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des Meeres, da musste frischer Fisch doch leicht zu beschaffen sein?

      „Beatty soll Seine Lordschaft fragen“, antwortete die Köchin, „ich habe schon lange keinen Fisch mehr gekocht, aber ich könnte wirklich nicht sagen, warum nicht.“

      Schließlich ließ Eleanor Mrs. Kingsley in Ruhe arbeiten und suchte lieber Nancy auf, um sie zu trösten und ihr ins Gewissen zu reden. Ob ihr Argument, jeder könne doch durch einen Unfall verletzt werden und wolle dann bestimmt nicht als vom Teufel besessen gelten, gewirkt hatte, vermochte sie allerdings nicht zu sagen. Immerhin verteidigte Nancy sich dahingehend, dass nicht sie dieses alberne Gerücht aufgebracht habe.

      Etwas unzufrieden strich sie danach durch das Schloss, auf der Suche nach einem Betätigungsfeld – aber in der Küche lief alles wie am Schnürchen, alle Räume waren sauber, warm und anheimelnd hergerichtet, der Wäscheschrank war frisch revidiert – der Inhalt reichte auch, wenn hundert Gäste zugleich ankamen – und sogar die Regale in der Bibliothek waren sorgfältig vom Staub befreit worden. Sie schlenderte durch die Gemäldegalerie im ersten Stock und traf dabei auf Mr. Grant, der stirnrunzelnd ein Porträt betrachtete.

      „Guten Morgen. Ist das der gegenwärtige Earl?“, fragte sie, neben ihn tretend. Grant zuckte zusammen, fasste sich aber rasch wieder.

      „Äh – nein. Der sechste Earl, also sein Onkel.“

      Eleanor nickte in Erinnerung an Jessops etwas verwirrende Ausführungen an ihrem ersten Tag hier.

      „Mit seinem Sohn, nehme ich an?“

      „Richtig.“

      Etwas wortkarg erschien ihr der Sekretär, aber vielleicht war er über eine Haushälterin erhaben? Oder sprach er nicht gerne mit Frauen?

      Sie trat vor das nächste Bild. „Und diese hier? Das sieht nach einer glücklichen Familie aus, nicht wahr?“

      „Das weiß ich nicht. Das sind der gegenwärtige Earl mit seinen Eltern und seiner Schwester.“

      „Aha…“ Eleanor betrachtete sich den etwa zwölfjährigen Jungen, ein helles, zartes Gesicht, in dem die dunklen Augen auffielen, dazu wilde dunkle Locken und eine schmale Figur. Ein verschmitztes Lächeln hatte der Junge. Ein Arm war um das Mädchen neben ihm gelegt, das ebenfalls dunkelhaarig und dunkeläugig war und schüchtern lächelte. Die Eltern zu beiden Seiten blickten mit Stolz auf ihre Sprösslinge.

      „Diese Schwester – besucht sie ihn wenigstens ab und zu?“

      „Den Earl? Nein.“

      „Haben die beiden sich entzweit? Das ist ja sehr traurig…“

      Grant warf ihr einen misstrauischen Blick zu. „Warum wollen Sie das alles wissen, Mrs. Warren?“

      „Möchte nicht jeder etwas mehr über seine Stellung wissen? Es gefällt mir hier gut, auch wenn ich Seine Lordschaft noch nicht persönlich kennen gelernt habe.“

      Grant betrachtete sie weiterhin prüfend, dann seufzte er. „Seine Schwester lebt nicht mehr. Der einzige Verwandte Seiner Lordschaft ist sein Schwager, Mr. George Randal.“

      „Sein Schwager trägt den gleichen Familiennamen? So ein Zufall…“

      Jetzt war der Blick eindeutig herablassend. „Mr. Randal ist zugleich auch der Cousin Seiner Lordschaft.“

      „Aha… also auch der nächste Erbe?“

      „Äh – gewiss.“

      „Und er kommt auch nie zu Besuch? Hat Seine Lordschaft denn überhaupt keine Kontakte?“

      „Mr. Randal kommt ein- bis zweimal im Monat vorbei.“ Grant verbeugte sich eckig und schritt zügig davon.

      Eleanor sah ihm leicht verblüfft nach. Warum diese Geheimnistuerei? Sie hatte doch nichts gefragt, was die Privatsphäre des Earls berührt hätte?

      Mr. Randal kam also recht häufig vorbei… interessant. Das war ja ein netter, verwandtschaftlicher Zug von ihm, fand sie. Seitdem sie hier arbeitete, hatte noch niemand vorgesprochen, wenn man von Lieferanten absah. Hatte der Earl auch keinen Kontakt zu den Nachbarn? Gab es überhaupt Nachbarn?

      Nun, Grant musste sie dazu bestimmt nicht befragen – aber Jessop konnte ihr sicherlich Auskunft geben.

      Später.

      Da gerade weiter nichts zu tun war, schlenderte sie durch die Küche und die Spülküche hinaus und besah sich den Küchengarten, der dringend einmal gründlich bearbeitet werden musste, um Würzkräuter und Wurzelgemüse zu ziehen und so den sparsam gestalteten Mahlzeiten etwas mehr Charakter zu verleihen. Wenn sie den Obergärtner sah, würde sie ihm entsprechende Anweisungen geben; Jessop zufolge konnte sie so etwas schließlich selbst entscheiden - und da dem Earl offenbar die kräftiger gewürzten Speisen zumeist besser schmeckten, hatte sie bei Jessop wie Mrs. Kingsley einen großen Stein im Brett.

      Von den Gärtnern war freilich nichts zu sehen; Eleanor schlenderte weiter hinaus in die Parkanlagen, sanft gewellte Hügel, in der Ferne flach abfallendes Gelände bis zum Rand des Swale, auf einem der Hügel ein griechisches Tempelchen, an einem Teich Weiden, die ins Wasser hingen und im Gegenlicht nahezu golden wirkten… so schön war es hier! Nur schade, dass der Besitzer dafür offenbar gar keinen Sinn hatte. Oder haben konnte, weil er eben krank war.

      Vielleicht aber genoss er seinen Besitz auch heimlich, nachts? Wenn ihn niemand sehen konnte und er selbst wiederum niemanden sehen musste?

      Aber was war das für ein Leben! Tiefes Mitleid mit dem Earl packte sie so unvermittelt, dass ihr tatsächlich die Tränen in die Augen stiegen. Den Rest des Lebens aus der Gesellschaft verbannt sein – warum nur? Wegen dieses fiebrigen Leidens? Aber darunter litt er doch nur anfallsweise? Hatte sie darüber nicht einmal etwas darüber gelesen? Vielleicht fiel es ihr ja wieder ein…

      Sie schlenderte in einem weiteren Bogen zum Schloss zurück – natürlich ohne auch nur einen Gärtner zu sichten – und überlegte, ob diese Erkrankung wirklich Grund genug sein konnte, sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, ja, sich kaum vor dem Personal sehen zu lassen. War das nicht vollkommen übertrieben?

      Als sie einen weiten Bogen um das Schloss geschlagen hatte und auf den Vorplatz trat, sprang sie erschrocken zurück, weil sie beinahe unter die Hufe der Kutschpferde geraten wäre, die einen leichten Reisewagen schwungvoll vor das Portal zogen.

      Verdutzt starrte sie auf die Wagenspuren und eilte dann ebenfalls zum Portal, in dem schon Jessop aufgetaucht war, der sich gemessen verbeugte. „Herzlich willkommen, Mr. Randal!“

      Aha, der Schwager war also angekommen. Noch konnte sie nicht viel erkennen, nur eine recht große, breitschultrige Gestalt und blonde Locken unter einem schimmernden schwarzen Kastorhut. Außerdem hörte sie eine freundliche Stimme, konnte aber keine Worte unterscheiden.

      Die Türflügel fielen wieder zu und Eleanor eilte um die Ecke zum Kücheneingang. Im Vorübergehen stellte sie fest, dass die Spülküche tadellos sauber und aufgeräumt wirkte, und traf in der Küche auf Mrs. Kingsley, die am Esstisch saß und einen nachmittäglichen Tee genoss.

      „Oh, Mrs. Warren – Sie möchten sicher auch Tee?“

      Eleanor

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