New York City and Me. Cornelia Gräf
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Schließlich begebe ich mich in einen der von mir sonst so geliebten Mini-Parks. Ein paar Bänke, ein paar Bäume, ein paar Blumen und eine Statue. Ich setze mich in die Sonne. Und dann geht es wieder los. Dicke Tränen kullern. Ich kann überhaupt nichts dagegen tun. In Deutschland wäre es mir unangenehm, aber hier in New York kann man ein rosa Meerschweinen, das Elvis-Songs interpretiert auf der Schulter sitzen haben und die Leute schauen nicht. Also kann man auch in Ruhe im Park sitzen und heulen. Ich habe das Gefühl, dass ich auf einmal von meinen Gefühlen übermannt werde, alles hochkommt. Die Trauer, die emotionale Erschöpfung von vielem, was ich in den letzten Wochen stemmen musste. Anfangs denke ich – wie auch schon gestern: „Verdammt, du bist da, wo du immer hinwolltest, du lebst deinen Traum, du wirst von vielen beneidet, freu dich gefälligst! Sei glücklich, sei begeistert von den Parks, von den verrückten Typen, von New York, von all dem, von dem du immer begeistert warst.“ Aber ich kann es nicht. Ich kann mich nicht freuen, ich kann mich nicht begeistern. Doch während mein Kragen immer tränengetränkter wird, erkenne ich schließlich: Das Problem ist nicht New York. Das Problem bin auch nicht ich. Ich habe in letzter Zeit einige familiäre Ausnahmesituationen meistern müssen, ich bin allein in die weite Welt gezogen, ich habe meine geliebte Großmutter verloren. Mein Herz und meine Seele trauern, ich trauere. Das muss ich nun zulassen, egal ob ich zu Hause im eigenen Garten sitze oder in der Megastadt New York. Ich darf mich nicht zwingen und krampfhaft ablenken wollen. Wenn es mir danach ist, schön. Wenn nicht, darf ich auch einfach einen Tag im Bett liegen und weinen bis hoffentlich in ein paar Tagen die letzte Träne getrocknet ist. Denn ich muss ja nicht hetzen, mein Rückflug geht ja erst nächstes Frühjahr. Und das ist gut so.
Von der Hölle ins Paradies
Dies gilt leider noch nicht für meinen Gemütszustand, dafür war dies das Motto vom Donnerstag. Doch der Reihe nach.
Als ich am Morgen erwache, fühle ich mich gerädert. Der Hals kratzt. Der Kopf dröhnt. Und auch so, nein fit bin ich wohl immer noch nicht. Ich gestatte mir, noch ein Weilchen in der Koje zu bleiben. Doch dann muss ich raus, denn an diesem Tag habe ich eine Verabredung. Eine Verabredung mit dem one and only Garry Zafrani. Garry, Vollblut-New-Yorker mit italienischen und syrischen Wurzeln und in sechster Ehe verheiratet, lernte ich bei meinem letzten Urlaub hier im Mai kennen. Nach einem Berufsleben als Concierge fand er seine wahre Berufung in Stadtführungen der besonderen Art. Durch Zufall war ich in einem Reiseforum auf einen begeisterten Bericht über Manhattan Walking Tour gestoßen und buchte die „Times Square/Greenwich Village Food Combo Tour“. Das tolle an den Touren: Die Gruppen sind nie größer als acht Personen, denn man soll immer das Gefühl haben, man sei einfach mit ein paar Freunden unterwegs. Nun sind Garrys Touren nichts für Schnäppchenjäger, aber schon nach einer halben Stunde der ersten Tour war uns klar: Das hat sich gelohnt! Am Ende der Tour meinte Garry, wir und das deutsche Paar, das noch in unserer Gruppe dabei war, seien ja so nett und so toll und wie lange wir noch in der Stadt seien und ob wir nicht am folgenden Samstag mit ihm noch die „Chinatown-Food/Historic-Downtown-Tour“ machen wollten. Tja, und da saßen wir am Washington Square, wedelten mit den Kreditkarten und riefen: „Jaaa, klaaaar!” Der gute Mann versteht sein Geschäft. Doch auch die Tour am Samstag war wieder großartig und wir blieben auch danach noch sporadisch mit Garry in Mail-Kontakt. Auch wenn uns natürlich klar war, dass sein „Now you have a friend in New York City”-Mantra Teil des Geschäfts ist. Aber man weiß ja nie…
Nun hatte ich mich also vor ein paar Tagen bei ihm gemeldet, um ihm zu sagen, dass ich – wie angekündigt – hier bin und gerne seine „Hell’s Kitchen Food Tour & Central Park Tour“ erleben würde. Wir machten den Donnerstag aus. Also quäle ich mich aus dem Haus. Mir geht es elend, aber ich hoffe auf ein bisschen Ablenkung. Wir treffen uns im L’Ybane in der 8th Avenue, einem kleinen französischen Restaurant. Und da sitzt er schon – großes Hallo! Wie es mir denn ginge und toll, dass ich wieder da sei – das Übliche. Mit am Tisch sitzt ein Pärchen mittleren Alters aus Kalifornien, das mir gleich auf Anhieb sympathisch ist. Das wird also unser Grüppchen für heute. Sehr schön. Da die Hell’s-Kitchen-Tour eine food tour ist, hat Garry bereits geordert und gleich erscheinen Fladenbrot, Babaganoush und ein mediterraner Misch-Masch aus Kartoffeln, Paprika, Zwiebeln, überbacken mit Mozzarella. Es schmeckt köstlich, leider muss ich mich aber zwingen, zu essen, denn mir ist so elend. Was los sei, will Garry wissen. Ich vertraue mich ihm an, was zurzeit los ist und wecke wohl seinen Beschützerinstinkt. Als ich kurz mal ins bathroom gehe, höre ich es hinter mir tönen: „Oooh she is such a sweet girl, poor girl.” Ja richtig erkannt, denke ich und bemitleide mich gleich selbst noch ein bisschen. Danach brechen wir auf und gehen auf kulinarische Entdeckungsreise durch Hell’s Kitchen: Südstaaten-hush-puppies, was genau das frittierte Zeug da ist und was für ein Dip dazu gereicht wird, weiß ich bis jetzt nicht, aber es schmeckt hervorragend! Als nächstes gibt es Tex-Mex-empanadas. Zwischendurch für mich Naschkatze ein Mega-Dessert: Ein aufgeschnittener Donut, „belegt” mit drei Kugeln Eis (Belgische Schokolade, Pekannuss, red velvet), die obere Donuthälfte in flüssige Schokolade getaucht und auf das Eis gelegt und – es fehlt ja doch noch ein bisschen die Süße – Mini-M&Ms drüber. Uffz, Zuckerschock, auch wenn wir uns das Ding natürlich teilen und die Hälfte – leider – wegwerfen. Aber es stehen ja auch noch asiatische dumplings auf dem Speiseplan und ein bisschen frischer hausgemachter Schoko-Karamell-fudge. Und nach und nach geht es mir immerhin ein bisschen besser. Mir ist zwar immer noch schwindelig, aber immerhin habe ich meinen Appetit wieder gefunden.
So futtern wir uns durch Hell’s Kitchen. Garry drückt mir von diesem und jenem Restaurant noch die Mitnahme-Menükarten in die Hand – denn ich wohne ja jetzt hier und die Läden solle ich mir unbedingt merken. Zwischen den süßen und deftigen Happen gibt es Interessantes und Kurioses zum Stadtviertel, das auf manchen Karten „Clinton” heißt, sodass man dann auf der Karte „Chelsea Clinton“ lesen kann. Doch der Name hat weder etwas mit der ehemaligen First Daughter noch mit Billy Boy selber zu tun, sondern geht auf DeWitt-Clinton zurück, der für das berühmte Manhattaner Straßenraster – the grid – verantwortlich zeichnet. Aber für die Einheimischen ist dieses Viertel „Hell’s Kitchen” und soll auch „Hell’s Kitchen” bleiben. Während wir die 8th und 9th Avenue entlanglaufen, stelle ich fest, dass ich hier tatsächlich das erste Mal vorbei komme. Ein faszinierendes Viertel, voller Restaurants und alter, kleiner, fast ärmlich anmutender, Häuser, hinter denen skyscraper aus Glas in die Höhe schießen.
Wir schlendern weiter zum Central Park. Auch hier gibt es für mich beim siebten Besuch noch die eine oder andere neue Info, die man sich natürlich auch einfach anlesen könnte, aber so ist es dann doch schöner. Wir laufen wieder die Mall entlang, zur Bethesda Fountain – also angeblich sind es 400 Filme, in denen sie als Motiv auftaucht – und weiter zum noblen Boathouse. Garry ermutigt uns, ganz kurz hinein zuschleichen, um den Blick auf den See zu erhaschen, wie ihn die feine Gesellschaft, die dort zu leiser Pianomusik diniert, genießen kann. Einfach nur traumhaft kitschig schön! Wir setzen unsere Tour fort durch the Ramble mit seinen verschlungenen Wegen bis wir zu Belvedere Castle kommen. Jedem Europäer entlockt diese Spielzeugritterburg im Riesenformat ein mitleidiges Lächeln und man fühlt sich für einen Moment nach Disneyland versetzt. Aber okay, die Amis haben halt keine eigenen Burgen. Da muss man ein bisschen nachsichtig sein, dass die das ganz toll finden.
Hier endet die Tour und eigentlich wollte ich nun zum Metropolitan Museum of Art. Nein, keine Bilder kucken, Bilder kaufen. Als ich nämlich morgens so in meinem Bett lag und meinen Blick im Zimmer umherschweifen ließ, dachte ich, dass es meiner Seele sicher nicht schaden würde, wenn ich versuchte, aus dieser Unterkunft ein bisschen ein Zuhause zu machen, ein bisschen Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, denn die ist mit den kahlen weißen Wänden nun wirklich nicht gegeben. (Wo ist Tine Wittler, wenn man sie braucht?!) Doch womit schmücke ich die Wände? Bilder aus der Heimat? Könnte gerade nur das Heimweh verstärken. Bilder aus New York? Hab ich ja auch gerade ein kleines Problem damit. Also irgendetwas Neutrales. Kunst! Und der Online-Shop des Met ist diesbezüglich ganz vielversprechend.