101 Diamanten. Gudrun Anders
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„Ja, das will ich“, erwiderte Guco und prompt tauchte wie aus dem Nichts ein fliegender Teppich auf. Guco setzte sich drauf und der Teppich verschwand mit ihm in seine Vergangenheit. Wie ein Zuschauer sah Guco seinen Lebensfilm vor sich ablaufen und er musste an manchen Stellen sogar lachen.
„Halt, lieber Teppich“, sagte Guco, als er die Szene wieder erkannte, als er zum ersten Mal die Taktik des Kopfeinklemmens und Schultern-Hochziehens ausprobierte. Sein Vater ergoss gerade einen Redeschwall über Guco. „Du bist jetzt alt genug für die Dinge, die du tust, Verantwortung zu übernehmen“, dröhnte der Vater. „Aber bleib' immer hübsch auf dem Teppich! Sonst setzt es etwas! Ich werde nicht davor zurückschrecken, meine Hand gegen dich zu erheben!“ und hob drohend die Faust in die Luft, so dass Guco fast die Luft weg blieb und er seinen Kopf einzog, weil er dachte, dass er jeden Moment grundlos von seinem Vater geschlagen wird.
Und überhaupt: da sollte er, jung, wie er war, die Verantwortung für sich und sein Handeln übernehmen und gleichzeitig drohte der Vater ihm Schläge an? Na ja, er würde wohl Recht haben, alt und weise wie er war, dachte sich Guco und zog die Schultern noch weiter an, um seinen Kopf zu schützen. So war das also damals, dachte sich Guco, der noch immer auf dem fliegenden Teppich saß und das Ganze betrachtete. Dann dachte er sich die Szene neu und der Guco von damals zog plötzlich nicht mehr die Schultern ein.
„So, mein Teppich, ich habe getan, was die gute Fee mir sagte. Bring mich bitte jetzt wieder in das Hier und Jetzt.“
Sie flogen eine ganze Weile und Guco merkte, wie sich bei der Reise durch die Zeit seine Schultern allmählich entspannten und in ihre ursprüngliche Form zurückgingen. Es war ein wenig schmerzhaft. Aber viel schmerzlicher war die Tatsache, dass sein Vater ihm so viel Leid beschert hatte und eigentlich doch nichts dafür konnte.
Wieder im Hier und Jetzt angelangt, verschwand der fliegende Teppich so leise und lautlos, wie er gekommen war. „Ja, das hast du gut gemacht, kleiner Guco“, meldete sich noch einmal die gute Fee zu Worte. „Denk' über dein Leben unter dieser geänderten Perspektive noch einmal nach. Und je mehr du erkennst und dich davon löst und die Situationen bereinigst, desto mehr wird dein Hals wieder zum Vorschein kommen und desto geringer werden deine Schmerzen.“ Und noch ehe Guco einen Dank aussprechen konnte, war die gute Fee verschwunden. Guco blieb zurück – aber nicht mehr ganz so einsam, und er hatte das Gefühl, einen ganz großen Schritt nach vorne gemacht zu haben.
Die Puppe im Garten
Es war einmal eine kleine Puppe mit hübschen, braunen Augen, glänzendem Haar und einem geschmeidigen und biegsamen Körper. Hübsche Kleider hatte sie an und feine Schühchen. Auf dem Kopf trug sie eine Schleife, die in der Sonne golden glänzte. Diese Puppe war eigentlich eine Schmuse- und Kuschelpuppe, aber diese Zeiten waren lange vorbei. Jetzt lag sie hier in diesem verwilderten Garten und keiner kümmerte sich um sie. Zu diesem Garten gehört auch ein Haus. Und zu dem Haus Menschen, aber die waren lange ausgezogen. Früher, ja früher, als sie noch kuscheln durfte mit dem kleinen Mädchen, da ging es ihr gut.
Aber eines Tages blieb das kleine Mädchen einfach weg. So lag sie noch einige Zeit in dem Zimmer des kleinen Mädchens und versuchte ihrer Trauer Ausdruck zu geben. Aber Puppen können ja bekanntlich nicht weinen und so stauten sich alle Tränen in ihrem Inneren. Sie meinte manchmal daran ersticken zu müssen, aber sie tat es nicht.
Dann kamen die beiden Menschen, die das kleine Mädchen immer Mama und Papa genannt hatte und trugen alle Sachen fort. Auch die Puppe. Zunächst standen alle Sachen im Garten und wurden dann in ein großes Auto geladen. Nur die Puppe blieb zurück. Sie fiel aus einem der vielen großen Kartons heraus und niemand hat sie mehr beachtet. Die Puppe versuchte auf sich aufmerksam zu machen, aber Puppen können bekanntlich nicht sprechen. Und so blieb sie im Garten liegen.
Alle Menschen waren weg. Sie war allein. Nachts wurde es jetzt kalt, denn der Winter war nah. Und die Zeit verging. Stunde um Stunde, Tag um Tag. Die Glocken der nahen Kirchturmuhr verkündeten es. Aber unsere Puppe hatte darauf keinen Einfluss. Sie lag im Gras und starrte in den Himmel, diese endlose Weite über ihr und sie konnte sich noch nicht einmal bewegen¬ denn sie war ja nur eine Puppe. Dazu geboren, immer zu gehorchen, immer zu schweigen und keine eigene Meinung zu haben. Das sollte wohl ihr Schicksal sein. Aber sie gab nicht auf. Eigentlich wäre sie nämlich viel lieber ein Mensch gewesen. Ein Mensch mit Gefühlen, der leben und atmen konnte, der die Freiheit und die unendliche Weite des Alls genießen konnte. Ein Mensch, der Spaß haben konnte und der viel lesen, hören und lernen konnte. Es gab doch so viel zu entdecken auf der Welt! Aber sie war eben nur eine Puppe.
Die Zeit verging. Der Winter kam und bedeckte sie mit Schnee. Das schöne Kleidchen wurde schmutzig und die Haare verfilzten. Die Puppe fröstelte. Und wäre sie ein Mensch gewesen, so wäre sie sicherlich schon lange tot gewesen.
Das Frühjahr kam, und es wurde langsam wieder wärmer. Eines Tages hörte die kleine Puppe Stimmen in der Nähe des Gartens. Ganz fest klammerte sie sich an den Gedanken, dass jemand sie finden möge und wieder lieb zu ihr war. Was war denn eine Schmusepuppe wert, die im Garten im Gras lag? Das war nicht ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe war anderen Menschen ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit zu geben, weil viele Menschen untereinander es nämlich nicht können. Und so sind die Puppen ein Ersatz dafür.
Die Stimmen kamen näher. Ja, aber... das war doch mein Menschenkind, das da stand! „He, du, siehst du mich denn nicht? Ich bin es, deine Puppe! Ich möchte wieder zu dir! Ich möchte dir Liebe, Wärme und Geborgenheit geben! „ Das Menschenkind kam jetzt genau auf die Puppe zu. Nun sieh’ doch endlich mal auf den Boden! Nicht nur in den Himmel! Hier auf dem Boden im Dreck bin ich. Auch wenn ich derzeit keine Schönheit mehr bin, lieben kann ich noch immer! Liebe ist nicht von Äußerlichkeiten abhängig.
„Menschenkind, bitte pass doch etwas besser auf. Fast wärst du auf mich drauf getreten. Mein Kleidchen hast du schon fast berührt. Sieh' mich doch einmal an! „
Aber das Menschenkind entfernte sich schon wieder, blieb eine Weile am Baum stehen, umarmte ihn und wandte sich dann wieder ab. Was war denn das? Das Menschenkind weinte ja! Mit so einem verschleierten Blick konnte es mich ja auch nicht sehen, dachte die Puppe bei sich. Das Menschenkind putzte sich die Nase, wischte noch einmal die Augen und plötzlich fiel sein Blick auf die Puppe. Es traute seinen Augen nicht. Zögernd kam es auf die Puppe zu.
„Ja, Runa, das bist ja du!“, sagte das Menschenkind und hob die Puppe sacht hoch. So lange hab’ ich dich gesucht. Bin ich froh, dass ich dich wieder gefunden habe! Ich werde dich mit nach Hause nehmen und deine Kleidchen waschen. Jetzt sollst du es wieder gut haben!“
Viele, viele Jahre sind seitdem vergangen, aber die Puppe ist noch immer bei ihrem Menschenkind und wird wohl auch jetzt für immer dort bleiben.
Die Reise des Bettelkönigs
Es war einmal eine Wahrsagerin, die am Ufer eines breiten Flusses wohnte. Sie lebte dort einsam und zurückgezogen in einer kleinen Hütte. Die meisten ihrer Kunden kamen mit dem Boot zu ihr, denn so war es am bequemsten. Dort am Ufer konnte man schön anlegen und das Boot festmachen, damit es von der Strömung des Flusses nicht weggerissen wurde. Wollte man die Hütte der Wahrsagerin von der anderen Seite aus erreichen, so musste man lange, verschlungene Pfade durch den Wald gehen und es bestand die Gefahr, dass man sich in dem dunklen Wald verirrte.
Eines Tages war ein älterer Mann bei der Wahrsagerin und wollte etwas über