Effi Briest. Theodor Fontane
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BRIEST Ja. Diese verwünschte Reiserei...
LUISE Warum sagst du das jetzt? Du hättest es ja hindern können. Aber das ist so deine Art, hinterher den Weisen zu spielen. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, decken die Ratsherren den Brunnen zu.
BRIEST Ach komm mir nicht mit solchen Geschichten. Seit dem 3. Oktober ist unsere Effi Baronin Innstetten. Und wenn ihr Mann, unser Herr Schwiegersohn, eine Hochzeitsreise machen und bei der Gelegenheit jede Galerie neu katalogisieren will, so kann ich ihn daran nicht hindern. Das ist eben das, was man sich verheiraten nennt.
LUISE Also jetzt gibst du das zu. Mir gegenüber hast du's immer bestritten...
BRIEST ...wozu das jetzt...
LUISE ...immer bestritten, dass die Frau in einer Zwangslage sei.
BRIEST Das ist wirklich ein zu weites Feld. Im Übrigen, was wollen wir von uns sprechen, die wir nicht einmal eine Hochzeitsreise gemacht haben. Dein Vater war dagegen. Aber Effi macht nun eine Hochzeitsreise. Beneidenswert.
LUISE „Ach, es ist so schön hier. Es soll auch das Schönste sein. Eure glückliche, aber etwas müde Effi.“
BRIEST Innstetten ist ein vorzüglicher Kerl, aber er ist so etwas von einem Kunstfex und Effi, Gott, unsere arme Effi, ist ein Naturkind. Ich fürchte, dass er sie mit seinem Kunstenthusiasmus zu Tode quälen wird.
LUISE Jeder quält seine Frau. Und Kunstenthusiasmus ist noch lange nicht das Schlimmste.
BRIEST Du hättest dazu getaugt. Überhaupt hättest du besser zu Innstetten gepasst als Effi. Schade, nun ist es zu spät.
LUISE Überaus galant! Jetzt ist er mein Schwiegersohn, und es kann zu nichts führen, immer auf Jugendlichkeiten zurückzuweisen.
BRIEST Ich habe dich nur in eine animierte Stimmung bringen wollen.
LUISE Ich bin in animierter Stimmung.
BRIEST Und auch in guter?
LUISE Ich kann es fast sagen. Aber du darfst sie nicht verderben. Nun, was hast du noch? Ich sehe, dass du was auf dem Herzen hast.
BRIEST Gefiel dir Effi? Sie war so sonderbar, die ganze Zeit. Weiß sie noch nicht recht, was sie an ihm hat? Oder ist es einfach, dass sie ihn nicht recht liebt? Bei all seinen Vorzügen, er ist nicht der Mann, sich diese Liebe mit leichter Manier zu gewinnen.
Pause
LUISE Was du da sagst, Briest, ist das Gescheiteste, was ich seit Tagen von dir gehört habe. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen.
BRIEST Hat sie dir ihr Herz ausgeschüttet?
LUISE So möcht ich es nicht nennen. Es fuhr alles bloß ruckweise und plötzlich aus ihr heraus und dann war es wieder vorüber. Aber gerade weil es so ungewollt und wie von ungefähr aus ihrer Seele kam, deshalb war es mir so wichtig. Ich fragte also rundheraus, wie's stünde, und ob sie vielleicht den Vetter Briest lieber heiraten würde... Er hatte ihr in Berlin sehr stark den Hof gemacht…
BRIEST Und?
LUISE Ein schnippisches Lachen. Der Vetter sei doch eigentlich nur ein großer Kadett in Leutnantsuniform. Und einen Kadetten könne sie nicht einmal lieben, geschweige heiraten. Und dann sprach sie von Innstetten, der ihr mit einem Male der Träger aller männlichen Tugenden war.
BRIEST Und wie erklärst du dir das?
LUISE Ganz einfach. Sie redet zwar von Liebe, sogar mit Nachdruck, aber doch nur, weil sie irgendwo gelesen hat, Liebe sei nun mal das Höchste, das Schönste, das Herrlichste. Aber sie empfindet nicht viel dabei. Wohl möglich, dass es alles mal kommt, aber noch ist es nicht da.
BRIEST Und was ist da? Was hat sie?
LUISE Sie hat nach meinem und auch nach ihrem eigenen Zeugnis zweierlei: Vergnügungssucht und Ehrgeiz.
BRIEST Nun, das kann passieren. Da bin ich beruhigt.
LUISE Ich nicht. Innstetten ist – von Streber will ich nicht sprechen, das ist er auch nicht, - ein Karrieremacher, und das wird Effis Ehrgeiz befriedigen.
BRIEST Das ist doch gut.
LUISE Aber es ist erst die Hälfte. Ihr Ehrgeiz wird befriedigt werden, aber ob auch ihr Hang nach Spiel und Abenteuer? Er wird sie nicht in einer geistigen Öde lassen, dazu ist er zu klug und zu weltmännisch, aber er wird sie auch nicht sonderlich amüsieren. Und was das Schlimmste ist, er wird sich nicht einmal recht mit der Frage beschäftigen, wie das wohl anzufangen sei. Das wird eine Weile so gehen, ohne viel Schaden anzurichten, aber zuletzt wird sie’s merken. Und dann wird es sie beleidigen. Denn so weich und nachgiebig sie ist, sie hat auch was Rabiates – und lässt es auf alles ankommen.
SIEBEN
Ankunft in Kessin. Oktober.
INNSTETTEN Unsere guten Kessiner. ruft Roswitha! Dass sie wirklich gut sind, will ich nicht gerade behaupten, aber sie sind anders als die andern. Das ist Roswitha. Sie ist für dich da, wenn du was brauchst.
EFFI Und ganz dahinten das, was aussieht wie eine große Zigarre?
INNSTETTEN Das ist ein junges Krokodil. Doch nun zu Bett, es war ein langer Tag. Das Frühstück dann bei dir, den Tee regelmäßig bei mir. Dann kommt jeder zu seinem Recht, und ich bin gespannt, wo mir’s am besten gefallen wird.
EFFI Das ist eine Morgen- und Abendfrage.
INNSTETTEN Gewiss, aber wie sie sich stellt, oder richtiger, wie wir uns dazu stellen, das ist es eben.
ACHT
Kessin. Oktober.
EFFI Geert!... Geert!...
INNSTETTEN Schon? Roswitha, sag Kruse, in zehn Minuten bin ich soweit.
EFFI Schon, sagst du. Natürlich um mich zu verspotten.