Das Süßwasserplankton. Otto Zacharias
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Süßwasserplankton - Otto Zacharias страница 2
Plön, Biologische Station, 1911
Prof. Dr. Otto Zacharias.
I. Begriff und Gegenstand der Hydrobiologie
Im Verlaufe von reichlich zwei Jahrzehnten ist ein Forschungszweig allmählich zur Blüte gediehen, der sich mit dem Leben in unseren Gewässern beschäftigt, insofern dieses eine reiche Fülle von merkwürdigen Tier- und Pflanzenwesen umfaßt. Eine lange Zeit hindurch hatte man diesen naheliegenden Gegenstand der Beobachtung und des Studiums ziemlich unbeachtet gelassen, weil es so schien, als sei es gar nicht erst der Mühe wert, ebensoviel Fleiß und ein gleiches Maß an intellektueller Anstrengung auf die nähere Erforschung der Organismenwelt unserer einheimischen Wasserlachen und Binnenseen zu verwenden, wie man seit langem schon dem imponierenden Meere und seinem staunenswerten Lebensreichtume zu widmen gewohnt war. Es bestätigte sich hierbei die alte Erfahrung, daß über das Fernerliegende, aber in die Augen springende, das bescheidener sich gebende und in der Nähe Befindliche leicht der Vernachlässigung anheimfällt. Glänzende Forschungsexpeditionen hatten uns mit den lebendigen Schätzen der Salzflut bekannt gemacht; in den Laboratorien der Zoologen und Botaniker schwelgte man in der Bewunderung der aufgefischten Objekte, welche auch das volle Interesse ganzer Generationen von Naturforschern in Anspruch zu nehmen geeignet waren. Nichts ist unter derartigen Umständen begreiflicher, als daß außer den Aquariumsliebhabern und vielleicht Leuten, die aus der Schule des trefflichen Roßmäßler hervorgegangen waren, eigentlich niemand daran dachte, sich eingehender mit dem Süßwasser zu befassen, um zu erkunden, was dieses wohl bei gründlicherer Durchforschung zutage fördern würde. Das Hauptinteresse der wenigen Wissenschaftler, welche etwa die heimischen Teiche und Seebecken zu ihrer Studien-Domäne machten, konzentrierte sich vornehmlich auf die Fische und die größeren Vertreter der Insektenwelt, so daß gelegentlich einige neue Wasserkäfer, Köcherfliegen, Mücken und Libellen zur Auffindung gelangten. Von derartigen Ergebnissen nahm aber außerhalb des Kreises der Fachgenossen kaum jemand weiter Notiz. Algenforscher mochten dann und wann wohl eine größere Anzahl neuer Formen in der mikroskopischen Wasserflora entdecken, aber es kam weder zu weiteren Ausblicken noch zur Aufstellung umfassenderer Gestzmäßigkeiten, durch welche die gesammelten Gelegenheitsfunde ein allgemeines und wissenschaftliches Interesse gewonnen hätten.
Da machten in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts skandinavische Naturforscher die wichtige Wahrnehmung, daß es in den großen Landseen Schwedens und Norwegens eine hauptsächlich aus freischwebenden Krebstieren bestehende Tierwelt gebe, deren Vertreter, obgleich nur von geringer Größe, so massenhaft vorhanden waren, daß ihre Menge in einem großen Wasserbecken nach vielen Hunderten von Zentnern geschätzt werden mußte. Alsbald richtete sich die Aufmerksamkeit der Zoologen auch in den übrigen Ländern Europas auf diese merkwürdige Kleinfauna, und siehe da, dieselbe fand sich nicht bloß in den nahegelegenen dänischen, sondern auch in den viel weiter entfernten Seen der Schweiz vor. Mit dieser Tatsache machte uns (1867 und 1868) zuallererst der Kopenhagener Tierkundige P. E. Müller bekannt, und er war es auch, der damit die Anregung zu einer fortgesetzten, und gründlichen biologischen Untersuchung unserer Binnengewässer überhaupt gab. Von da an erwarben sich wissenschaftliche Arbeiten dieser Art immer mehr Freunde unter den Fachgelehrten, und man erzielte eine ganze Reihe bemerkenswerter Ergebnisse, die zur Folge hatten, daß schließlich auch die allgemeine Aufmerksamkeit der berufsmäßigen Forscher auf die Bewohnerschaft der einheimischen Binnenseen hingelenkt wurde. Aber es verging doch noch manches Jahrzehnt, ehe man einen klaren und einigermaßen erschöpfenden Begriff von der gesamten in unseren vaterländischen Gewässern enthaltenen Organismenwelt erlangte. Denn diese besteht, wie sich im Fortgang der Untersuchungen herausgestellt hat, nicht nur aus winzigen Krustazeen, sondern auch aus zahlreichen Arten von Rädertieren, Wassermilben und Infusorien, die mit der Fähigkeit zum freien Schweben im Wasser begabt sind. Wegen dieser Eigenschaft, die aber keineswegs allen Wasserbewohnern zukommt, bezeichnet man jene im übrigen bunt zusammengewürfelte Gesellschaft als das „Geschwebe“, womit sich- dem Sinne nach- das griechische Wort „Plankton“ ungefähr deckt. Genauer übersetzt würde letzteres freilich mehr das Dahintreibende, im Wasser Flottierende bedeuten: im Gegensatz zu dem, was aus eigener Kraft und aktiv schwimmend den Ort wechselt. Außer der Schwebfauna gibt es aber noch viele andere tierische Wesen in unseren Teichbecken, namentlich auch solche, die sich in der seichten Uferzone aufhalten, wo vielfach ein üppiger Pflanzenwuchs zu finden ist, welcher vielen kleinen und auch größeren Organismen zum Versteck oder zum Schutz vor der vom Winde erregten Wasserbewegung dient. Hier leben die Käfer und ihre Larven, die Entwicklungsstadien zahlreicher Zweiflügler (''Diptera''), Wasserjungfern (''Libellulidae''), Hafte (''Ephemeridae'') und Köcherfliegen (''Phryganidae''), sowie die Sippe der Wasserwanzen, die schlammbewohnenden Würmer, die Muscheln, Schnecken, Moostiere, Schwämme und Süßwasserpolypen. Daneben gibt es aber auch noch eine Menge kleiner Krustazeen von gedrungenem Bau, größere Infusorien und festsitzende Rädertiere, denen sämtlich das Vermögen abgeht, sich fern vom Ufer freischwebend im Wasser zu halten.
In den tiefgründigen Seebecken tritt hierzu noch eine dritte Welt lakustrischen Lebens, die sogenannte Grund- oder Tiefenfauna, welche den Teichen und Tümpeln gänzlich fehlt. Sie besteht aus Abkömmlingen der Uferbewohnerschaft und rekrutiert sich aus Würmern, Moostieren und Insektenlarven. Dazu kommen noch einige Muscheln und Schnecken.
Hinsichtlich einer genaueren Definition des Planktons wäre noch zu erwähnen, daß die frei im Wasser schwebende Organismenwelt, von der oben die Rede war, durchaus nicht bloß aus tierischen Wesen, sondern auch aus zahlreichen Arten von mikroskopischen Pflanzenwesen besteht, insbesondere aus niederen kryptogamischen Gewächsen, die man in ihrer Gesamtheit als Algen bezeichnet. Davon wird später noch ausführlich zu handeln sein.
Man bezeichnet neuerdings die Wissenschaft, welche sich speziell mit dem Tier- und Pflanzenleben unserer Binnengewässer befaßt, als lakustrische Hydrobiologie, oder kurzweg als Süßwasserbiologie. Zu ihrem berufsmäßigem Betriebe sind umfassende zoologische und botanische (d.h. algologische) Kenntnisse erforderlich. Es ist jedoch wohl möglich, auch dem Laien einen weitreichenden Einblick in das Gebiet dieses modernen Zweiges der Naturforschung zu verschaffen, wenn er den nachfolgenden Darlegungen ein ernstes Interesse entgegenbringt und die Mühe nicht scheut, sich über mehreres, was in dem engen Rahmen dieses Bändchens nicht mit voller Ausführlichkeit dargelegt werden kann, durch die Lektüre größerer Werke zu unterrichten. Am Schlusse vorliegender Schrift teile ich ein Verzeichnis derjenigen Bücher und Abhandlungen mit, welche von solchen, die sich näher mit den Ergebnissen der Süßwasserbiologie vertraut machen wollen, in erster Linie zu benutzen wären.
II. Historischer Rückblick
Es wurde im obigen schon angeführt, daß dem dänischen Zoologen P. E. Müller das Verdienst zukommt, den ersten Anstoß zur Berücksichtigung der binnenländischen Seefauna gegeben zu haben. dem ist aber hier noch nachzutragen, daß es in Deutschland bald danach die Universitätsprofessoren Fr. v. Leydig und A. Weismann waren, welche in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sich ihrerseits am Bodensee in der gleichen Richtung forschend bemühten. Koryphäen der deutschen Wissenschaft haben sich also ebenfalls zu jener weit zurückliegenden Zeit als Klarsteller des feineren Baues und der Fortpflanzungsverhältnisse einer größeren Anzahl von niederen Krebstieren, welche das Süßwasser bevölkern, erfolgreich betätigt. Als der eigentliche Begründer einer wissenschaftlichen Seenkunde ist jedoch der schweizerische Naturforscher Prof. F. A. Forel (geb. 1841) zu betrachten, insofern dieser seine wissenschaftlichen Arbeiten von sehr großen Gesichtspunkten aus begann und durchführte. Das Werk,