Der Gärtner war der Mörder. Wolfgang Schneider

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Der Gärtner war der Mörder - Wolfgang Schneider

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betraten sie das Gebäude, Mommsen voran, danach die Bahre mit der Leiche, zum Schluss Sedlmeyer und Jutta als Nachhut. Sie marschierten durch einen breiten Gang, bis sie an dessen Ende vor einer breiten Fahrstuhltür zum Stehen kamen. Mommsen holte seine Magnetkarte hervor und entriegelte den Aufzug, dessen Türe sich daraufhin langsam und mit einem leichten Quietschen öffnete. Sie betraten eine großräumige Kabine, die sie in den Keller beförderte. Dort gingen sie einen Gang entlang, bogen um ein paar Ecken, marschierten durch die verschachtelten Eingeweide des Gebäudes und gelangten schließlich zu einer breiten Türe, die Mommsen öffnete. Sie traten ein und fanden sich in einem kühlen, hell erleuchteten Saal mit gekacheltem Fußboden wieder, in den in regelmäßigen Abständen Abflüsse eingelassen waren. Mommsen wartete, bis alle drin waren, dann schloss er die Tür. In der Mitte des Saales waren in einigem Abstand vier Stahltische montiert, jeder davon ausgestattet mit einem Auffangbecken am einen Ende und einem verschiebbaren Tablett auf Schienen, auf dem diverse chirurgische Werkzeuge lagen. Seitlich an jedem der Tische war ein Wasserschlauch angebracht mit einem Brausekopf am Ende. Mommsen ging zu einem Schrank an der Wand, öffnete ihn und entnahm ihm einen grünen Kittel, den er sich überstreifte. Dann zog er ein paar Latexhandschuhe aus einer Vorratspackung und steckte sie sich in die Kitteltasche. Dabei rief er den Männern mit der Bahre über die Schulter zu:

      „Bitte zuerst zur Waage“. Die fuhren daraufhin im Zickzack durch die Obduktionstische zu einer stählernen Platform an der gegenüber liegenden Seite des Saales und hievten den schwarzen Plastiksack darauf. Mommsen kam zu ihnen herüber. Er setzte seine Brille auf, ein rahmenloses Modell mit rechteckigen Gläsern, und holte ein kleines Diktiergerät aus seiner Kitteltasche, an dem eine Schlaufe befestigt war. Er schaltete es ein, was ein paar ratlose Versuche mit den falschen Schaltern und ein Stirnrunzeln erforderte, dann hängte er sich das Diktiergerät mit der angebrachten Schlaufe um den Hals. Er begann, vor sich hin zu sprechen:

      „Leichenschau, Pathologisches Institut der LMU München, Sonntag der 8. Juni 2008, Beginn“ er sah kurz auf seine Armbanduhr, „vierzehn Uhr zweiundfünfzig. Obduzent Prof. Dr. Christian Mommsen. Gewicht des Leichnams bei Einlieferung:“ Er beugte sich zu der Waage hinüber, auf dem der schwarze Plastiksack lag und las ab:

      „58,8 Kilogramm. Außerdem anwesend: die Kriminalkommissare Hemmers und Sedlmeyer.“ Dann stoppte er das Diktiergerät, nahm seine Brille ab, hielt sie an einem Bügel in der rechten Hand, drehte sich zu den Männern vom Leichentransport um und sagte:

      „Bitte auf Tisch eins rüber“. Die wuchteten den schwarzen Sack daraufhin wieder auf ihre Bahre und fuhren zu dem ihnen genannten Obduktionstisch. Dort zogen sie den Reißverschluss des Plastiksacks auf. Sedlmeyer, der mit Jutta in der Nähe des Tisches stand, drehte sich augenblicklich der Magen um; penetrant breitete sich ein unangenehmer, fauliger Geruch aus und nahm ihnen den Atem. Die Männer hatten sich derweil Latexhandschuhe angezogen und hoben den Leichnam mit ausdruckslosen Gesichtern auf den Obduktionstisch. Dann verschlossen sie den Sack. Zwei von ihnen fuhren mit der nun leeren Bahre Richtung Ausgang und warteten dort. Der dritte holte ein Klemmbrett hervor und bat Sedlmeyer und danach Mommsen um eine Unterschrift. Dann verabschiedete auch er sich und ging zur Tür, wo seine Kollegen auf ihn warteten und verließ mit ihnen zusammen den Saal. Mommsen setzte seine Brille auf, schaltete das Diktiergerät wieder auf Aufnahme und begann, die Leiche sorgsam zu betrachten, indem er langsam den Obduktionstisch umrundete. Währenddessen zog er geistesabwesend die Latexhandschuhe aus seiner Kitteltasche, streifte sie sich über und sprach vor sich hin:

      „Vorliegender Leichnam ist weiblich und nach visuellem Erstbefund ca. zwölf bis achtzehn Jahre alt. Deutliche Ausprägung von Waschhaut an den Handinnenflächen deutet auf längeren Aufenthalt in wässriger Umgebung hin. Epidermis teilweise abgelöst, Capilli fehlend, ausgeprägte autolysebedingte Verfärbung der Rumpfhaut. Abdomen stark aufgebläht.“ Dabei betastete er mit einer Hand den gewölbten Bauch der Toten. Dann betrachtete er eine Weile eine Stelle am Oberkörper und fuhr fort:

      „Möglicherweise Bisspuren im Bereich des Sternums und der Carotis, postmortal, offenbar tierischen Ursprungs. Interessant...“ Er beugte sich tiefer und betastete aufmerksam den Bereich um die Halsschlagader. Sedlmeyer wagte einen vorsichtigen Blick. Mommsen fuhr fort:

      „Druckhämatome im Bereich des fünften Halswirbels, vermutlich prämortalen Ursprungs.“ Er richtete sich auf, stoppte sein Diktiergerät und sah Sedlmeyer an. Der machte ein fragendes Gesicht, hob die Schultern, schaute erst Jutta und dann wieder Mommsen an.

      „Was bedeutet das genau?“ wollte er wissen.

      „Es sieht so aus, als ob vor dem Tod lokal begrenzte Gewalteinwirkung im Bereich des Halses stattgefunden hätte.“ Sedlmeyer sah genauer hin, konnte allerdings auf der grünschwarz verfärbten Haut nichts spezielles erkennen.

      „Das heißt...“ Er überlegte einen Moment, „Könnte das heißen, sie ist erwürgt worden?“

      „Das kann ich jetzt noch nicht beurteilen. Für die genaue Todesursache müssten Sie bitte meinen Abschlussbericht abwarten.“ Sedlmeyer's Aufmerksamkeit war sprunghaft angestiegen. Das war der erste brauchbare Hinweis in seinem neuen Fall. Er deutete auf die Tote.

      „Können Sie irgendwas zu den Verletzungen sagen, die nicht von den Fischen stammen?“ Mommsen schaltete das Diktiergerät wieder ein, dann machte er sich am Brustkorb der Leiche zu schaffen. Eine Weile betastet er die Haut, dann nahm er eines der silbern glänzenden Instrumente zur Hand, die auf dem verschiebbaren Tablett am Ende des Obduktionstisches lagen und begann, damit einen ca. zwei Zentimeter langen Riss in der verfärbten Haut zu untersuchen. Dann legte er das Instrument zurück und fuhr fort, zu diktieren:

      „Mehrere transfaziale Inzisionen, anterior im Brustbereich und an den Oberarmen, Länge im Zentimeterbereich, geringe Ausfransung. Beginnender Wundverschluss deutet auf prämortale Applikation hin.“ Sedlmeyers Neugier gewann endgültig die Oberhand über sein mulmiges Gefühl und er setzte an zu fragen:

      „Was...“ Mommsen hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen. Dann nahm er eine Pinzette zur Hand und holte damit ein winziges Stückchen aus dem Einschnitt, den er gerade untersucht hatte, legte es in eine ovale Metallschale und schaltete sein Diktiergerät aus. Sedlmeyer sah ihn verblüfft an. Mommsen nahm seine Brille ab und begann zu erklären:

      „Diese Verletzungen sind definitiv menschlichen Ursprungs. Sie müssen von einem sehr scharfen Gegenstand verursacht worden sein, wahrscheinlich von einem Skalpell. Und sie sind mit hoher Wahrscheinlichkeit prämortal.“ Sedlmeyer war elektrisiert. Der zweite brauchbare Hinweis. Sosehr er Mommsen auch manchmal an die Wand klatschen konnte, der Mann war gut.

      „Was ist das, was Sie da eben rausgeholt haben?“ fragte Jutta.

      „Ein noch unbestimmter Fremdkörper. Der Laborbericht wird Ihnen Aufschluss über die Beschaffenheit geben.“

      „Kann das Ding zufällig in die Wunde gelangt sein? Also, ich meine, als die Leiche bereits im Wasser lag?“ wollte Sedlmeyer wissen.

      „Kaum. Der Fremdkörper befand sich subfaszial in den oberen Fettgewebeschichten. Ein zufälliges Eindringen von außen ist sehr unwahrscheinlich. Es ist im Gegenteil anzunehmen, dass er manuell dort hin verbracht wurde.“ Jutta schickte ihm einen kecken Augenaufschlag und fragte:

      „Prämortal?“ Sedlmeyer's sah sie mit offenem Mund an. Sein Gesichtsausdruck entspannte sich und ließ die Andeutung eines Lächelns erkennen. Diesen Fachausdruck für 'vor dem Tod' hatten sie nun schon zum dritten Mal in den letzten paar Minuten gehört und er war amüsiert darüber, wie Jutta sich erdreistete, Mommsen mit seiner eigenen Terminologie zu Leibe zu rücken. Der setzte seine Brille wieder auf, verzog keine Miene und antwortete:

      „Das ist schwer zu sagen. Dazu müssen wir den Laborbericht abwarten. Wir werden einen histologischen Befund

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