Winnetou Band 1. Karl May
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verfahren, ungefähr so wie eine kluge Frau, welche ihren widerhaarigen Mann zu lenken und zu leiten
weiß, ohne daß er eine Ahnung davon hat. Ich wurde von diesen halbwilden, schwer zu zügelnden
Westmännern täglich wohl zehnmal ein Greenhorn genannt, und doch richteten sie sich unbewußt nach
mir, indem ich sie bei der Meinung ließ, daß sie ihrem eigenen Willen folgten.
Hierbei hatte ich einen vorzüglichen Beistand an Sam Hawkens und seinen beiden Gefährten Dick Stone
und Will Parker. Diese drei Männer waren durch und durch ehrlich und dabei, was ich dem kleinen Sam
bei unserm ersten Zusammentreffen in St. Louis nicht hatte ansehen können, erfahrene, kluge und kühne
Westläufer, deren Namen weithin einen guten Klang besaßen. Sie hielten sich meist zu mir und zogen
sich von den Andern zurück, doch so, daß diese sich nicht etwa beleidigt fühlen konnten. Besonders
verstand es Sam Hawkens trotz seiner komischen Eigentümlichkeiten, dem, was er wollte, bei der
widerspenstigen Gesellschaft Achtung zu verschaffen, und so oft er in seiner halb strengen und halb
drolligen Tonart etwas durchsetzte, so geschah dies stets, um mir zur Erringung dessen, was ich wollte,
behilflich zu sein.
Es hatte sich zwischen ihm und mir im Stillen ein Verhältnis herausgebildet, welches ich am besten mit
dem Worte Suzeränität, Oberlehnsherrlichkeit, bezeichnen möchte. Er hatte mich unter seinen Schutz
genommen, und zwar wie einen Menschen, den man gar nicht danach zu fragen braucht, ob er damit
einverstanden ist. Ich war das Greenhorn und er der erfahrene Westmann, dessen Worte und Taten für
mich unfehlbar zu sein hatten. Er gab mir, so oft sich Zeit und Gelegenheit bot, theoretischen und
praktischen Unterricht in allem, was man im wilden Westen wissen und auch können muß, und wenn ich
heut der Wahrheit nach sagen muß, daß ich später an Winnetous Seite die hohe Schule durchmachte, so
muß ich billig eingestehen, daß Sam Hawkens mein Elementarlehrer gewesen ist. Er fertigte mir sogar
höchst eigenhändig einen Lasso an und erlaubte mir, mich im Werfen dieser gefährlichen Waffe an seiner
eignen kleinen Person und seinem Pferde zu üben. Als ich es dann so weit gebracht hatte, daß die
Schlinge bei jedem Wurfe ihr Ziel unfehlbar faßte, freute er sich herzlich und rief aus:
»Schön so, mein junger Sir; so ist's recht! Doch bildet Euch auf dieses Lob ja nicht etwas ein! Ein
Schulmeister muß selbst den dümmsten Jungen zuweilen loben, wenn dieser nicht ganz und gar sitzen
bleiben soll. Ich bin der Lehrer schon manches jungen Westmannes gewesen, und sie alle haben viel, viel
leichter gelernt und mich viel rascher begriffen als Ihr, doch wenn Ihr Euch so weiter übt, so ist es
vielleicht möglich, daß man Euch nach sechs oder acht Jahren nicht mehr ein Greenhorn zu nennen
braucht. Bis dahin mögt Ihr Euch mit der alten Erfahrung trösten, daß ein Dummer es zuweilen ebenso
weit oder wohl gar noch weiter bringt als ein Gescheiter, wenn ich mich nicht irre!«
Er brachte dies scheinbar im größten Ernste vor, und ich nahm es mit demselben Ernste hin, wußte aber
recht wohl, wie ganz anders er es meinte.
Von diesen Unterweisungen waren mir besonders die praktischen willkommen, denn die Berufsarbeit
nahm mich so in Anspruch, daß ich, wenn Sam Hawkens nicht gewesen wäre, mir wohl nicht die Zeit
genommen hätte, mich in den Fertigkeiten zu üben, welche ein Prairiejäger besitzen muß. Übrigens
hielten wir diese Übungen geheim; sie wurden stets in solcher Entfernung vom Lager vorgenommen, daß
man uns nicht beobachten konnte. Sam wollte es so, und als ich ihn einmal nach dem Grunde fragte,
antwortete er:
»Geschieht Euch zuliebe, Sir. Ihr habt so wenig Geschick für solche Sachen, daß ich mich in Eure Seele
hinein schämen müßte, wenn diese Kerls uns dabei sähen. So, nun wißt Ihr es, hihihihi. Nehmt es Euch zu
Herzen!«
Die Folge davon war, daß die ganze Gesellschaft mir in Beziehung auf Waffenführung und körperliche
Geschicklichkeit nichts zutraute, was mich aber nicht im mindesten kränken konnte.
Trotz aller vorhin erwähnten Hindernisse waren wir schließlich doch so weit gekommen, daß wir den
Anschluß an die nächste Sektion nach Verlauf von vielleicht einer Woche erreichen konnten. Um dies
dort zu melden, mußte ein Bote abgesandt werden. Bancroft erklärte, daß er diesen Ritt selbst machen und
einen der Westmänner als Führer mitnehmen wolle. Diese Absendung einer Nachricht war nicht die erste,
welche geschah, denn wir hatten sowohl mit der hinter als auch mit der vor uns liegenden Sektion in
einem immerwährenden Botenverkehr stehen müssen. Infolge dessen wußte ich, daß der vor uns
befehligende Ingenieur ein sehr tüchtiger Mann war.
Es war an einem Sonntage früh, als Bancroft aufbrechen wollte. Er hielt es für nötig, vorher einen
Abschiedstrunk zu tun, an welchem sich alle beteiligen sollten. Ich allein wurde nicht dazu eingeladen,
und Hawkens, Stone und Parker folgten der an sie ergangenen Aufforderung nicht. Der Trunk zog sich,
wie ich gleich geahnt hatte, so sehr in die Länge, daß er erst dann aufhörte, als Bancroft kaum mehr lallen
konnte. Seine Zechgenossen hatten gleichen Schritt mit ihm gehalten und waren nicht minder betrunken
als er. Von dem beabsichtigten Ritte konnte für jetzt keine Rede sein. Die Kerls taten, was sie in diesem
Zustande stets getan hatten: sie krochen hinter die Büsche, um auszuschlafen.
Was nun tun? Der Bote mußte fort, und diese Menschen schliefen nun jedenfalls bis weit in den
Nachmittag hinein. Es war am besten, ich unternahm den Ritt; aber konnte ich fort? Ich war überzeugt,
daß bis zu meiner Rückkehr nach voraussichtlich vier Tagen von Arbeit keine Rede sein