Maria Stuart. Stefan Zweig
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Dieses Abenteuer gestaltet sich durchaus romantisch; wie fast jede Episode in diesem schottischen Land formt es sich zur blutdunklen Ballade. Der erste Bewunderer Maria Stuarts am französischen Königshof, Monsieur Danville, hatte seinen jungen Freund und Begleiter, den Dichter Chastelard, zum Vertrauten seiner Schwärmerei gemacht. Nun muß Monsieur Danville, der Maria Stuart gemeinsam mit den anderen Edelherren auf ihrer Reise nach Schottland begleitet hatte, nach Frankreich zurück, zu seiner Frau, zur Pflicht: der Troubadour Chastelard aber bleibt in Schottland, gleichsam als der Statthalter fremder Neigung. Und es ist nicht ungefährlich, immer zärtliche Verse zu dichten, denn aus dem Spiel wird leicht Wirklichkeit. Maria Stuart nimmt unbedacht die poetischen Huldigungen des jungen, in allen ritterlichen Künsten wohlerfahrenen Hugenotten entgegen, sie erwidert sogar seine Verse mit eigenen Gedichten; welche musisch empfindsame, inmitten einer rauhen und rückständigen Umgebung vereinsamte junge Frau würde nicht geschmeichelt sein, sich in so bewundernden Strophen gefeiert zu hören wie:
»Oh Déesse immortelle Escoute donc ma voix Toy qui tiens en tutelle Mon pouvoir sous tes loix Afin que si ma vie Se voie en bref ravie Ta cruauté La confesse périe Par ta seule beauté«
und besonders, wenn sie sich ohne Schuld fühlt? Denn einer wirklichen Gegenliebe für seine Leidenschaft kann sich Chastelard nicht rühmen. Melancholisch muß er eingestehen:
»Et néansmoins la flâme Qui me brûle et entflâme De passion N'émeut jamais ton âme D'aucune affection.«
Wahrscheinlich bloß als poetische Huldigung inmitten soviel anderer höfischer und liebedienerischer Schmeicheleien nimmt Maria Stuart, die selbst als Dichterin um das Übertreibliche alles Lyrischen weiß, derartige Strophen ihres hübschen Seladon lächelnd hin, und völlig ohne andere als spielerische Laune duldet sie Galanterien, die an einem romantischen Frauenhofe nichts Befremdliches bedeuten. In ihrer unbefangenen Art scherzt und spaßt sie mit Chastelard genau so arglos wie mit ihren vier Marys. Sie zeichnet ihn aus mit kleinen unverfänglichen Artigkeiten, sie wählt ihn (der dem Range nach ihr kaum nahen dürfte) als Partner zum Tanz, sie lehnt sich während einer Tanzfigur, dem Falking-Dance, einmal sehr nahe an seine Schulter, sie erlaubt ihm eine freiere Rede, als sie in Schottland, drei Straßen von John Knoxens Kanzel, üblich ist, der »such fashions more lyke to the bordell than to the comeliness of honest women« schilt; sie gewährt Chastelard vielleicht sogar einmal beim Masken- oder Pfänderspiel einen flüchtigen Kuß. Aber an sich nicht bedenklich, zeitigen solche Vertraulichkeiten doch die schlimme Wirkung, daß seinerseits der junge Dichter, ähnlich Torquato Tasso, die Grenzen zwischen Königin und Diener, Respekt und Kameradschaftlichkeit, zwischen Galanterie und Schicklichkeit, Ernst und Scherz nicht mehr deutlich wahrnimmt und heißköpfig seinem Gefühle folgt. So ereignet sich unvermutet ein ärgerlicher Zwischenfall: Eines Abends finden die jungen Mädchen, die Maria Stuart bedienen, Chastelard im Schlafzimmer der Königin hinter den Vorhängen versteckt. Sie vermuten zunächst nichts Unziemliches, sondern betrachten diese jugendliche Tollheit als Schabernack; mit muntern und scheinbar erzürnten Reden wird der Übermütige von den Mädchen aus dem Schlafzimmer hinausgetrieben. Auch Maria Stuart nimmt seine Taktlosigkeit mehr mit verzeihender Milde auf als mit wirklicher Entrüstung; der Vorfall wird sorgfältig vor dem Bruder Maria Stuarts verschwiegen, und von einer ernsten Bestrafung für einen so ungeheuerlichen Verstoß gegen jede Sitte ist bald keine Rede mehr. Aber diese Nachsicht war fehl am Ort. Denn entweder fühlt sich der Tollkopf von der leichten Auffassung im Kreise der jungen Frauen eher ermutigt, seinen Spaß zu wiederholen, oder eine wirkliche Leidenschaft zu Maria Stuart beraubt ihn aller Hemmungen – jedenfalls, er folgt heimlich der Königin auf ihrer Reise nach Fife, ohne daß jemand bei Hofe von seiner Anwesenheit eine Ahnung hätte, und erst als Maria Stuart schon halb entkleidet ist, entdeckt man den Unsinnigen abermals in ihrem Schlafgemach. Im ersten Schreck schreit die beleidigte Frau auf, der schrille Ruf hallt durch das Haus, aus dem Nachbarzimmer stürzt Moray, ihr Stiefbruder, herein, und jetzt ist Verzeihen und Verschweigen nicht mehr möglich. Angeblich verlangte damals Maria Stuart (es ist nicht wahrscheinlich), Moray solle sofort den Verwegenen mit dem Dolch niederstoßen. Aber Moray, der bei jeder Handlung, im Gegensatz zu seiner leidenschaftlicheren Schwester, klug und rechnerisch alle Folgen überdenkt, weiß genau, die Ermordung eines jungen Mannes im Schlafzimmer einer Königin würde mit seinem Blute nicht nur den Estrich, sondern auch ihre Ehre beflecken. Öffentlich muß ein solches Vergehen angeklagt, öffentlich auf dem Marktplatz der Stadt muß es gesühnt werden, um die völlige Unschuld der Herrscherin vor dem Volke und vor der Welt darzutun.
Wenige Tage später führt man Chastelard zum Block. Seine freche Verwegenheit ist von den Richtern als Verbrechen, seine Leichtfertigkeit als Böswilligkeit gewertet worden. Einstimmig erkennen sie ihm die härteste Strafe zu: den Tod durch das Beil. Maria Stuart, selbst wenn sie wollte, hat jetzt keine Möglichkeit mehr, den Unsinnigen zu begnadigen; schon haben die Gesandten an alle Höfe von dem Vorfall berichtet, in London, in Paris beobachtet man neugierig ihr Verhalten. Jedes Wort zu seinen Gunsten würde jetzt als Eingeständnis einer Mitschuld gedeutet werden. So muß sie härter erscheinen, als sie wahrscheinlich persönlich gesinnt war, und den Gefährten munterer und gefälliger Stunden in seiner schwersten Stunde ohne Hoffnung und Hilfe lassen.
Chastelard stirbt, wie es sich an dem Hof einer romantischen Königin ziemt, einen tadellosen Tod. Er weist jeden priesterlichen Beistand zurück, nur die Dichtung soll ihn trösten und das Bewußtsein, daß
»Mon malheur déplorable Soit sur moy immortel«.
Aufrecht schreitet der tapfere Troubadour zur Richtstätte, und statt Psalm und Gebet rezitiert er laut auf dem Wege die berühmte »Epitre à la mort« seines Freundes Ronsard:
»Je te salue, heureuse et profitable Mort Des extrêmes douleurs médicin et confort.«
Vor dem Block hebt er noch einmal das Haupt zu einem Anruf, der mehr ein Seufzer ist als Anklage: »O cruelle dame«, dann beugt er sich gefaßt nieder, um den mörderischen Hieb zu empfangen. Dieser Romantiker stirbt im Stil einer Ballade, eines Gedichts.
Aber dieser unselige Chastelard ist nur ein einzelner aus einer dunklen Schar, er ist bloß der erste, der für Maria Stuart stirbt, er geht nur den anderen voran. Mit ihm beginnt der gespenstige Totentanz all derer, die für diese Frau zum Richtblock schreiten, von ihrem Schicksal angezogen und sie selbst mitziehend in das eigene Schicksal. Aus allen Ländern kommen sie, wie bei Holbein schleifen sie sich hinter der schwarzen beinernen Trommel willenlos heran, Schritt für Schritt, Jahr für Jahr, Fürsten und Regenten, Grafen und Edelleute, Priester und Krieger, Jünglinge und Greise, alle sich für sie opfernd, alle für sie geopfert, die unschuldig schuldig ist an ihrem finstern Gang und ihn selber zur Sühne beschließt. Selten hat das Schicksal so viel Todesmagie in eine Frauengestalt getan: wie ein dunkler Magnet zieht sie auf das gefährlichste alle Männer ihrer Umwelt in verhängnisvolle Bahn. Wer ihren Weg kreuzt, gleichgültig ob in Gunst oder Ungunst, ist dem Unheil verfallen und gewaltsamem Tod. Es hat niemandem Glück gebracht, Maria Stuart zu hassen. Und noch schwerer haben jene gebüßt, die es wagten, sie zu lieben.
Nur scheinbar ist darum diese Episode Chastelards ein Zufall, ein bloßer Zwischenfall: zum erstenmal enthüllt sich hier – ohne daß sie