Mallorca mit allen Sinnen. Otto W. Bringer
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Der Wind bläst heftig. Und knallt das Tuch gegen die Hauswand. Achtung, hier herrscht der Comisario. Polizeikommandant. Eigentlicher Herr der Gemeinde. Nicht der zivile Vorsteher.
Es ist eine eindrucksvolle Fassade aus der Jahrhundertwende. Drei Geschosse. Flach geneigtes Ziegeldach. Mit weit überkragendem Gesims. Als könnte es allen Schatten spenden. Blickpunkt der Fassade ein prächtiger Balkon über dem Eingang. Von zwei dickrunden Säulen vor dem Absturz bewahrt. Wenn gewichtige Personen von oben herunter leichtfertig alles versprechen. Am Bauch des barockartig herausgedrückten Eisengitters ein ovales, plastisch gearbeitetes Schild mit dem Emblem der „Policía Municipal“. Geschmückt mit einem Pinienzweig.
Unter dieser repräsentativen Wucht ein unauffälliger Eingang. Die schlichte, piniendunkle Tür steht offen, als wir hier vorbeikommen. Jemand mit Aktentasche verlässt das Haus. Wird von der Uniform vor dem Wächterhäuschen zackig gegrüßt. Und verschwindet um die Ecke. Vermutlich ein Anwalt. Wer denkt, hinter so viel Mauer arbeitet eine Mannschaft von Polizisten mit ihren Sekretärinnen, der irrt. Wir sahen nur zwei Polizisten in vielen Wochen.
Wenn wir uns nicht täuschen, immer dieselben Gesichter. Einen hier vor der Kommandatur, den anderen mit dem Motorrad unterwegs. An der Straße nach Felanitx erwischte er uns, als wir auf einen Privatweg abbogen, um abzukürzen. Hundert Pesetas Strafe verschmerzbar. Zwei Deutschmark damals. Aber wo ist der Chef? Im Büro und denkt nach?
Später hören wir, die Ortspolizei hat nur für Ordnung am Ort, im Umland zu sorgen. Bestimmendes Polizeiorgan ist die Gardia Civil. Ehemals eine paramilitärische Truppe. Heute für die Sicherheit im ganzen Land zuständig. Einmal sahen wir in Santany eine Gruppe mit ihren typischen Kopfbedeckungen. Mützen sind es nicht. Eher Helme. Zylindertumpf mit seitlichen Versteifungen und einer trapezförmigen Platte am Hinterkopf. Alles mit schwarzer Lackfolie überzogen. „La mala sombra“, der böse Schatten sagen Leute, die ein schlechtes Gewissen haben.
Wir betreten zum ersten Mal die Calle de los Pinos. Sind sofort angenehm berührt. Mildockriges Grau der Häuser stimmt friedlich. Gelegentlich ein weiß verputztes, das Helligkeit dazwischen schickt. Die Fenster mit Läden geschlossen. Die Mittagsstunden werden heiß.
In der schmalen Straße Häuser, wie wir sie mögen. Schlicht. Fest gefügt. Viel Fläche. Wenig Fenster. Eine Tür. Ein Torbogen. Jedes möchte unseres sein. Zwei, manche drei Etagen. Wenige mit kleinem Balkon. Einen Fuß breit mit Gitter und Blumenkasten. Die meisten Fassaden aus Feldsteinen gemauert, größeren, kleineren. Wetterfest ohne Anstrich. Nur die Fensterumrandungen zeigen sich frisch geweißt. Grün oder blau lackiert die Läden.
Neben der Haustür eine Bank. Oleander im Tontopf. Eine Palme. Noch ist die Sonne nicht da. Eine Tür steht offen. Wir werfen einen Blick hinein. Ein Gefühl flammt auf, Intimes zu verletzen. Sehen durch ein dunkles Zimmer in einen begrünten Innenhof. Der Architekt in mir freut sich. Eine abuela, Oma, schält Kartoffeln. Spricht mit einem kleinen schwarzhaarigen Mädchen, das ihr aufmerksam zuhört. Sie bemerken uns nicht.
In solchen Häusern sind Generationen daheim. Junge und mit den Häusern alt gewordene. Sie leben ihr ganz normales Leben. Im Gegensatz zum Polizeigebäude. Dort verbringen zwei Polizisten acht Stunden damit, die Mitmenschen von ihrer Wichtigkeit zu überzeugen. Bis sie pensioniert sind und gehen. Das Gebäude ist eine leere Hülle. Polizisten zeugen keine Polizisten, die es erben.
Das dritte Haus rechts sieht aus wie die anderen. Flüchtig betrachtet. Zwei Etagen, kein Balkon. Über der schmalen Tür ein Blechschild. „Comestibles Maria“. Schmucklos schwarz auf weiß. In vielen sonnigen Sommern verblasst. Kündigt nichts an, was außergewöhnlich ist. Oder Alles.
„Dann schaun wir mal“, sagt Rose. Ihre Augen blitzen vor Neugier. Der bodenlange Fadenvorhang in der Tür klinkert hell, als wir hindurchgehen. Schwenkt sofort wieder zurück in die Ausgangslage. Die aufgeschnürten kleinen Kugeln und Röhrchen aus bunter Keramik sind schwer. Heute brauchen wir sechs Eier, Butter, Mehl, eine Wurst, die man hier Sobrasada nennt. Käse, eine Packung Tempotücher. Und ein Sieb. Kartoffeln nicht vergessen. „Mariiia!“ Sehen uns um. Alles vollgestopft. „Mariiiiaa.“
Wir hören, Maria werkelt in ihrer Küche und will gerufen werden. Kommt, reibt sich die Hände an der Blümchenschürze trocken. „Mucho frio!“ ruft sie zweimal. Schlägt die Arme umeinander. „Mucho frio!“ Kalt ist es heute. Dreht sich um, schnappt eine Flasche, die immer am selben Platz zu stehen scheint. Holt sich ebenso bereit stehende Gläser. Gießt sie voll bis an den Rand. Schiebt zwei von ihnen zu uns herüber: „Salud!“
Bevor wir fragen können, was sie uns eingegossen hat, war ihres schon ausgetrunken. Gießt nach. „Salud!“ Wir schnuppern am Glas und nippen es langsam leer. Es ist Kognak, frühmorgens und ein Tag nach Dreikönige. Achtzehn Grad.
Marias Comestibles führt nicht nur Lebensmittel, wie der Name sagt. Der Kramladen hat alles, was ein Kramladen haben muss, wenn er diesen Namen verdient. Überall in der Welt. Wir haben nicht gezählt, sondern immer alles bekommen, was wir gerade brauchten. Das am Morgen geschlachtete Huhn, eine Tafel Lindschokolade, Zahnpasta, ein Stück Schlauch mit Anschluss, Ameisenvernichtungsmittel. Einen schönen neuen Einkaufskorb, Olivenholzbesteck und zwei blaugelbe Schälchen. Zum Spanischüben die Tageszeitung. Ich könnte das ganze diccionario herunterbeten, Maria hat alles.
Findet jedes auf Anhieb. Klettert auf die Leiter, langt mit einer Art Haken am Stiel nach diesem und jenem. Alle Artikel des Vollsortiments bis unter die Decke gestapelt. An Stangen gehängt, in Regalen verstaut. Ihre Methode optimaler Raumausnutzung. Besen, Bürsten, Kerzen, Leitern, Sicherheitsnadeln. Hühner, Würste, Kekse, Kochtöpfe, Pfannen, Muttergottesbilder, Andachtsbücher. Zeitungen. Rätselhefte, Körpercreme. Frisch gelegte Eier vorsichtshalber im flachen Korb auf der Theke. Neben der uralten Bizerbawaage mit Messingschale und gusseisernen Gewichten. Die kommt uns irgendwie bekannt vor. Erinnert an Kindheit und Einkaufen mit Mama.
„seit ich dich liebe – fallen die Blätter langsamer von den Bäumen – ziehen die Wolken vorbei – hält sich der Sommer eine Ewigkeit“
Catedral la Seu.
Früh fertig mit Frühstück und Aufräumen. Wollen nach Palma fahren. Der Seat hatte in der Nacht genug Zeit, sich von den gestrigen Strapazen zu erholen, Zylinder und Kolben zu kühlen. Heute braucht er uns nur bis in die Garage unter dem „Parc de mar“ vor der Kathedrale zu bringen. Im Straßengewirr hätte er uns nur Ärger gemacht.
Wir hatten gut geschlafen, Rose von Körben geträumt, die wir gestern auf dem Markt von Artà sahen. Aus Fasern der Zwergpalmen geflochten, die rings um die Stadt in grossen Plantagen wachsen. Ausschließlich für die traditionelle Herstellung von Körben, Taschen und Hüten. Rose traf nicht der Blitz. Mein Portomonaie blieb verschont.
Schon von weitem kommt uns die sonnenhelle Fassade von La Seu entgegen. Wird grösser. Mächtig. Acht obenkantige Strebepfeiler, auf jedem eine zu kurz geratene Fiale. Dazwischen wie nebensächlich, nur stückweise sichtbar, Bögen, Masswerk und vielerlei Undefinierbares. Es fehlt der gewohnte große Turm. Das steinerne Ganze aber wirkt wie ein Stück. Ein rosafarbener Himmelskörper in der Morgensonne. Nachts haucht die Beleuchtung kühles Blau darüber. Wir tippeln die dreimal eckig gewendelte Steintreppe hinauf. Vorbei an Palmen, Palmen. Bleiben am Palau de la Almudaina stehen. Im Innenhof des Königspalastes Wachablösung. Die maurischen