ganz von selbst.

       Die übrige Gesellschaft ließ nicht weniger zu wünschen übrig. Wir hatten bei unserer Ankunft auf der

       Sektion zwölf auf uns wartende "Westmänner" angetroffen. Ich als Neuling hegte in der ersten Zeit ganz

       bedeutenden Respekt vor ihnen, erkannte aber nur zu bald, daß ich es mit Leuten von sehr niederem

       moralischem Range zu tun hatte.

       Sie sollten uns beschützen und bei unsern Arbeiten Hilfe leisten. Glücklicherweise kam volle drei Monate

       lang nichts vor, was mir Veranlassung gegeben hätte, mich in diesen sehr zweifelhaften Schutz zu

       begeben, und was ihre Hilfeleistungen betraf, so konnte ich mit vollem Rechte behaupten, daß hier die

       zwölf größten Faulenzer der Vereinigten Staaten sich ein Stelldichein gegeben hatten.

       Wie traurig mußte es unter solchen Umständen mit der Disziplin beschaffen sein!

       Bancroft war dem Namen und dem Auftrage nach der Kommandierende, und er gebärdete sich auch ganz

       so, es zu sein, doch kein Mensch gehorchte ihm. Wenn er einen Befehl erteilte, so lachte man ihn aus;

       dann fluchte er, wie ich selten einen Menschen habe fluchen hören, und ging zum Brandyfasse, um sich

       für diese Anstrengung zu belohnen. Riggs, Marcy und Wheeler handelten nicht viel anders. Da hätte nun

       wohl ich allen Grund gehabt, mich der Zügel zu bemächtigen, und ich tat dies auch, doch so, daß man es

       nicht bemerkte. So ein junger und unerfahrener Mensch konnte von solchen Leuten unmöglich für voll

       angesehen werden. Wäre ich so unklug gewesen, einmal im gebieterischen Tone zu sprechen,

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