Schonzeit für Zwerge. Peter Vinzens
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Ein paar Wochen später, wiederum in der Zeitung zu finden, gab die Werftleitung bekannt, dass nun doch ein Schiff fertiggestellt sei. Niemand hatte es erwartet, niemand nahm es ernsthaft zur Kenntnis. Bis an den Tag, an dem die erste Geschwindigkeitsmessung des neuen Kahns bekannt wurde. Das Unternehmen hatte einen „big deal“ gelandet. Die Kiste war ungeheuer schnell. Und das war natürlich wieder eine Meldung wert. Woran man wieder einmal ermessen kann, wo die Interessen und Vorlieben einer freien Presse liegen. Aber das hat sich ja bis heute nicht geändert.
Da war zudem die Sache mit einem gewissen Herrn Hearst. Wir alle kennen ihn, denn er war, und sein Konzern ist es noch heute, Zeitungskönig der USA. Damals. Heute beherrscht die Firma immer noch den Nachrichtenmarkt, auch wenn sich der verändert hat. Dieser Herr Hearst war ursprünglich ein fauler Kerl. Als er aber die Zeitung seines Vaters geerbt hatte, da fand er den Weg zur Arbeit und sein Interesse für publikumswirksame Vermarktung. Ihm verdanken wir auch den Begriff „Yellow Press“. Und das kam so:
Amerika, also der „Amerikaner als Solcher“, fühlte sich zum Ende des vorvergangenen Jahrhunderts von den Chinesen bedroht. Die wollten nämlich nicht das, was die amerikanische Regierung wollte und damit hatten die Amerikaner - zwangsläufig - ein Problem. Schließlich hatten sie gerade begriffen wie Kapitalismus funktioniert. Sie begannen sich gerade dem Rest der Welt zu öffnen und da stellten sich doch diese arroganten Chinesen quer. Das war natürlich eine ernste Bedrohung für den „Amerikaner als Solchen“, für die freie Welt, und deshalb war das natürlich auch ein Thema für die Zeitung.
Selbstverständlich auch für die Zeitung eines gewissen Herrn Hearst. Das Blatt beschäftigte Reporter und Politiker, Wissenschaftler und Karikaturisten und letztere waren es, die den Begriff prägten: „Yellow Press“. Da war das Bild zu sehen wie ein Chinese, die „Gelbe Gefahr an sich“ eben, das arme Amerika beutelte. Und nebenan stand ein gewisser Herr Hearst und trotzte der „Gelben Gefahr“. Nur mit seiner Zeitung in der Hand. Ein Held, der sich nichts gefallen ließ.
Emotional, publikumswirksam, polemisch, und sehr dicht an „Volkes Stimme“. Und damit war die „Gelbe Presse“, „the yellow press“ erfunden, und wir haben sie immer noch am Hals.
Und warum erzählen wir das? Nur um zu sagen: Die Yellow Press war bereits vorhanden und vollendete nun das Werk von Mr. Krasnow, denn ohne diese Presse hätte die Nummer mit dem Schiff nie funktioniert. Nie wäre Krasnow reich geworden und ob er es geblieben ist, war für die „Presse“ natürlich erst einmal völlig uninteressant. Krasnow hatte ja gerade erst angefangen.
In der schmutzigen Baracke sitzt er, und ein Mensch mit Hut ist bei ihm. Getränke sind da, Kaffee und Scharfes, zu essen und zu trinken gibt es auch. Was aber viel wichtiger ist: Krasnow kennt seinen Gast, ein Kumpel, der von Anfang an dabei war, ein Journalist. Der soll ihm nun helfen, sollte sein PR- Manager sein, denn nun ging es ums Geldverdienen.
Schließlich entsteht ein Schiffsrennen nicht einfach so aus dem Hut heraus. Da gilt es Sponsoren zu finden, Pressearbeit ist zu bringen und wettfähige, zahlungskräftige Kunden sind aufzutreiben. Ohne die Zeitungen geht da eben nichts. Woran man wieder mal erkennen kann: Es hat sich nichts geändert in der langen Entwicklungszeit dieses Mediums. Daran muss man sich einfach gewöhnen.
Der Herr Clemens, der aufmerksame Leser kann sich erinnern, saß also seinem Freund Krasnow gegenüber und baldowerte mit ihm eine große Nummer aus. Clemens war übrigens auch in der „Nacht der Entführung“ dabei, denn damals litt er gerade wieder einmal unter chronischem Geldmangel. Das aber war für ihn nichts Neues, das hatte er schon an anderen Orten erfolgreich hinter sich gebracht. Nun aber brauchte er eine gute Story, die möglichst US-weit vermarktet werden sollte.
Schon damals, aber so lange ist das nun auch wieder nicht her, verbreiteten bereits Nachrichtenagenturen gute, fetzige Storys über das ganze Land. Telegrafenleitungen erreichten schließlich selbst die verschlafenste Redaktion. Und die Meldung von weit weg, vermittelt über die Agentur, war zudem billiger als der eigene Reporter. Und, es kommt noch was: Die Provinzzeitung war ohne jede Konkurrenz. Niemand konnte ermessen, ob der Reporter ein eigener, ein wildfremder oder ein erfundener war. Hauptsache die Story war gut.
So wurde die Geschichte von langer Hand vorbereitet.
Es entstanden Reportagen über die Versuchsfahrten. Das Schiff war kleiner geworden. Den Rumpf konnten sie, man bedenke die Kürze der Zeit, leider nicht beeinflussen. Die Größe der Maschine auch nicht. Nur die Aufbauten wurden verändert. Auf den Ponton wurde ein neues Gerüst gestellt. Ein Stockwerk niedriger. Anders sollte das Schiff aussehen. Das war wichtig. Außerdem sollte es gewinnen im Wettkampf Der aber war nur interessant, wenn die Quoten ungünstig sind. Der Spitzenreiter bringt schlechte Quoten, der Außenseiter abenteuerliche. Es galt also ein Schiff zu haben, das schnell war, weit laufen konnte, ohne dass ihm dies irgendwer zutraute.
Die Presse ist dafür ein wunderbarer Nachrichtenträger.
Am 18. Juli 1895 ist die erste „Erprobungsfahrt“ des neuen Schiffes. Kurz vorher war es auf den unbedeutenden Namen „Adventure“ getauft worden. Das aber sollte nur eine pressewirksame Veranstaltung sein. Eine Vorstellung, sonst nichts. Eigentlich war die „Adventure“ ein hässlicher Kahn geworden.
Sie hatte nur drei Stockwerke vorne und flachte sich hinten auf zwei Etagen ab. Der Bug lag weit über dem Wasserspiegel und das Kommandohaus war, völlig neu in der Entwicklung, als Bestandteil des obersten Stockwerks in die dritte Etage eingebaut. Die Brückenrocks ragten weit nach außen. Zwei gewaltige Schornsteine beherrschten das Heck.
Bei andern Schiffen lag das Schaufelrad offen. Die „Adventure“ vermochte so etwas nicht zu zeigen. Der Rumpfaufbau ragte weit nach hinten über, verbarg das Rad, die Technik und seine Geheimnisse.
Wer nun glaubt, Krasnowas Ingenieure seien Dummbeutel gewesen, der irrt. Neuste technische Entwicklung hatte Eingang gefunden, die aber sollte nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Deshalb auch die Verkleidung des Aufbaus.
Hätte nämlich irgendwer, irgendwann, irgendwie unter die Verkleidung geschaut, er hätte sich gewundert. Die Breite des Schaufelrades hatte sich zwar -zwangsläufig- nicht geändert. Das Rad an sich aber war völlig ausgewechselt worden. In Europa machten sich Techniker bereits Gedanken über Turbinen, über Schiffsschrauben, über veränderte Formen der Rümpfe. In Amerika wurde noch wenig verändert. Anders die Techniker des Herrn Krasnow.
Waren an der „Spirit of St. James“ noch einfache Bretter als Antriebselemente am Schaufelrad, so bauten Krasnows Techniker nun gebogene Elemente ein. Ein Fachbuch aus Europa hatte ihnen den Weg offenbart. Und die Truppe hatte sich als lernfähig erwiesen. Das Rad war größer geworden. Aus der Maschine hatten sie, mit verschiedenen Kniffen, noch einiges mehr an Kraft herausgekitzelt. Die technischen Voraussetzungen waren also bestens. Die aber waren ein „Dreck“ gegen die Strategien der Vermarktung.
Der 12. August 1895.
Die Presse ist dabei. Die Herren werden mit Getränken, einem kalten Buffet und aktuellsten „News“ traktiert. Öffentliche Versuchsfahrt ist angesetzt. Stromauf gegen den Widerstand des Flusses. Das Schiff nimmt normale Fahrt auf. Unten im Rumpf schuften ein paar Schwarze unter dem Kommando des Ingenieurs. Der ist am Gewinn beteiligt. Die Schwarzen nicht. Sie sind austauschbar. Jederzeit.
Die Fahrt wird schneller. Sie erreicht die Grenze der Konkurrenten. Sie überschreitet