FANG MICH DOCH!. BAUMANN

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FANG MICH DOCH! - BAUMANN

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Bronzemedaille. Der zwei Meter große Modellathlet versuchte sich außerdem als Bremser im Bob-Team von Olympiasieger Ekkehart Fasser. Weil aber sein Rücken nicht mitmachte, beließ es Günthör bei ein paar Fahrten im Bobrun von St. Moritz. Der gelernte Sanitär-installateur absolvierte später ein Sportstudium und arbeitet heute zu 50 % beim BASPO – Bundesamt für Sport – in Magglingen in der Ausbildung. In der verbleibenden Zeit engagiert er sich als Selbstständig erwerbender bei Projekten zu Gunsten der Förderung von Sportlern, hält Seminare ab, berät Spitzensportler beim Training oder in der Laufbahnplanung. Günthör ist der erfolgreichste Leichtathlet der Schweizer Sportgeschichte.

      Noch im Alter von 47 Jahren hätte die Kugelstoßlegende im Jahr 2008 locker den Schweizer Meistertitel gewonnen – ohne Vorbereitung. In Magglingen, da, wo die Schweizerische Sportelite gezüchtet wird, warf er die Kugel bei einem Test im ersten Versuch auf eine Weite von 15,80 Meter. Diese Weite hätte in jenem Jahr zum Schweizer Titel gereicht. Aus dem Stand, in Jeans und Hemd und ohne jegliches Training. Und das alles, nachdem er 15 Jahre keine Kugel mehr in den Händen hielt.(1) Doch auf seinem vermeintlichen Karrierehöhepunkt, den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona, versagten Günthörs Nerven.

      Was ist passiert? Die Geschichte beginnt in einem kleinen Dorf im Osten der Schweiz: Uttwil im Kanton Thurgau. Ganz in der Nähe liegt das prachtvolle Ufer des Bodensees. In dieser Umgebung, umrahmt von saftigen Wiesen und sanften Hügeln, wächst Werni zu einem Burschen heran, der nur so strotzt vor lauter Kraft und Saft. Wo seine Energie herkommt? Möglicherweise sind die vielen Äpfel schuld. Oder der rezente Käse. Denn für beides ist die Region bekannt, aus der Werni herkommt. Schon früh versucht der junge Werner Günthör, seinen Bewegungsdrang bewusst zu kanalisieren und beginnt mit Sport. Wie alle Jungs probiert auch er mit großer Begeisterung viele mögliche Sportarten aus und bleibt schließlich bei der Leichtathletik hängen. Der junge Bursche fällt da vor allem durch seine Vielseitigkeit auf. Er gehört in jeder Disziplin zu den allerbesten: Er kann erstklassig die Kugel stoßen, den Diskus sehr weit werfen, schnell sprinten und springt später im Hochsprung über zwei Meter hoch. Wohlgemerkt: das Ganze bei einem Wettkampfgewicht von über 120 kg. Der Werni ist eben ein begabter Naturbursche, meint die gesamte Schweizer Bevölkerung unisono.

      Es soll Kugelstoßen sein und nachdem er da mehrfach die nationalen Meisterschaften dominierte und gleich Dutzende Titel holt, wagt er es, sich ab Mitte der achtziger Jahre mit der internationalen Konkurrenz des Kugelstößerrings zu messen. Damals gehörten vor allem russische, ostdeutsche und die US-amerikanischen Stoßer zum Besten, was die dynamische Disziplin zu bieten hatte. Günthör erstes Ausrufezeichen setzt er im Jahr 1984. Er steigert nicht nur den Landesrekord auf beachtliche 20,80 Meter, sondern platziert sich an der Olympiade in Los Angeles auf dem sensationellen fünften Rang und mutiert damit zur Hoffnung für die Zukunft. Zwei Jahre später: Werner Günthör steigert sich weiter und wird mit einer damals unglaublichen Weite von 22,22 Meter Europameister in Stuttgart! Sowohl die nationalen als auch internationalen Medien überschlagen sich angesichts der Leistungen des Kugel-Werni. Mittlerweile hat sich Günthör einen beeindruckenden Muskelberg antrainiert und kann in der Folge seinen EM-Titel eindrücklich bestätigen. Er holt sich Gold zu den Weltmeisterschaften 1987 sowie 1991.

      Mit diesen Erfolgen im Gepäck konnte man Werner Günthör als turmhohen Favoriten für die Olympischen Sommerspiele 1992 in Barcelona bezeichnen. Doch im Inneren des Riesen mit der sanften Stimme brodelt es. Im Frühling vor Olympia wiederholt nämlich das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ das, was es bereits 1990 getan hat: In einer mehrseitigen Reportage berichtet die Zeitschrift darüber, dass Werner Günthör seit 1984 regelmäßigen „Behandlungen“ unterzogen wurde. Bei den Beschreibungen stützt man sich auf die Basis einer eigentlich geheimen wissenschaftlichen Studie des bundesdeutschen Sportfunktionärs Norbert Wolf. Im Schweizer Lager ist man sichtlich irritiert und die ganze Geschichte verkommt zum Gift für eine professionelle Wettkampfvorbereitung auf Olympia. Werner Günthör hadert noch heute: „Es ist müßig, über dieses Thema zu reden“ und „Es ging mir damals nicht gut.“(2)

      Des Weiteren bezichtigt der „Spiegel“ damals auch die eidgenössischen Sportorganisationen, man würde mit einer Art „Rütli-Schwur“ einen Geheimbund betreiben. Zusammengestellt aus involvierten Ärzten und Sportfunktionären sei es unter dem Deckmantel medizinischer Betreuung die Aufgabe gewesen, die nationale Sportelite systematisch mit unerlaubten Substanzen zu versorgen. Als Vorzeigeobjekt galt hier dabei Werner Günthör, den man schon lange vor den Spielen in Barcelona als sicher geglaubten Olympiasieger sah. In diesem Zusammenhang bezeichnete man den Kugel-Werni medienwirksam als „letzte(n) Herkules“.(3) Doch in der weiteren Entwicklung verlor der Schweizer Sport nicht nur eine klare Olympia-MedailleOlympiamedaille, sondern auch extrem viel an Reputation. Unmittelbar, nachdem die Berichte des „Spiegel“ die Öffentlichkeit erreichten, erkannte man die Ausweglosigkeit der Situation und es war nur logisch, dass man sich organisieren musste. Es lag nun unmittelbar an Werner Günthörs langjährigem Trainer und väterlichem Freund Jean-Pierre Egger, der in die Presche sprang und auf die Schnelle eine Krisensitzung einberief. Involvierte Personen wie Trainer, Ärzte sowie Rechtsanwälte trafen sich in einem Hotel in Basel und berieten sich über zehn Stunden lang. Auch der Verfasser der wissenschaftlichen Studie Dr. Norbert Wolf traf aus Deutschland ein. Man versuchte, sich bezüglich einer einheitlichen Sprachregelung abzustimmen und wog konspirativ ab, wie man das „Problem“ aus der Welt schaffen und den Schaden kleinhalten könnte. Zudem wollte man herausfinden, wer diese geheime Studie von Dr. Wolf an die Presse brachte und fand mit dem damals ehemaligen Verantwortlichen des Forschungsinstituts an der Sporthochschule Magglingen Dr. Hans Howald den Sündenbock.

      Das Büro von Hans Howald lag nämlich über Jahre in der eidgenössischen Sporthochschule in Magglingen Tür an Tür mit Sportfunktionären, Athleten, Ärzten und den besten Trainern der Schweiz. Howald forschte da über Jahre als Leiter des Forschungsinstituts für das Bundesamt für Sport und gehörte damals zu den Vorreitern im Kampf gegen Doping. Im Jahr 1972, in einer Zeit, als Doping noch als Kavaliersdelikt galt, übernahm der ehrgeizige Mediziner den Posten des höchsten Schweizer Sportlaboranten. Nach drei Jahren akribischer Arbeit der erste Erfolg. Es ist der Verdienst von Hans Howald, dass man in der Schweiz bereits 1975 eine Methode entdeckt, um den Missbrauch von anabolen Steroiden zuverlässig nachzuweisen. Doch statt dass man mit dem neuen Testverfahren endlich eine Methode fand, um potenziellen Betrügern auf den Pelz zu rücken, wollten die leitenden Verbandsärzte Dr. Howalds Anabolikatest für das höchst umstrittene „Screening“ missbrauchen. Unter „Screening“ versteht man in diesem Fall, eine systematische Testserie zu organisieren, die feststellt, ob ein Athlet frei von unerlaubten Substanzen sei, bevor man ihn zu einem internationalen Wettkampf schicken würde.

      Dr. Hans Howlad sträubt sich gegen den Missbrauch seiner Errungenschaft, kritisiert die dreiste Herangehensweise und eckt deswegen intern immer wieder an. Ihn beißen auch die Zustände in Magglingen, welche er moralisch scharf verurteilt, denn die Verhältnisse sind in der Tat in keiner Art und Weise tragbar: Auf der einen Seite die Sportler und Athleten, welche mit allen Mitteln zu Höchstleistungen gebracht werden – und auf der anderen Seite die Forscher, die sich den Kampf gegen Doping einverleibt haben. Howald steht zwischen den Fronten und hat moralische Bedenken und protestiert. Zu Beginn zaghaft, aber dann immer heftiger und der Disput spitzt sich 1988 während den Olympischen Winterspielen im kanadischen Calgary zu, als er während eines Interviews Klartext spricht. Die Dopingfrage sei vor allem ein Problem der Ärzte und der Funktionäre und weniger eines der Sportler und Athleten. Ein Skandal in den Augen von Howalds Vorgesetzten und es war klar, dass man solche Aussagen von einem leitenden Sportmediziner nicht akzeptieren konnte. Nachdem man Hans Howald schroff in die Schranken gewiesen hat, kommt, wie es kommen musste: Im Jahr 1989 ist Schluss für Howald. Mit seiner Kündigung kommt er der Entlassung zuvor.

      Endlich hatte man den Stänkerer los, werden sie in Magglingen aufgeschnauft haben. Doch insgeheim wird sich der eine oder andere hinter vorgehaltener Hand gefragt haben: „Weiß der Howald nicht zu viel? Kann das nicht gefährlich werden?“ Die Skeptiker behalten Recht: Es wurde gefährlich, denn in der Zeit vor seinem Rücktritt pflegte Dr. Howald einen guten Kontakt zu Norbert Wolf, dem deutschen Autor dieser geheimen

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