KNIGGE: Über Eigennutz und Undank. Adolph Freiherr von Knigge

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KNIGGE: Über Eigennutz und Undank - Adolph Freiherr von Knigge

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Moral-Princip ist durchaus nicht

       für diese Erde gemacht. Wenn wir hingegen den Zweck

       jeder Handlung, den Grad des Nutzens vor Augen

       haben, den sie bey Beförderung unsrer Glückseligkeit

       gewährt, welche zu suchen und zu finden, wir von dem

       Schöpfer auf die Welt gesetzt sind und zu welcher die

       Mitwürkung zum Wohl unsrer Nebenmenschen und zur

       Harmonie des Ganzen nothwendig mit erfordert wird; so

       handeln wir gewiß nach den reinsten moralischen

       Grundsätzen, für welche die menschliche Natur

       empfänglich ist. Das Andre ist Ueberspannung, so wie

       die reine, uneigennützige Liebe zu Gott, welche einige

       Theologen dem Christen haben zur Pflicht machen

       wollen, da doch selbst der erhabene Stifter unsrer

       Religion die Bewegungsgründe zur Gottesliebe aus den

       Verhältnissen herleitet, in welchen wir zu dem höchsten

       Wesen als dem Vater, Wohlthäter, Regierer, Richter und

       Vergelter stehen. Man nehme diese Verhältnisse weg; und

       der sinnliche Mensch wird nichts für das höchste Wesen

       empfinden können, als kalte Bewunderung, Gefühl von

       weitem Abstande und von der Unmöglichkeit einer

       Annäherung. Man nehme von den Bewegungsgründen

       zur Tugend den Zweck, dadurch unsern Zustand

       vollkommner zu machen, hinweg; und wir werden gar

       keinen bestimmten Begriff damit verbinden; ja! selbst die

       innere Stimme unsers Gewissens muß, wenn sie uns

       richtig über das, was recht und unrecht ist, belehren soll,

       von der Vernunft geleitet werden, indem diese die

       Regelmäßigkeit einer Handlung nach dem Zwecke

       beurtheilt, welcher, je nachdem er nützlich oder nicht

       nützlich ist, wohlthätige oder schädliche Folgen

       vorausahnen läßt. Ließe sich's denken, daß eine

       Handlung gar keine Folgen haben könnte; so würde diese

       weder recht, noch unrecht, also gleichgültig für die

       Moralität seyn. Allein solche Handlungen giebt es, genau

       betrachtet, wohl gar nicht. Und das ist denn endlich der

       letzte Vorzug unsers Systems, daß es den Werth aller

       Handlungen, nach den Graden ihrer Nützlichkeit

       bestimmen kann, da hingegen die so gepriesenen reinen

       Begriffe von Recht und Unrecht sich auf eine große

       Anzahl von Handlungen gar nicht anwenden, folglich

       den Werth derselben unbestimmt lassen.

       22.

       Wie wenig fest und haltbar überhaupt die von den

       Philosophen der neuern Schule aufgestellten Grundsätze

       seyen, davon hat mich noch kürzlich, so wie manche

       andre Stelle in ihres, übrigens sehr achtungswerthen

       Lehrers Schriften, vorzüglich eine Anmerkung, die ich in

       einem seiner Werke finde, das den Titel führt: Die

       Religion, innerhalb den Grenzen der bloßen Vernunft,

       überzeugt. Hier, wo er sich bemüht, sein System so zu

       zerren, daß es auch über den Leisten der theologischen

       Orthodoxen passen, folglich auch der Lehre von der

       Erbsünde keinen Abbruch thun soll, sagt er: »Es sey eine

       von den unvermeidlichen Einschränkungen des

       Menschen und seines practischen Vernunftvermögens,

       sich bey allen Handlungen nach dem Erfolge davon

       umzusehn.« Nun dann! wenn dies eine für ihn

       unvermeidliche Einschränkung ist; so scheint es doch

       wohl der Vernunft nicht gemäß, von ihm zu fordern, daß

       er nach Bewegungsgründen handeln solle, die gar keinen

       Bezug auf den Erfolg haben, und die also für seinen

       eingeschränkten Geist zu hoch sind.

       23.

       Und nun zum Schlusse dieses, vielleicht manchem Leser

       zu trocken scheinenden Abschnittes, noch einige

       Bemerkungen! Ich habe oben die Würklichkeit

       angebohrner, allen Menschen eingepflanzter bestimmter

       Begriffe von Tugend und Pflicht geleugnet. Es ist

       hingegen unwiderlegbar gewiß, daß in unsrer Natur ein

       lebhaftes Gefühl von Recht und Unrecht, das heißt: von

       dem, was der Vernunft gemäß und nicht gemäß ist,

       herrscht, welches jedoch erst durch die Verhältnisse und

       Lagen, in welche wir versetzt werden, eine deutliche und

       bestimmte Richtung bekömmt. Es geschieht aber, durch

       eine sehr gewöhnliche Verwechselung von Ideen, daß wir

       diejenigen Eindrücke, welche wir durch Erziehung und

       nachherige Bildung erhalten haben, nachdem sie uns zur

       andern Natur geworden sind, für angebohrne Begriffe

       halten. Daher der Irrthum derjenigen, welche, mit

       Verwerfung aller Rücksichten auf Erfolg und Nutzen, in

       dem Geiste und Herzen der Menschen die

       vollkommensten und würksamsten reinen Motive zur

       moralischen Pflicht-Erfüllung zu finden glauben. Diese

      

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