Die sieben Masken des Teufels. Eva Siebenherz

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Die sieben Masken des Teufels - Eva Siebenherz

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Im Wismut-Krankenhaus in KMST-Rabenstein. In diesem Krankenhaus hatte ich 1978 Fabian und 1979 Benjamin entbunden. Schwestern und Ärzte kamen und gingen. Verabreichten mir Medikamente und Spritzen. Wortlos. Irgendwann hörte ich auf zu fragen, ich bekam sowieso keine Antworten. Die Tür öffnete sich, doch statt der erwarteten Schwester betraten zwei Uniformierte und zwei Herren in Zivil das Krankenzimmer. Ich wurde aus dem Bett gezerrt und verhaftet. Wegen Prostitution. Sie warfen mir einen Slip und einen Kittel zu. Zitternd wie Espenlaub zog ich mir das über. Meine Handgelenke wurden mit einer Knebelkette vor meinem Bauch gefesselt. Ein Volkspolizist griff danach und zerrte mich wie einen Hund hinter sich her, den Gang entlang. Ich nahm nur am Rande wahr, wie Krankenschwestern und Patienten uns entsetzt auswichen. Vollkommen geschwächt taumelte ich weiter. Konnte mit dem Volkspolizisten nicht mithalten.

      Immer wieder strauchelte ich und fiel hin. Jedes Mal riss er mich mit brutaler Gewalt wieder hoch. Wir betraten einen Hof, am anderen Ende stand eine grüne Minna. Ich hatte keine Schuhe an und der Hof war mit grobem, spitzem Kies ausgelegt, über den man mich darüber jagte.

      Meine Fußsohlen rissen auf und ich hinterließ eine blutige Spur, die niemanden interessierte.

      »Los rein, du Schlampe!« Mit diesen Worten stieß mich der Volkspolizist mit voller Wucht in den Wagen, so dass ich an das Gitter prallte und liegen blieb. Die Tür schloss sich und der Wagen fuhr los. Ein Milchglasfenster versperrte die Sicht nach draußen, aber es ertönten laute Stimmen, Musik und das fröhliche Lachen vieler Menschen. Ich hörte genauer hin.

      Es war der 1. Mai, die DDR feierte den Tag der Arbeit. Ich dachte an den 1. Mai ein Jahr zuvor. Es war ein wunderschöner Tag. Christoph war von der Arbeit freigestellt, aber zur Mai-Demonstration verpflichtet worden. Das war üblich. Wir fuhren mit Fabian und Benjamin in die Stadt zur Straße der Nationen. Schon in der Straßenbahn hatten wir Spaß. Alle Leute hatten gute Laune. Die Sonne strahlte von einem blitzblauen Himmel, von überall her hörte man Musik und der Duft von Frühling lag in der Luft.

      Ich schob den Sportwagen mit Benjamin, und Christoph hatte sich Fabian auf die Schulter gesetzt. Wir reihten uns in die Menschenmenge ein und marschierten einige Stunden mit. Christoph und ich hatten schon länger Probleme miteinander. Harmlos ausgedrückt. An diesem 1. Mai war er wie ausgewechselt. Fröhlich. Großzügig.

      Wir kamen beim Konsum-Warenhaus am Fritz-Heckert-Platz vorbei.

      Vor dem Kaufhaus hatte sich eine lange Menschenschlange gebildet.

      Das bedeutete, dass etwas angeboten wurde, das es sonst nicht oder nur selten zu kaufen gab. Man wusste zwar nicht, was, aber es hieß auch, dass man die Gelegenheit nutzen sollte. Wir stellten uns mit an und hatten Glück. Es wurden schöne dick gefütterte Winteranoraks für Kinder in allen möglichen Farben verkauft. Sie waren zwar recht teuer, wir kauften trotzdem zwei für Benjamin und Fabian. Anschließend ging Christoph noch mit uns in die Milchbar und spendierte uns ein Eis. Abrupt wurde ich aus meinen schönen Erinnerungen gerissen.

      »Raus!« Da ich der Aufforderung nicht sofort nachkam, griff der Volkspolizist wieder nach der Knebelkette und warf mich aus dem Auto auf den Boden eines Innenhofes.

      »Aufstehen! An die Wand, los!«

      Ich rappelte mich mühsam auf und stellte mich mit dem Gesicht zur Wand. Schwere Schritte von Stiefeln ertönten. Ich konnte nicht ausmachen, wie viele Personen das Karree dieses Hofes betraten. Und dann prasselten Fragen auf mich herab.

      »Warum haben Sie das getan? Warum versuchen Sie Ihre Taten einem Genossen anzuhängen? Woher hatten Sie die Medikamente? Wieso sind Sie in die Kaserne gegangen?

      Wie viel Geld haben Sie dafür bekommen? Oder haben Sie etwas ganz Anderes erhalten? Antworten Sie!« Ich hatte die Fragen gehört, nicht alle, aber einen Teil.

      Und ich begriff weder den Inhalt noch um wen oder was es ging. Stundenlang dieselben Fragen und Schläge. Und mir war kalt, ich zitterte am ganzen Körper und klapperte mit den Zähnen. Irgendwann brachten sie mich in eine Zelle und warfen mir eine Decke zu. Das Licht blieb an, ein flackerndes Licht. Ich schlief sofort ein. Minuten später wurde ich geweckt und in einen Verhörraum gebracht.

      Aber die Situation hatte sich geändert. Jetzt waren zwei Herren im Anzug und zwei männliche Aufseher da. Stasi! Das konnte ich förmlich riechen. Ich bekam eine Tasse Kaffee und Gebäck gereicht.

      Erstaunt sah ich Herrn Schmidt (so hatte er sich höflich vorgestellt) an. Er lächelte mich freundlich an. »Liebe Frau Siebenherz, an was können Sie sich als Letztes erinnern?«

      Ich sah ihn an und überlegte angestrengt, aber mein Hirn versagte in diesem Moment komplett. Es war leer, da war nichts. »Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«.

      »Da ist nichts, ich weiß es nicht mehr«, stotterte ich. Schmidt klopfte auf den Tisch und ein Aufseher trat vor und schlug mir die Faust ins Gesicht.

      Die Wucht des Schlages warf mich vom Stuhl. Ohnmächtig blieb ich liegen. Als ich wieder zu mir kam, hatte ich ein Bild vor Augen, dass ich lange nicht mehr loswerden würde.

      Schmidt. Immer wieder hatte ich dieses Gesicht vor mir. Das Antlitz dieses Mannes war schon ein Widerspruch in sich.

      Ich würde ihn auf Anhieb, wenn ich ihm zum ersten Mal begegnet wäre, als den Richard Gere der DDR bezeichnen. Dieser Mann wusste ganz genau, wie er aussah, wie er wirkte, und wusste genau, wie er sich und sein Auftreten einsetzen musste. Und zwar punktgenau. Markante Gesichtszüge, smartes Auftreten, sinnliche Ausstrahlung, laszive Blicke. Seine edel wirkenden Gesichtszüge waren die perfekte Täuschung zu dem, was er tatsächlich war.

      Ein Blick in die stahlblauen Augen war im ersten Moment prickelnd und faszinierend. Das Kalte und Glasklare spürte man erst beim zweiten oder dritten Blick. Aber auch nur dann, wenn er wollte, dass man einen Vorgeschmack erhaschen sollte. In den ersten Stunden gab er dir das Gefühl dich zu entführen. Du sahst nicht mehr die kahlen, grauen Wände des Verhörraums. Er plauderte zwanglos, ließ seine schönen Augen tief in deine sinken.

      Umschmeichelte mit lasziven frivolen Blicken deine Figur. In diesen Momenten wirkte Fremdes irgendwann und irgendwie vertraut, zugleich rückte Vertrautes weit weg. Und irgendwann verkehrte sich dein ganzes Leben ins Gegenteil.

      Was war jetzt fremd und was war vertraut? Diesem Mann trautest du nichts Böses zu, du vergaßest zeitweise, dass er dein Vernehmer war.

      Leise Töne, ausladende Gesten. Baute eine Bindung zu dir auf. Er suggerierte dir Vertrautheit.

      Du solltest vergessen, dass er der Jäger und du die Gejagte bist. Er vermittelte dir, alle Zeit der Welt zu haben.

      Aber das war ein Irrtum, denn der Mann war alles andere als geduldig. Erreichte Schmidt in seiner eigenen Vorgabe nicht sein selbst gestecktes Ziel, änderte er abrupt die Rahmenhandlung.

      Nur die Zuschauer und der Täter blieben dieselben. Schmidt verließ den Raum und ließ dich mit der Gewissheit zurück, ihm alles gesagt zu haben, was er wissen wollte. Ich lehnte mich zurück, atmete tief durch und entspannte mich ein wenig.

      Plötzlich wurde ich hochgehoben und auf einen Stuhl

      gesetzt. Grelles Licht wurde mir ins Gesicht geblendet, sehr nah. Heiß. Ich sah nur dieses gleißende Licht, sonst nichts. Nach ein paar Minuten konnte ich weit entfernt einen dunklen Punkt ausmachen. Er kam näher, wurde größer und größer und nahm die Züge einer unglaublich hässlichen Fratze mit abgrundtief

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