New York City and Me. Cornelia Gräf

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New York City and Me - Cornelia Gräf

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      Aufgrund dieser Erfahrungen verwerfe ich meinen Plan, heute weitere Pendel-Routen zum Deutschen Haus auszuprobieren. Deshalb verpasse ich auch, wie ich SpiegelOnline entnehme, Herrn Westerwelle. Wat’n Pech aber auch.

      Stattdessen möchte ich in zwei Second-Hand-Läden, die in der Nähe sind, gehen und mal stöbern und dann schauen, was der Tag so bringt. Doch während ich unterwegs bin, merke ich: Heute heißt es auch für mich rien ne va plus. Mir ist schwindlig, mir ist übel, ich fühle mich zittrig. Ich laufe zurück und hole mir bei Gotham Pizza zwei slices (Bewertung: Setzen, sechs. Naja, okay. vier minus). Vielleicht habe ich ja nur Hunger. Doch während ich die Pizzastücke in meinem Apartment verspeise, merke ich, wie es mir immer mieser geht. Und dann packt es mich auf einmal, ganz unvermittelt. Das Heimweh. Mein Herz rast, mein Blutdruck sackt gleichzeitig in den Keller. Ich bekomme erst recht Angstzustände. Und warum juckt eigentlich meine Haut ständig so? Habe ich etwa eine Allergie gegen das Chlorwasser? Der Hypochonder in mir läuft zu Höchstform auf. Ich krieche ins Bett, obwohl es erst Mittag ist. Und dann kullern sie, die Tränen. Ich fühle mich einsam. Sehne mich nach Freunden und Familie, trauere um einen geliebten Menschen – meine Oma –, von der der Abschied vergangene Woche, wie ich nun weiß, für immer war. Dies hatte sich bei meinem Abflug schon deutlich abgezeichnet. Wenn aus der Erwartung jedoch traurige Gewissheit wird, ist dies immer schwer. Ich sehne mich nach einer tröstenden Umarmung durch eine vertraute Person, die auch durch noch so mitfühlende Worte per WhatsApp oder Facebook nicht ersetzt werden kann. Am liebsten würde ich sofort meine Koffer packen und abhauen, raus aus dem Apartment mit den nicht funktionierenden Fenstern, dem kaputten CD-Player, dem ständig von der Wand fallenden Handtuchhalter, in dem ich mich auch nach einer Woche noch nicht richtig heimisch fühle, hin zum Flughafen und zurück nach Hause. Sorry, war alles ein Irrtum.

      Doch das geht nicht. Und ich weiß, dass es nicht geht. Das macht es in diesem Moment allerdings nicht besser. Ich versuche, mich zu beruhigen, bleibe liegen, lese ein bisschen, was in der Welt so vor sich geht. Gegen Abend zwinge ich mich, aufzustehen und wenigstens noch ein bisschen über die High Line und zum Chelsea Market zu spazieren. Ich gehe in die Geschäfte, die ich sonst immer so geliebt habe: Chelsea Market Basket und Posman Books. Bei beiden gibt es schöne New-York-Souvenirs. Doch so begeistert ich früher bei all diesen Dingen zugriff, heute spüre ich, wie ich einen dicken Kloß im Hals bekomme. Es war immer meine Traumstadt, immer mein Traum, auch die letzten Tage habe ich wieder so viel Schönes erlebt und gesehen und jetzt das. Jetzt überfordert es mich, macht es mir Angst. Ist es das, was Baz Luhrman in seinem Song „Wear Sunscreen” meint, wenn er sagt „Live in New York City once, but leave before it makes you hard”? Mittlerweile ist es dunkel geworden, ich laufe über die High Line zurück. Das Empire State Building funkelt hell erleuchtet im Abendhimmel. Ich versuche, mich daran zu erfreuen und hoffe darauf, dass meine Welt morgen wieder freundlicher aussieht.

      It’s a new dawn, it’s a new day, it’s a new life

      Ich hatte erst überlegt, ob ich auch über die traurigen Seiten schreiben soll, aber ja, es soll ja eine authentische Erzählung werden und da gibt es leider nicht nur Sonnenschein.

      Ich ging ins Bett und versuchte einfach zu schlafen und auf den nächsten Morgen zu hoffen. Klappte zunächst auch gut, bis mir plötzlich gleisend helles Licht ins Gesicht leuchtete. Ich schreckte hoch. Wie spät ist denn? Was ist denn los? Es war halb zwölf und vor meinem Fenster leuchteten zwei Gestalten mit Taschenlampen das Haus ab und in meine Fenster rein. In Gedanken schrieb ich rasch mein Testament. Aber glücklicherweise gingen sie dann doch wieder weiter und ich bettete mich wieder.

      Als ich am Morgen erwache, fühle ich mich ein ganz klein wenig besser. Ich stehe auf und mache mich fertig. Da klopft es an der Türe: „Hi, it’s Eddie.” Mein Hausmanager. Der exterminator sei da und wolle kurz in die Wohnung. Ich habe keine Ahnung was ein exterminator ist, es klingt furchteinflößend, aber Eddie lächelt zuversichtlich und ich bin eh noch zu KO, also was soll’s. Her mit dem exterminator. Dann kommt ein leicht korpulenter Mann mit Helm und einem Pestizid-Kanister auf dem Rücken. Ob es hier drin irgendein spezielles Problem gebe, fragt er. Ich schüttele wage den Kopf. Ob ich etwas gesehen hätte. Da ich nicht genau weiß, in welcher Größenkategorie ich etwas hätte sehen sollen – Ameisen? Die in New York allseits gefürchteten Bedbugs? Kakerlaken? Mäuse? Ratten? Hunde? Elefanten? – sage ich einfach „Nein, habe nix gesehen“. Aha, dann bekäme ich bzw. mein Apartment ein basic treatment. Er geht im Zimmer umher und sprüht – was auch immer gegen wen auch immer – in die Ecken. Nach einer Minute meint er, ich sei jetzt wieder all set. Ich bedanke mich herzlich – wofür auch immer – und mache mich auf den Weg. Frühstücken.

      Mein teures Whole-Foods-Brot durfte ich gestern nämlich verschimmelt entsorgen und auf Nutella pur löffeln habe ich dann doch nicht so Lust. Also gehe ich zur Koffeecake Corner zwei Straßen weiter, bestelle einen white chocolate blueberry granola muffin und einen Tee und setze mich in die Sonne ans Fenster. Ich versuche die Wärme zu genießen und mir zu sagen, dass heute doch alles schon wieder viel besser ist. It’s a new dawn, it’s a new day, it’s a new life and I’m feeeeling good. Fehler. Denn je mehr ich versuche, so zu tun, als ob alles wieder Friede, Freude, Eierkuchen ist, desto mehr merke ich, wie der Kloß im Hals wieder dicker wird. Der Muffin schmeckt immerhin wirklich gut. Den Tee würde ich auch gerne probieren. Er ist leider kochend heiß. Ich überlege mir kurz, ob ich ihn mir über die Hose kippen soll, um dann den coffee shop auf Schmerzensgeld in Millionenhöhe zu verklagen, damit ich mir endlich ein townhouse im Village leisten kann. Aber ich warte dann doch ein bisschen. Als er trinkbar ist, schütte ich ihn herunter. Jetzt ist mir schlecht.

      Ich beschließe, trotzdem die 8th Avenue weiter gen Süden ins West Village zu laufen. Schauen, welche Häuser mir jetzt mangels Millionenschmerzensgeld entgehen, aber auch ein paar kleine Lädchen, die ich besuchen möchte, stehen auf meiner Liste. Also los. Ich ignoriere den Schwindel. Ich ignoriere die Übelkeit und laufe einfach ein bisschen schneller. Dann bin ich beim ersten Geschäft angelangt, dem House of Cards & Curiosities. Bis auf „House” trifft es der Name ganz gut. Das „House ist nämlich nur ein winziger Raum, vollgestopft bis in die kleinste Ritze mit eben jenem: Karten und Kuriositäten. Neben ganz gewöhnlichen Geburtstagskarten findet man ein buntes Sammelsurium: Scherzartikel, Fossilien, Heiligenfigürchen, Magneten, Notizbücher, Geschenkpapier, Schmuck, oben auf einem Regal thront ein ausgestopfter Dachs. Ich öffne die Ladentür und von rechts hinter einer Wand, an der ebensolche Devotionalien aufgereiht sind, ertönt ein fröhliches „Good Moooorning!” Erschlagen von dem Durcheinander, obwohl ich den Laden ja schon kannte und wusste, was mich in etwa erwartet, antworte ich halbfröhlich „Hiiii.” zurück. Aber die Ladenbesitzerin ist eh beschäftigt. Sitzt auf einem Stühlchen hinter dem, was die Kasse sein soll, mit Lockenwicklern im Haar und föhnt sich. Ich stöbere ein bisschen vor mich hin, aber irgendwie… Nein, so richtig in Stöberstimmung bin ich nicht, merke ich, verdränge es, gehe einfach raus und in den nächsten Laden.

      Left Bank Books, ein kleiner Buchladen, der sich auf Erstausgaben und andere besondere antiquarische Bücher spezialisiert hat. Ich gehe hinein, der Ladenbesitzer – Typ Woody Allen gemischt mit Christo – lächelt mich kurz an und widmet sich wieder irgendeinem kleinen elektronischen Gerät in seiner Hand und starrt dabei zum Fenster raus. Okay, schau ich mich mal um. Wobei das gar nicht einfach ist. Der gute Herr hat die meisten seiner Preziosen in Schränken weggesperrt, an die er Zettel mit „Please ask for assistance” gehängt hat. Manches steht aber auch offen in Regalen. Fiction, Theater, Philosphy. Ein weiteres Regal ist mit „Fashion, Sex, Death” beschriftet. Tja, für manch einen New Yorker dürfte das das Leben beschrieben in drei Worten sein.

      Ich verlasse den Buchladen, laufe weiter. Mir ist immer noch übel bis zum Gehtnichtmehr. Was schade ist, denn ich komme nun an der Chocolate Bar vorbei, wo es nicht nur Schoki, sondern vor allem fantastischen hausgemachten Eistee (Schwarztee mit Kokosaroma!) gibt. Und auch

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