Ein trauriges Schloss. Catherine St.John
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Читать онлайн книгу Ein trauriges Schloss - Catherine St.John страница 11
Vernünftig, ja – aber nicht gesund. Diese tiefliegenden Augen, die hageren Wangen, die bleiche Gesichtsfarbe – hatte er gerade an diesem Fieber gelitten?
Sollte sie sich bei seinem Arzt erkundigen? Ach nein, das wäre dann doch unpassend. Sie stellte sich gerade vor, als sie noch Lady Lanford gewesen war, hätte Annie mit dem Arzt über sie konferiert… Sie hatte Annie wirklich sehr gerne gehabt, aber das hätte sie dann doch als Unverschämtheit empfunden. Wenn Annie ihr dagegen bei einem Leiden ein Heilmittel empfohlen hätte… sie überlegte. Doch, dafür wäre sie wohl tatsächlich dankbar gewesen. Das vermutete sie wenigstens.
Vielleicht traf sie Seine Lordschaft ja wieder einmal und konnte ihn besser kennenlernen. Dann ergab sich vielleicht doch einmal eine Gelegenheit, ihn auf dieses Heilmittel – hieß es nicht Chinon oder Chinin? – hinzuweisen, falls er es noch nicht kannte. Chinarinde, das war es gewesen. Wenn der Earl an diesem Wechselfieber litt, hieß das, von dem sie einmal gelesen hatte.
Aber das konnte nicht das ganze Problem des Earls sein – und bis sie das herausgefunden hatte, konnten noch Monate oder Jahre vergehen.
Nun, warum auch nicht? Sie hatte alle Zeit der Welt, denn sie hatte nicht vor, diese Stellung jemals wieder aufzugeben. Und nach den übrigen Geheimnissen würde sie in aller Ruhe forschen.
Vielleicht gab es eine Möglichkeit, dem Earl zufällig über den Weg zu laufen… nein, das war wohl nicht anzunehmen. Dazu müsste sie wohl in sein Schlafgemach eindringen, und dann bliebe ihm nichts anderes übrig, als sie auf der Stelle zu entlassen.
In den nächsten Tagen beschränkte sie sich also darauf, ihrer Arbeit noch routinierter nachzugehen und nach Gebieten zu forschen, die nach Verbesserung verlangten.
Mr. Grant hatte es mit Misstrauen betrachtet, als sie die Bibliothek von Grund auf reinigen und die Sofas und Sessel kräftig ausklopfen ließ. Was er eigentlich argwöhnte, sagte er freilich nicht. Vielleicht hielt er den kleinen Blumenstrauß auf dem Tischchen neben dem bequemsten Sessel auch für zu feminin – um nicht zu sagen, für Weiberkram? Seine diskret gerümpfte Nase ließ diesen Schluss zumindest zu.
Mrs. Kingsley hatte alle Rezept- und Gewürzvorschläge treulich befolgt und begann nun schon selbst, neue Créationen zu entwickeln. Dass es dem Earl schmeckte, erkannte man unschwer daran, dass die Schüsseln weitgehend leer in die Küche zurückfanden. Diese Tatsache zauberte vor allem zur Dinnerzeit ein leichtes Lächeln auf das gesamte Personal, das mit dem Dinner befasst war, Eleanor eingeschlossen. Es konnte doch sein, dass das Fieber bei einem kräftigeren Körper schwächer ausfiel?
An diesem Nachmittag hatte Eleanor auch wieder die gut ausgestattete Wäschekammer respiziert und festgestellt, dass Handtücher und Bettwäsche in Wahrheit zum Teil fadenscheinig waren und sich generell rau und hart anfühlten. Also eruierte sie, wie und womit hier gewaschen wurde, und musste feststellen, dass die beiden älteren Frauen im Waschhaus sich den einen oder anderen Spülgang zu sparen pflegten. Als sie die beiden so streng, wie es ihr möglich war (sie musste sich ernsthaft ihr Auftreten als Countess of Lanford in Erinnerung rufen) ins Gebet nahm, jammerten diese über unerträgliche Rückenschmerzen beim Bücken, das ja beim Ausspülen der Wäsche unabdingbar war. Hm… Sie beriet sich mit Jessop, ob man ein Mädchen zur Unterstützung der beiden einstellen oder aus einem anderen Bereich abziehen konnte. Letzterem widerriet Jessop, denn alle vorhandenen Mädchen, die Spülmägde eingeschlossen, empfänden die Position als Waschmagd bestimmt als Degradierung. Er kenne aber ein geeignetes Mädchen, das noch nichts gelernt habe und mäßig aufgeweckt, aber nicht zu albern sei.
„Aber wir müssten Seine Lordschaft fragen. Ich denke, wenn Sie das tun, stimmt er eher zu.“
Eleanor freute sich insgeheim über die Gelegenheit, den Earl zu sehen, und versuchte, dies unter einem betont neutralen Gesicht zu verbergen. „Nun gut, ich werde ihn aufsuchen – wenn er präsentabel ist, ich ihn nicht störe und er sich nicht gerade in seinem Schlafzimmer befindet.“
Jessop verbeugte sich. „Seine Lordschaft befindet sich im Rosengarten. Ich bin sicher, dass er Ihre Anwesenheit nicht als Störung empfinden wird.“
„Wollen wir es hoffen“, murmelte Eleanor, rückte ihr Häubchen zurecht, strich eine Haarsträhne darunter und schritt durch den Personalausgang in den Park. Der Rosengarten befand sich in sicherer Entfernung von Küche und Küchengarten, wohl, um den Duft der Rosen nicht mit Bratengerüchen zu verderben. Er war als Rondell angelegt, hatte als Eingang einen ebenfalls rosenumkränzten Bogen und war in der Mitte mit einem etwas dürftigen Springbrunnen geschmückt.
Eleanor betrat den Garten leise und spähte herum, bis sie gegenüber dem Eingang eine eiserne Bank und darauf den Earl entdeckte, der vor sich hin starrte.
Sie näherte sich vorsichtig und murmelte dann: „Euer Lordschaft?“
Der Earl sah ruckartig auf. „Was – oh! Mrs. Warren…“ Er erhob sich mühsam.
„Aber bleiben Sie doch sitzen, Euer Lordschaft! Ich wollte Sie auch gar nicht stören, ich hätte nur eine Frage.“ Sie lächelte schüchtern und glaubte, ein schwaches Echo dieses Lächelns in den umschatteten dunklen Augen zu entdecken.
„Dann nur heraus damit, Mrs. Warren.“
„Ich würde gerne ein Mädchen einstellen, das bei der Wäsche hilft“, kam sie sofort zur Sache.
„Ach ja – und warum das?“
„Die beiden Frauen, die sich um die Wäsche kümmern, sind schon etwas älter und haben Schwierigkeiten beim Bücken. Folglich sparen sie sich, um Schmerzen im Rücken zu vermeiden, so manchen Spülgang. Und ich denke, das spürt man, wenn man den Griff des Gewebes prüft – Handtücher und Bettleinen fühlen sich sehr viel rauer und unangenehmer an als wirklich gut gespülte Wäsche.“
Sie verstummte und sah ihn gespannt an. Er erwiderte einen Moment lang ihren Blick, dann sah er auf den Boden, in dem er mit seinem Stock herumgekratzt hatte. Er hatte offenbar etwas geschrieben, aber was, das konnte Eleanor nicht erkennen.
„Stellen Sie ein Mädchen ein“, stieß er dann hervor. „Die Handtücher kratzen wirklich.“
Damit erhob er sich ungelenk und hinkte davon, zurück zum Schloss. Eleanor sah ihm einige Minuten nach, zu verdutzt, um sich zu bewegen, dann betrachtete sie den sandigen Boden dort, wo er gesessen hatte: Was er in den Boden gekratzt hatte, sah aus wie ein großes M und ein Pluszeichen.
Das gab ihr zu denken, während sie langsam zurückschlenderte. Wäre der Earl nur halb so alt, hätte sie vermutet, er habe seine und die Initialen seiner Liebsten in den Sand ritzen wollen, vielleicht noch von einem Herz umrahmt, aber nachdem er Mrs. Kingsley zufolge schon bald dreißig Jahre alt war, war er über solch kindisches Verhalten doch wohl hinaus?
Andererseits - vielleicht liebte er wirklich eine Frau, deren Name mit M begann, eine Mary vielleicht? Warum sollte diese Mary aber seine Zuneigung nicht erwidern können? Er sah auf seine düstere, gequälte Art doch gut aus - und vor der Narbe würden ja wohl nur sehr junge und sehr alberne Mädchen zurückschrecken? Und ein solches Mädchen, womöglich direkt von der Schulbank, passte doch auch gar nicht zu ihm…
Sie verwies sich streng diese Gedanken – wer die richtige Gemahlin für den Earl sein konnte, war nun wirklich nicht ihre Angelegenheit!
Stattdessen sollte sie sich weiter darum kümmern, dass er jede Bequemlichkeit hatte, um in Ruhe zu gesunden. Und