Preis des aufrechten Gangs. Prodosh Aich
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Die ersten Tage in Jaipur sind ausgefüllt mit unserer Orientierung innerhalb und außerhalb des Campus, mit Begegnungen mit den „Deans of the Faculty“, mit dem Vice Chancellor und ähnlichem. Der Vice Chancellor heißt uns willkommen und sichert uns zu, daß wir bei der ersten sich bietenden Möglichkeit eine Wohnung oder ein Haus zugewiesen bekommen werden. Er, M. V. Mathur, ist seit dem 4. Januar 1966 im Amt. Als Universitätslehrer ohne einen Forschungsgrad, also ohne Promotion, war er „Head of the Department of Economics“ in der Universität Rajasthan und als Mitglied der „Education Commission“ der indischen Regierung wird Mathur zum Nachfolger von Dr. Mohan Sinha Metha ernannt.
Unnithan möchte uns auch dem ausgeschiedenen Vice Chancellor, Mohan Sinha Metha, vorstellen, weil Metha die Einladung an mich auf den Weg gebracht hatte, eine Prozedur, die in den Statuten der Universität nicht vorgesehen ist. Aber Metha sei eine sehr dynamische Persönlichkeit gewesen. Eigentlich habe die Universität – gegründet nach der Unabhängigkeit Indiens am 15. August 1947 – vor Methas Zeit fast nur auf dem Papier bestanden. Der Campus ist sein Werk. Alles, was wir heute sehen, ist während seiner 6jährigen Amtszeit entstanden. Metha hätte sich für mich eingesetzt in der Hoffnung, daß ich der Universität Rajasthan eventuell länger erhalten bleiben könnte.
Mohan Sinha Metha hatte vor seiner Ernennung zum Vice Chancellor der Universität wenig mit Universitäten zu tun. Er war nicht, wie sein Nachfolger Mathur, Universitätsprofessor, nein, er war Botschafter Indiens in den Niederlanden, ein Diplomat und promovierter Jurist (Ph. D., Bar-at-Law). Vor der Unabhängigkeit war Metha Minister in einem „Princely State“.
Das weitaus größte Gebiet in Britisch–Indien vor 1947 wurde von der britischen Krone direkt verwaltet, durch einen Vizekönig. Daneben existierten die „Princely States“, Fürsten– bzw. Königtümer, ca. 680 an der Zahl, die auf Papier Autonomie genossen. Diese Fürsten bzw. Könige hatten für die britische Krone Verdienste erworben. Nicht immer waren sie Nachfahren tradierter Herrscherhäuser. Die Kolonialverwaltung pflegte auch besondere Verdienste durch solche Benennungen zu belohnen. Jenes Gesetz im britischen Parlament, das die Kolonisation Indiens beenden sollte, sah eine Teilung des Landes ebenso vor wie die Unabhängigkeit dieser „Princely States“, obwohl die meisten von ihnen weder wirtschaftlich noch politisch lebensfähig gewesen wären. Das Gesetz sah deshalb auch vor, daß alle diese „Staaten“ die Option hatten, sich Indien oder Pakistan anzuschließen. Das Gesetz legte keinerlei Kriterien für die Option fest. Allerdings hatte das Volk keine Option, sondern nur die Herrscher dieser Staaten.
Nach der Unabhängigkeit ging die Eingliederung nach den jeweils erfolgten Optionen der „Princely States" reibungslos vonstatten. Abgesehen von zwei „States". Der Nizam von Hydrabad, ein muslimischer Herrscher im Süden Indiens, wollte für das ferne muslimische Pakistan optieren. Indien widersetzte sich dieser Intention des Nizams, entmachtete ihn und gliederte den „Staat“ in die „indische Union“ ein. Der hinduistische Maharaja von Kaschmir optierte für Indien, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung Muslime sind. Nach dem Text des Gesetzes war das in Ordnung. Aber nicht nach dem Gesetz der Macht. Pakistan mischte sich ein und besetzte einen Teil dieses „Staates“ mit der Begründung, daß das Teilungsprinzip Britisch–Indiens die Religion gewesen sei. Deshalb dürfte der hinduistische Maharaja von Kaschmir die mehrheitlich muslimische Bevölkerung nicht zu Indien führen. Damit war jene Saat des britischen Gesetzes aufgegangen, die von vielen Briten so charakterisiert wurde: „Wir gehen, um zu bleiben.“ Wegen Kaschmir haben diese beiden Nachfolgestaaten bereits drei Kriege geführt. Diese hörten jeweils dann auf, nachdem die meist importierten Waffensysteme auf beiden Seiten verbraucht waren. Kein schlechtes Geschäft für die waffenexportierenden Länder.
Der heutige Bundesstaat Rajasthan ist ein Zusammenschluß von zahlreichen „Princely States“ der Rajputs, eines stolzen Kriegervolkes. Einem dieser Staaten im Nordwesten, Udaipur, nah an der pakistanischen Grenze, hatte Metha gedient. Nach der Unabhängigkeit betätigte sich Metha mit Erfolg als Politiker und ging dann zum diplomatischen Dienst. Bereits vor seiner Pensionierung als Botschafter in Den Haag hatte er die Ernennung zum Vice Chancellor der Universität Rajasthan in der Tasche. Im Januar 1960 trat er das Amt an. Für drei Jahre. Seine Amtszeit wurde für weitere drei Jahre, die maximale Zeit, verlängert. Er hatte sich für das Erziehungswesen in Rajasthan einen Namen gemacht.
Metha hat leichtes Fieber als wir ihn in Begleitung des Head of the Department der Zoologie und der beiden Unnithans besuchen. Metha begrüßt uns freundlich und führt eine Konversation, die nicht nur seine Bildung, sondern auch seine Souveränität in Erziehungsfragen zum Ausdruck bringt. Anders als bei seinem Nachfolger im Amt. Uns gefällt die devote Art der anderen beiden Herren nicht. Gerda Unnithan, wie schon erwähnt, eine Niederländerin und an der Universität zuständig für studentische Fragen, verhält sich nicht devot, sondern eher vertraut. So bewegte sie sich auch in der Wohnung von Metha. Abends besucht Gerda Unnithan meine Frau und lädt sie zu einem Spaziergang ein. Eher beiläufig erzählt sie meiner Frau, daß sie, meine Frau, auf dem Campus viel Gerede über sie, Gerda Unnithan, und Metha hören werde. Deshalb zieht sie es vor, meine Frau selbst zu informieren, daß Metha und sie miteinander ein vertrautes Verhältnis haben. Sie hat Metha bereits in den Niederlanden gekannt.
Unnithans laden uns zum „Dinner“ ein. Sie bewohnen einen Bungalow auf dem Campus. Sie haben eine kleine, gerade schulpflichtig gewordene Tochter. Ein weiteres Ehepaar kommt zum „Dinner“. Ein sehr junges Ehepaar aus Deutschland. Jansen heißen sie. Er unterrichtet Deutsch an der Universität. Von der Universität wird eine Wohnung auf dem Campus zur Verfügung gestellt. Sein Gehalt kommt ganz vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Warum? Wie soll man sonst auswärtige Kulturpolitik zur Absicherung der wirtschaftlichen Interessen betreiben? Diese „Kulturbotschafter“ kommen in Kreise hinein, die Botschaftsangehörigen oder Auslandskorrespondenten verschlossen sind. Schließlich: Information ist Macht. Und Machtabsicherung geht leider nicht zum Nulltarif. Nur die Steuerzahler dürfen den Zusammenhang nicht erkennen. Für sie heißt das Ganze „Entwicklungshilfe“.
Frau Jansen hat keine offizielle Funktion. Ehepaar Jansen hat einen VW–Käfer als Ausstattung bekommen. Sie fährt den Wagen viel herum und macht sich nützlich für die Leute auf dem Campus, die wichtig sind. Gleich an diesem Abend übermitteln die Jansens uns eine Einladung von einem „Nawab“, einem muslimischen „Prince“, der großes Interesse für deutsch–indische Begegnungen hat und uns gern kennenlernen möchte. Was sollen wir gegen diese Einladung haben? Wir besuchen den Nawab. Sein Domizil ist ein ansehnlicher Palast. Wie alle die ehemaligen „Princes“ besitzt auch er zwar keine Ländereien mehr, aber doch das Privileg einer konvertierbaren „Schatulle“, die auch die zollfreie Einfuhr europäischer Spirituosen ermöglicht. Das Ehepaar Jansen partizipiert an diesem Privileg. An Whisky. Dies ist der Preis für die Begegnungen mit diesem Nawab, der ansonsten eher langweilig ist. Wir sind schockiert. Kulturschock? Nein. Wir sind nicht ein weiteres Mal seiner Einladung gefolgt.
Ein unerwarteter Vorgang nimmt in den nächsten Tagen die meiste Zeit in Anspruch. Unnithan erzählt mir eine durchaus glaubhafte Geschichte. Als „Chairman“