Effi Briest. Theodor Fontane

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Effi Briest - Theodor Fontane

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dass ich's finde.

      EFFI Nun, dazu ist ja noch vollauf Zeit, ich bin ja erst siebzehn und habe noch nicht vor zu sterben.

      INNSTETTEN Wenigstens nicht vor mir. Freilich, wenn ich dann stürbe, nähme ich dich am liebsten mit. Ich will dich keinem anderen lassen hier.

      EFFI Ich spreche nicht gern von Tod, ich bin für Leben. Und nun sage mir, wie leben wir hier? Dass in Kessin alles anders ist als in Hohen-Cremmen , das sehe ich wohl, aber wir müssen doch auch so etwas wie Umgang und Gesellschaft haben.

      INNSTETTEN In der Nähe haben wir ein paar Adlige, die du kennenlernen wirst, aber hier in der Stadt ist gar nichts.

      EFFI Ihr seid doch bis zu dreitausend Menschen, und unter dreitausend Menschen muss es doch auch noch eine Elite geben, Honoratioren oder dergleichen.

      INNSTETTEN Ja, natürlich haben wir einen Prediger und einen Amtsrichter und einen Rektor, und von solchen Leuten findet sich schließlich wohl ein ganzes Dutzend zusammen, aber die meisten davon: gute Menschen und schlechte Musikanten.

      EFFI Du bist in einer spöttischen Laune, Geert, und magst auch wohl recht haben. Aber ich muss dir gestehen, dass ich dies alles entzückend finde. Gleich gestern Abend das merkwürdige Schiff draußen im Flur. Dahinter der Haifisch und das Krokodil. Alles so orientalisch, alles wie bei einem indischen Fürsten ...

      INNSTETTEN Meinetwegen. Ich gratuliere, Fürstin... Er will los.

      EFFI Und dann oben der Saal mit seinen langen Gardinen, die über die Diele hinfegen.

      INNSTETTEN Was weißt du denn von dem Saal, Effi?

      EFFI Nichts, als was ich dir eben gesagt habe. In der Nacht war mir, als ob ich Schuhe auf der Erde schleifen hörte. Und als würde getanzt und fast auch wie Musik. Aber alles ganz leise. Das hab ich dann Roswitha erzählt. Und da sagte sie mir, das sei von den langen Gardinen oben im Saal. Ich denke, wir machen kurzen Prozess damit und schneiden die Gardinen etwas ab oder schließen wenigstens die Fenster. Es wird ohnehin bald stürmisch genug werden. Mitte November ist ja die Zeit.

      INNSTETTEN Du hast ganz recht, Effi, wir wollen die Gardinen kürzer machen. Aber es eilt nicht damit, umso weniger, als es nicht sicher ist, ob es hilft. Es kann auch was anderes sein, im Rauchfang oder der Wurm im Holz oder ein Iltis. Wir haben hier nämlich Iltisse...

      EFFI Iltisse...

      INNSTETTEN Ja, Iltisse. Eh wir Änderungen vornehmen, musst du dich in unserem Hauswesen erst umsehen. Und dann machst du Toilette, nur ein ganz klein wenig, denn eigentlich bist du so am reizendsten – Toilette für unseren Freund Gieshübler. Er ist unsere beste Nummer hier, Schöngeist und Original und vor allem Seele von Mensch. Das mit dem Saal oben wollen wir noch überlegen. Es wird aber wohl am besten sein, wir lassen es beim Alten.

      NEUN

      Kessin. Oktober.

      EFFI Mein Mann...

      GIESHÜBLER Der gute Herr Landrat...

      EFFI …ist drüben auf dem Amt und kann jeden Augenblick zurück sein...

      GIESHÜBLER Ja, der Herr Landrat und Sie, meine gnädigste Frau, da sind zwei liebe Menschen zueinander gekommen. Denn wie Ihr Herr Gemahl ist, das weiß ich, und wie Sie sind, meine gnädigste Frau, das sehe ich.

      EFFI Wenn Sie nur nicht mit zu freundlichen Augen sehen. Ich bin so sehr jung. Und Jugend...

      GIESHÜBLER Ach, meine gnädigste Frau, sagen Sie nichts gegen die Jugend. Die Jugend, auch in ihren Fehlern ist sie noch schön und liebenswürdig, und das Alter, auch in seinen Tugenden taugt es nicht viel. Persönlich kann ich in dieser Frage freilich nicht mitsprechen, vom Alter wohl, aber von der Jugend nicht, denn ich bin eigentlich nie jung gewesen. Personen meines Schlages sind nie jung. Ich darf wohl sagen, das ist das traurigste von der Sache. Man hat keinen rechten Mut, man hat kein Vertrauen zu sich selbst, man wagt kaum, eine Dame zum Tanz aufzufordern, weil man ihr eine Verlegenheit ersparen will, und so gehen die Jahre hin, und man wird alt, und das Leben war arm und leer.

      EFFI Ach, Sie dürfen so was nicht sagen. Dass ich Ihnen sagen könnte, welche Freude Sie mir gestern durch die schönen Blumen und Ihre Karte gemacht haben. Ich hörte sofort auf, mich hier als eine Fremde zu fühlen, und als ich dies Innstetten aussprach, sagte er mir, wir würden überhaupt gute Freunde sein.

      GIESHÜBLER Sagte er so?

      EFFI Und dann sehe ich doch auch gleich, dass Sie anders sind als andere, dafür haben wir Frauen ein scharfes Auge. Vielleicht ist es auch der Name, der in Ihrem Falle mitwirkt. Das war immer eine Lieblingsbehauptung unseres alten Pastors: der Name, so liebte er zu sagen, habe was geheimnisvoll Bestimmendes. Und Alonzo Gieshübler schließt eine ganz neue Welt vor einem auf, ja, fast möcht ich sagen dürfen, Alonzo ist ein romantischer Name, ein Preziosaname.

      GIESHÜBLER Ja, meine gnädigste Frau, da treffen Sie's.

      EFFI Ich habe von den Konsuln gehört, deren Kessin so viele haben soll, und in dem Hause des spanischen Konsuls hat Ihr Herr Vater mutmaßlich die Tochter eines seemännischen Kapitanos kennengelernt. Wie ich annehme, eine schöne Andalusierin. Andalusierinnen sind immer schön.

      GIESHÜBLER Ganz wie Sie vermuten, meine Gnädigste. Und meine Mutter war wirklich eine schöne Frau, so schlecht es mir persönlich zusteht, die Beweisführung zu übernehmen. Aber als Ihr Herr Gemahl vor drei Jahren hierher kam, lebte sie noch und hatte noch ganz die Feueraugen. Er wird es mir bestätigen. Ich persönlich bin mehr ins Gieshüblersche geschlagen, Leute von wenig Extérieur. Wir sitzen hier schon in der vierten Generation, volle hundert Jahre, und wenn es einen Apothekeradel gäbe...

      EFFI So würden Sie ihn beanspruchen dürfen. Ich nehme ihn für bewiesen an. Für bewiesen ohne jede Einschränkung.

      Innstetten kommt hinzu.

      INNSTETTEN Gieshübler hätte nun am liebsten gleich eine Liebeserklärung gemacht und gebeten, dass er als Cid oder irgend sonst ein Campeador für sie kämpfen und sterben könne.

      GIESHÜBLER beim Abgehen Da dies alles aber nicht ging und sein Herz es nicht mehr aushalten konnte, so stand er auf, suchte nach seinem Hut, den er auch glücklicherweise gleich fand, und zog sich rasch zurück.

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