Trojanische Pferde. Peter Schmidt
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Ihre Haut war so glatt und makellos, dass es einem den Atem verschlug, und manchmal lag in ihren Bewegungen genau jene Art von Geschmeidigkeit und Unterwürfigkeit, die vielleicht der eigentliche Grund dafür ist, dass so viele Männer glauben, thailändische Frauen seien von der Vermännlichung des weiblichen Geschlechts verschont geblieben.
Helga beobachtete das alles mit Wohlgefallen. Wenn jemand in einer völlig fremden Sprache, deren Betonung einem Europäer fast unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet, so beachtliche Ergebnisse erzielt, dann ist das auch ein berechtigter Grund für Zufriedenheit.
Da Sum keine Anstalten machte, ihren Arm um meinen Hals zu legen, nahm ich ihre Hand von meinem Knie und küsste sie sanft auf die Wange.
“Ich lasse euch beiden Turteltäubchen jetzt allein”, sagte Helga liebenswürdiger als der Papst bei seinen Privataudienzen. “Und denkt immer an den Wahlspruch unseres Klubs: Völkerverständigung darf kein hohles Lippenbekenntnis bleiben.” Sie deutete auf ein Plakat neben meinem Kopf, das eine Gruppe Negerkinder mit weißen und asiatischen Altersgenossen zeigte, die unter einem Affenbrotbaum picknickten.
Weiß Gott, ja. So ganz unrecht hatte sie damit nicht. Aber wie säh's denn auf der Welt wohl aus, wenn alles, was gut und richtig ist, in die Tat umgesetzt würde? Wir wären nicht mehr wiederzuerkennen. Es würde uns in die größte Identitätskrise unseres kurzen Lebens stürzen.
“Lady, you're a real pain”, sagte ich, während ich Helga hinterher blickte. Doch damit konnte ich bei Sum Nong keinen Blumentopf gewinnen. “Gibt's irgend etwas, was dich aufheitern könnte?”, erkundigte ich mich auf englisch.
“Bitte bringen Sie mich hier raus …”, sagte sie in einwandfreiem Deutsch.
“Nanu, wenn ich Helga richtig verstanden habe, sprichst du doch gar kein …?”
“Ich möchte nicht, dass jemand im Klub davon erfährt”, sagte sie leise.
“Und womit habe ich soviel Vertrauen verdient?”
“Sie sind Winger. Ihr Bild war mal in der Zeitung – als Sie dem stellvertretenden Bürgermeister bei der Einweihung der neuen Rennbahntribüne eine runtergehauen haben.”
“Dazu habe ich mich nur verleiten lassen, weil mir ein paar seiner Handlanger in den Ämtern aus purem Übermut das Leben schwer machen wollten. Aber einverstanden – du bleibst hier und wartest auf mich. Ich muss nur mal kurz vor die Tür, um ein paar Dinge zu regeln.” Die Sache bahnte sich schneller an, als ich erwartet hatte, und das konnte mir nur recht sein. Everdings Umschlag hatte nicht so ausgesehen, als wenn sein Inhalt für mehr als drei Besuche gutgewesen wäre.
3
Als ich wieder neben den beiden im Wagen saß, versuchte ich mir erst mal mit ungelenken Fingern eine Javaanse Jongens zu drehen. Ich war nie sehr begabt im Drehen gewesen, aber diesmal stellte ich mich noch ein wenig ungeschickter an, als ich war.
Ich ließ die halbfertige Zigarette auf den Wagenboden fallen und begann von vorn. Dann wischte ich die gelbbraunen Tabakkrümel von meinen Hosenbeinen zusammen und ließ sie, sparsam, wie ich war, aus der hohlen Hand in die Frischhaltepackung zurückgleiten.
“Herrgott noch mal, was ist passiert, Winger?”, erkundigte sich Everding. “Was haben Sie herausgefunden?”
“Ich bin bereit, auf Ihren Vorschlag einzugehen. Trotz der Schwierigkeiten. Fürs doppelte Honorar. Die Sache ist nicht so einfach, wie Sie vorgeben.”
“Also gut, einverstanden”, seufzte er und zog den Briefumschlag und einen größeren braunen Versandumschlag, der etwa die dreifache Summe des Betrags enthielt, aus der Innentasche seines Jacketts, als wenn er schon mit weiteren Forderungen gerechnet hätte. Er zählte das Geld ab und reichte mir den Umschlag.
“Sorgen Sie jetzt für unser Hotelzimmer.”
“Was denn, sofort?” Everding warf mir einen ungläubigen Blick zu, kramte aber folgsam die Visitenkarte des Hotels aus der Tasche. Er reichte sie mir, und ich steckte sie ein.
“Ich werde gleich rübergehen und mit einem der Mädchen wiederkommen. Das wird nicht länger als höchstens eine halbe Stunde dauern. Dann sollte hier ein Taxi auf uns warten. Und von Ihnen beiden dürfen nicht mal mehr die Rücklichter zu sehen sein … haben sie mich verstanden?”
“Welches von den Mädchen denn?”
“Spielt das irgendeine Rolle?”
“Kommt ganz darauf an. Mein Kollege Kranz hat Ihnen ja schon gesagt, dass in dem Laden zwischen ‘Klubmädchen’ und ‘Ware’ unterschieden wird. Klubmädchen sind gewöhnliche Bardamen aus Thailand, Ware jene Mädchen, die unter der Hand zum Kauf angeboten werden. Wir brauchen eine aus der Rubrik ‘Ware’.”
“Bekommen Sie. Ich glaube, ich habe genau die Richtige für sie aufgegabelt.”
“Wie heißt das Mädchen?”
“Sum Nong.”
“Hm …” Everding warf Kranz einen überraschten Blick zu. “Hört sich ganz so an, als wenn es keines der Mädchen vom Personal wäre, oder?”
“Falls es wirklich echte Ware ist, liegen wir genau richtig”, bestätigte Kranz.
“Ich bin gespannt, wie Sie das bewerkstelligen wollen, Winger”, sagte Everding. “Sie müssen das Mädchen mit seinem vollen Einverständnis herausbringen, aber gegen den Willen der Geschäftsleitung. Alles andere hätte keinen Sinn, wenn wir den Laden dichtmachen wollen.”
Ich nickte, ließ wortlos die Wagentür hinter mir zufallen und kehrte in den Klub zurück.
Sum Nong saß noch immer auf ihrem Barhocker, ihre für europäische Augen etwas dünnen Beinchen übereinandergeschlagen und einen Pfirsichsaft aus dem Pappkarton vor sich. Sie lächelte sichtlich erfreut darüber, dass meine Worte keine hohle Versprechung gewesen waren.
Das übriggebliebene Wasser auf dem Fußboden hatte angefangen zu verdunsten und erzeugte in dem überheizten Laden eine Treibhausatmosphäre, als würden dort tropische Pflanzen gezüchtet. Ich legte meinen Zeigefinger vor die Lippen; dann ging ich nach hinten, wo Helgas Büro lag, und schob die angelehnte Tür auf.
Helga sah sich einen Videofilm mit dem Titel “Schlacht der Galaxien” an. Nach dem Vorspann kam ein schwarzglänzendes Monster mit Scherenzangen und eingebauter Sauerstoffmaske aus den Tiefen des Universum geschossen und versuchte sich eine Gruppe Prinzessinnen einzuverleiben, die in einem defekten Miniraumschiff dahintaumelten.
“Wer von uns ist das Monster?”, fragte ich. Und als Helga auf ihrem schwarzen Patchwork-Lederdrehstuhl herumfuhr: “Ich entführe die Prinzessin, aber ich fresse sie nicht.”
“Wie bitte?” Sie sah mich verständnislos an.
“Sung Nong und ich, wir beide haben uns schrecklich ineinander verknallt.”
“So schnell?”
“Muss Liebe auf den ersten Blick sein”, bestätigte ich. “Ich würde Sum gern mitnehmen.”
“Was heißt mitnehmen?”, fragte Helga. “Dies