Winnetou Band 1. Karl May

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Winnetou Band 1 - Karl May Winnetou

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Dörfer entvölkerten. Wollte der Rote sein gutes Recht geltend machen, so antwortete man ihm mit Pulver

       und Blei, und er mußte den überlegenen Waffen der Weißen wieder weichen. Darüber erbittert, rächte er

       sich nun an dem einzelnen Bleichgesichte, welches ihm begegnete, und die Folgen davon waren dann

       stets förmliche Massacres, welche unter den Roten angerichtet wurden. Dadurch ist er, ursprünglich ein

       stolzer, kühner, tapferer, wahrheitsliebender, aufrichtiger und seinen Freunden stets treuer Jägersmann,

       ein heimlich schleichender, mißtrauischer, lügnerischer Mensch geworden, ohne daß er dafür kann, denn

       nicht er, sondern der Weiße ist schuld daran.

       Die wilden Mustangherden, aus deren Mitte er sich einst kühn sein Reitpferd holte, wo sind sie

       hingekommen? Wo sieht man die Büffel, welche ihn ernährten, als sie zu Millionen die Prairien

       bevölkerten? Wovon lebt er heut? Von dem Mehle und dem Fleische, welches man ihm liefert? Schau zu,

       wie viel Gips und andere schöne Dinge sich in diesem Mehl befinden; wer kann es genießen! Und werden

       einem Stamme einmal hundert "extra fette" Ochsen zugesprochen, so haben diese sich unterwegs in zwei

       oder drei alte, abgemagerte Kühe verwandelt, von welchen kaum ein Aasgeier einen Bissen

       herunterreißen kann. Oder soll der Rote vom Ackerbaue leben? Kann er auf seine Ernte rechnen, er, der

       Rechtslose, den man immer weiter verdrängt, dem man keine bleibende Stätte läßt?

       Welch eine stolze, schöne Erscheinung war er früher, als er, von der Mähne seines Mustangs umweht,

       über die weite Savanne flog, und wie elend und verkommen sieht er jetzt aus in den Fetzen, welche nicht

       seine Blöße decken können! Er, der in überstrotzender Kraft einst dem schrecklichen grauen Bären mit

       den Fäusten zu Leibe ging, schleicht jetzt wie ein räudiger Hund in den Winkeln umher, um sich,

       hungrig, einen Fetzen Fleisch zu betteln oder zu stehlen!

       Ja, er ist ein kranker Mann geworden, ein sterbender Mann, und wir stehen mitleidig an seinem elenden

       Lager, um ihm die Augen zuzudrücken. An einem Sterbebette zu stehen, ist eine ernste Sache,

       hundertfach ernst aber, wenn dieses Sterbebette dasjenige einer ganzen Rasse ist. Da steigen viele, viele

       Fragen auf, vor allem die: Was hätte diese Rasse leisten können, wenn man ihr Zeit und Raum gegönnt

       hätte, ihre inneren und äußeren Kräfte und Begabungen zu entwickeln? Welche eigenartige Kulturformen

       werden der Menschheit durch den Untergang dieser Nation verloren gehen? Dieser Sterbende ließ sich

       nicht assimilieren, weil er ein Charakter war; mußte er deshalb getötet, kann er nicht gerettet werden?

       Gestattet man dem Bison, damit er nicht aussterbe, ein Asyl da oben im Nationalpark von Montana und

       Wyoming, warum nicht auch dem einstigen, rechtmäßigen Herren des Landes einen Platz, an dem er

       sicher wohnen und geistig wachsen kann?

       Aber was nützen solche Fragen angesichts des Todes, der nicht abzuwenden ist! Was können Vorwürfe

       helfen, wo überhaupt nicht mehr zu helfen ist! Ich kann nur klagen, aber nichts ändern; ich kann nur

       trauern, doch keinen Toten ins Leben zurückrufen. Ich? Ja, ich! Habe ich doch die Roten kennen gelernt

       während einer ganzen Reihe von vielen Jahren und unter ihnen einen, der hell, hoch und herrlich in

       meinem Herzen, in meinen Gedanken wohnt. Er, der beste, treueste und opferwilligste aller meiner

       Freunde, war ein echter Typus der Rasse, welcher er entstammte, und ganz so, wie sie untergeht, ist auch

       er untergegangen, ausgelöscht aus dem Leben durch die mörderische Kugel eines Feindes. Ich habe ihn

       geliebt wie keinen zweiten Menschen und liebe noch heut die hinsterbende Nation, deren edelster Sohn er

       gewesen ist. Ich hätte mein Leben dahingegeben, um ihm das seinige zu erhalten, so wie er dieses

       hundertmal für mich wagte. Dies war mir nicht vergönnt; er ist dahingegangen, indem er, wie immer, ein

       Retter seiner Freunde war; aber er soll nur körperlich gestorben sein und hier in diesen Blättern fortleben,

       wie er in meiner Seele lebt, er, Winnetou, der große Häuptling der Apachen. Ihm will ich hier das

       wohlverdiente Denkmal setzen, und wenn der Leser, welcher es mit seinem geistigen Auge schaut, dann

       ein gerechtes Urteil fällt über das Volk, dessen treues Einzelbild der Häuptling war, so bin ich reich

       belohnt.

       Der Verfasser.

      II. Ein Greenhorn

      Lieber Leser, weißt du, was das Wort Greenhorn bedeutet? eine höchst ärgerliche und despektierliche

       Bezeichnung für denjenigen, auf welchen sie angewendet wird.

       Green heißt grün, und unter horn ist Fühlhorn gemeint. Ein Greenhorn ist demnach ein Mensch, welcher

       noch grün, also neu und unerfahren im Lande ist und seine Fühlhörner behutsam ausstrecken muß, wenn

       er sich nicht der Gefahr aussetzen will, ausgelacht zu werden.

       Ein Greenhorn ist ein Mensch, welcher nicht von seinem Stuhle aufsteht, wenn eine Lady sich auf

       denselben setzen will; welcher den Herrn des Hauses grüßt, ehe er der Mistreß und Miß seine

       Verbeugungen gemacht hat; welcher beim Laden des Gewehres die Patrone verkehrt in den Lauf schiebt

       oder erst den Propfen, dann die Kugel und zuletzt das Pulver in den Vorderlader stößt. Ein Greenhorn

       spricht entweder gar kein oder ein sehr reines und geziertes Englisch; ihm ist das Yankee-Englisch oder

       gar das Hinterwälder-Idiom ein Greuel; es will ihm nicht in den Kopf und noch viel weniger über die

       Zunge. Ein Greenhorn hält ein Racoon für ein Opossum und eine leidlich hübsche Mulattin für eine

       Quadroone. Ein Greenhorn raucht Cigaretten und verabscheut den tabakssaftspeienden Sir. Ein

       Greenhorn läuft, wenn er von Paddy Irländer eine Ohrfeige erhalten hat, mit seiner Klage zum

       Friedensrichter,

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