Dünenvagabunden. Katrin Maren Schulz

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Dünenvagabunden - Katrin Maren Schulz

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weißt du, mein Pendeln zwischen zwei Lebensräumen, das ist meine Lösung! Es ist nicht deine Lösung, deshalb fällt es dir vielleicht schwer, sie zu verstehen. Aber es ist meine Lösung, und sieh mich an: wirke ich unglücklich mit meinem Leben? Wirke ich, als wäre mir mein Stadtleben zuwider?“

      Viktoria schwieg einige Minuten lang. Sah mich an, sah auf die See. Lächelte, und gab dann zu:

      „Nein, meine Liebe, ich sehe es ja auch. Du wirkst in der Tat wie eine, die glücklich ist, und ihren Weg auf ihre Art geht. Ich scheine von uns beiden der radikalere Typ zu sein. Bei mir muss alles immer ganz oder gar nicht sein. Ich könnte mir ein Pendeln zwischen Stadt und Land nicht vorstellen. Vielleicht ist das eine Schwäche von mir, die ich bislang für eine ausgeprägte Entschlusskraft hielt: von mir zu verlangen, mich für Schwarz oder Weiß zu entscheiden. Vielleicht übersehe ich dabei die Grautöne dazwischen … genau diese Grautöne, von denen du anfangs sprachst, diese Grautöne, die die Vielfältigkeit zwischen Schwarz und Weiß bedeuten.“

      Viktorias Stimme war im Verlauf dieser letzten Sätze ganz ruhig und leise geworden, fast so, als würde sie ein wenig in sich zusammensinken.

      Ich war ein bisschen darüber erschrocken, war doch Viktoria immer die Starke, Entschlossene für mich, diejenige, für die alles klar ist, alles stimmig, alles authentisch.

      Viktoria, die Vagabundin, die nur noch macht was sie will - diese Viktoria hat womöglich auch hin und wieder Zweifel an dem was sie tut?

      Oder verschwieg sie mir etwas? Gab es womöglich noch einen anderen Grund, der sie ihr Leben in Hamburg abbrechen ließ?

      Ich wusste in diesem Moment, der nun schon fast ein Jahr her ist, nichts, was ich darauf hätte sagen können. Wahrscheinlich hatten wir beide das Gefühl, in diesem Gespräch an sehr viel gerüttelt zu haben. Und für jede von uns steckte hinter dieser umfangreichen Thematik ein riesiger Schatz an eigenen Lebenserinnerungen, die da hochkommen, und erinnern lassen, warum an so mancher Weggabelung dieser oder jener Schritt gegangen, oder eben nicht gegangen wurde.

      So tief war ich in die Erinnerung an dieses Gespräch am abendlichen Strand geraten, dass ich fast erschrecke, als ich wieder vor meiner Haustür, und zwar in Berlin, stehe. Völlig gedankenversunken muss ich den Rückweg wie automatisch gelaufen sein.

      Ich öffne die Tür, und betrete meine so vertraute Wohnung. Es ist mein Zuhause. Eines meiner beiden Zuhauses.

      Es ist Anfang März. Ich sitze tatsächlich in der Nord-Ostsee-Bahn Richtung Husum, mit Ziel St. Peter-Ording. Einfache Fahrt. Einfache Fahrt in die Pampa. Ich.

      Ich? Der, der doch immer nur auf Abenteuer aus war all die letzten Jahre? Was mache ich hier?

      Die Alternative zum Abenteuer suchen. Es gibt sie doch, oder? Irgendwie leben doch all diese anderen Menschen auch, die nicht so leben wie ich es getan habe die letzten Jahre?

      Es war egal, wo ich war, überall ging es mir um das Abenteuer, um den Kick, um das Besondere im Leben. Ein Besonderes musste sich an das andere reihen, sonst wurde mir langweilig. Das Geld dafür habe ich mir mit unterschiedlichsten Jobs in Berlin verdient. Zuletzt stand ich Tag für Tag in einer Videothek.

      „Nur abgeben? Das macht dann bitte zwei Euro.“

      Es hat so genervt. Ich könnte viel mehr, das wurde mir in den letzten Monaten klar. Ich habe bislang nicht darüber nachgedacht, was ich mehr könnte. Ich wollte nur surfen, und irgendwie und schnellstmöglich an das Geld kommen, das ich dafür brauche. Für so etwas wie eine Ausbildung, oder ein Studium, für so etwas was geregelter Lebenslauf genannt wird, hatte ich weder Zeit noch Gedanken.

      Dieser geregelte Lebenslauf hat mich nie gereizt. Im Gegenteil, er hat mich abgestoßen. Denn was ich an denen sah, die ihn lebten, das wollte ich selbst nicht leben. Vielleicht lag das daran, dass ich in einer Kleinstadt aufgewachsen bin. Dort ist alles viel enger als in der Großstadt, es fehlt die Anonymität, das nicht-beobachtet-werden, das tun-können-was-ich-will.

      In dieser Kleinstadt war man wer, wenn man bestimmte Dinge hatte. Und diese Dinge hatten wiederum mit Geld zu tun, viel Geld, das man verdient, wenn man diesem geregelten Lebenslauf nachgeht. Dann hatte man ein eigenes Haus und ein eigenes Auto und fuhr mehrmals im Jahr in den Urlaub.

      Aber lebte man so auch sein eigenes Leben?

      So jedenfalls war meine Sicht auf meine kleine Welt damals. Und diese Sicht hat mich veranlasst, mein ganz anderes Leben auszuprobieren. Ich wollte eine Alternative dazu leben, eine selbstbestimmte Biografie entwickeln. Und ich weiß, dass ich den Mut dazu habe. Aber so, wie es jetzt ist, kann es dennoch nicht weitergehen.

      Mein Leben der letzten Jahre hat viel Kraft gekostet. Kaum hatte ich ein paar Monate in Berlin Geld verdient, bin ich losgezogen zum Surfen, und habe alles, restlos alles, aufgebraucht. Nie Rücklagen, nie ein festes Zuhause. Größtmögliche Freiheit eben. So langsam geht mir die Kraft dafür aus. So langsam beginnt es mich zu langweilen. Jetzt, Mitte dreißig, beginnt offensichtlich die Suche nach dem Sinn in meinem Leben.

      Es muss sich etwas verändern. Ich will sesshafter werden, und trotzdem meine lebensbejahende Achtsamkeit am Leben erhalten. Ich will mehr Stetigkeit, und habe Angst vor der Langeweile, die sich darin ausbreiten könnte. Ich bin es gewohnt, Wellen unter mir zu haben, unter meinem Brett. Ich blühe auf, wenn es unruhig ist um mich herum und stürmisch und ich mich auf meinem Brett von meinem Kite durch Wellen und Sturm treiben lassen kann.

      Ich habe Angst vor der Sesshaftigkeit, weil ich Angst habe auf einem Boden zu stehen, der nicht wankt.

      Immer wieder musste ich raus, in fremde Länder, an neue Küsten, auf all die Meere dieses Planeten. Ich weiß nicht wie das gehen soll, einen Boden für mich zu bereiten, auf den ich mich gerne stellen mag, für lange, womöglich für immer?

      Kann das ein anderer Mensch für einen tun?

      Kornelia hat es versucht, meine letzte Freundin. Sie zog mir hinterher nach Berlin, hat uns eine Wohnung gesucht, wollte uns ein Nest bereiten, und eine gemeinsame Zukunft. Bevor ich in die Wohnung einzog, habe ich mich von Kornelia getrennt, und bin nach Costa Rica geflohen, zu fantastischen Wellen, und einem Leben in den Tag hinein.

      Und auch die Zeiten in Berlin habe ich oft surfend verbracht. Nicht auf Wasserwellen, sondern surfend durch die Nacht. Von einem Club in den anderen, lauter Parallelwelten, ich habe mich in sie gestürzt wie in die Fluten, Nachtfluten, regellos, unberechenbar wie viele Wellen, und ich habe diese Nächte abgeritten wie ich Wellen mit dem Surfbrett abreite, gierend nach Abenteuer, sehnsüchtig nach Kick.

      War das ein wahres Leben? Oder war es nicht auch nur oberflächlich, ohne Tiefgang?

      Ein Surfbrett gelangt nicht in die Tiefe. Es ist dafür gemacht, auf der Oberfläche zu gleiten.

      Bahnhof Tönning. Hier fährt der Zug nicht geradeaus weiter, sondern rückwärts wieder aus dem Bahnhof hinaus. Von Husum bis Tönning saß ich gegen die Fahrtrichtung, fuhr rückwärts. Jetzt fahre ich vorwärts, sitze mit Blick in Richtung dessen, was mich erwartet. Das ist für mich in dieser meiner zweifelbeladenen Zeit wahrscheinlich auch besser so. Ich würde gerne meine neue Fahrtrichtung sehen.

      Die Fahrt führt durch Felder und Weiden, kaum eine Straße, geschweige denn ein Auto, ist zu sehen. Keine Häuserwände, keine Werbetafeln, keine Plakate - nur Natur. Nur.

      Der Zug fährt an dem Ort namens „Welt“ vorbei. Ob sie das wird, hier, meine neue Welt?

      Viktoria

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