Der Ruf aus Kanada. Rudolf Obrea

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Ruf aus Kanada - Rudolf Obrea страница 17

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Ruf aus Kanada - Rudolf Obrea

Скачать книгу

alte Gewohnheiten sowohl Vor- als auch Nachteile berücksichtigen muss, um sie bei der Gestaltung einer aussichtsreichen Zukunft als wertvolles Stützfundament im Blickfeld zu behalten. Der Aufenthalt bei meinen Eltern verlief bequem und erholsam. Allerdings merkte ich aber bald auch, dass mir ihre Art zu leben nicht mehr ausreicht, um mich damit nach meinen eigenen Vorstellungen weiter zu entwickeln. Ihre Leistung bestand darin, dass sie nach dem Krieg den Zusammenbruch überwanden und sich eine neue Existenzgrundlage aufbauten. Das damit erzielte Ergebnis befriedigt sie und sie versuchen jetzt, die erzielten Errungenschaften mit der Befürwortung der entsprechenden Maßnahmen und Gesetze abzusichern. Neuen Ideen und Visionen begegnen sie mit Skepsis, verbunden mit der Angst, das bisher Erreichte wieder zu verlieren. Mich selbst reizen stattdessen die ungewissen Herausforderungen, um auf diese Weise meine Fähigkeiten maximal auszuloten. Die sich ergebenden Resultate erweitern meinen persönlichen Erfahrungsschatz und stärken mit den selbsterrungenen, positiven Ergebnissen mein Selbstwertgefühl.

      Jim, der mit gesenktem Blick den Ausführungen seines Partners zugehört hatte, hob plötzlich seinen Kopf und sah ihn durch seine Brille interessiert an, weil er etwas von einer Vorliebe für ungewisse Herausforderungen gehört hatte. Erleichtert und gleichzeitig aufmunternd antwortete er: „In deiner Abwesenheit nahm der Druck auf mich ständig zu und zwar hauptsächlich ausgelöst von Ron Harrington in Bancroft und diversen Schreiben sowie Telefonaten unserer Firma. Ich brauche deshalb dringend deine Unterstützung und offeriere dir ein ganzes Bündel von Herausforderungen, mit denen du dich in der nächsten Zeit ausgiebig beschäftigen kannst. Ron scheint seine Schwierigkeiten mit der Baustelle jetzt besser zu beherrschen. Unsere Monteure können deshalb mit der Aufstellung der Maschinen beginnen. Wir sollten uns im Laufe der Woche einen Zeitplan überlegen, nach dem die Koordination der Arbeiten einschließlich der Lieferungen und Leistungen hiesiger Hersteller erfolgt und nach dem du anschließend in Bancroft die Kontrolle des Aufbaus übernimmst.“ „Einverstanden“ erwiderte Sven, Aber bring mich jetzt erst einmal zum Abschluss meiner mental noch nicht verarbeiteten Atlantiküberquerung nach Hause. Ich verspreche dir morgen einen neuen Menschen, der wieder ganz bei dir ist.“ Während sie aufstanden, nickte Jim verständnisvoll und verfrachtete seinen Mitstreiter zu dessen Wohnung nach Bolton. Die gerade überstandene Zeitverschiebung ließ Sven noch nicht zur Ruhe kommen und er nutzte deshalb den in Hamburg beginnenden Nachmittag dazu, um Sabine anzurufen und ihr von seiner Ankunft in Toronto zu berichten. Ihre freudige Reaktion überraschte ihn. Der Abschied und die damit verbundene Trennung schien für sie kein Grund zur Besorgnis zu sein, sondern veranlasste sie, ihn fast ein wenig neidisch zu bewundern und gleichzeitig seinen neuen Tatendrang aufmunternd zu beflügeln. Ihre eigene Sehnsucht nach der Fremde blieb dabei unverkennbar und Sven musste sich erneut eingestehen, dass er sich nicht nur in eine gut aussehende Frau verliebt hatte, sondern im Gleichklang ihrer Denkweise auch eine wichtige und hilfreiche Partnerin besaß, mit der er sich den Aufbau und die Gestaltung einer gemeinsamen, kanadischen Zukunft erfolgversprechend vorstellen konnte.

      Am nächsten Morgen musste Wilhelm Meissner lange und ausdauernd an die Tür seines Mieters klopfen, bevor er zur bestellten Weckzeit eine sprachlich nicht ganz verständliche Antwort bekam. Erst die nur verschwommen erkennbare Zimmereinrichtung machte Sven bewusst, dass er nicht in Bergedorf bei seinen Eltern war, sondern sich möglichst umgehend auf seine Gegenwart in Bolton, Kanada, einzustellen hatte und wie hier üblich rief: „Danke Bill! Ich komme gleich.“ Die neue Zeitrechnung begann für ihn endgültig, als er, gestärkt durch eine kräftiges Frühstück, tatendurstig und voller Zuversicht zu Jim ins Büro fuhr.

      Im Anschluss an ihre Begrüßung übergab Sven die aus Deutschland mitgebrachte Post und wurde zum Ausgleich auf den Stapel Papiere verwiesen, der auf seinem Schreibtisch für ihn bereitlag. Während sie sich noch mit den Unterlagen beschäftigten, verlor Jim bald die Geduld und fragte aufgeregt: „Was sollen wir Ron in Bancroft zum Montagebeginn sagen?“ Als Antwort griff Sven zum Telefon und sagte beruhigend: „Ich rede mit ihm und erkundige mich nach seinen Vorbereitungen. Wir werden ihm auf alle Fälle helfen, die von ihm verursachte Verzögerungen wieder aufzuholen, vorausgesetzt, dass auch er bereit ist, unsere Zusammenarbeit zu honorieren.“ Bei dem Telefonat einigte er sich tatsächlich überraschend schnell mit Ron und erhielt die notwendigen Auskünfte, um damit bei Wegener in Esslingen den ersten Monteur anzufordern. Zufrieden stellte Jim anschließend fest: „Du scheinst selbst hier in Kanada ein guter „Löwenbändiger“ zu sein.“ Die Antwort kam prompt und kurz: „ Dieses ist eine der Hauptaufgaben, die mich für meine Arbeit qualifizieren.“ Ihre abschließende Benachrichtigung von Wegener ergab, dass Peter Baumann, den Sven bereits in Esslingen getroffen hatte, am Anfang der folgenden Woche nach Toronto kommen würde, um zusammen mit ihm nach Bancroft zu fahren. Die verbleibenden Tage nutzten sie vor Allem, um, wie bereits vereinbart, die Aufteilung der zu erwartenden Aufgaben im Rahmen ihrer weiteren Zusammenarbeit zu besprechen und so aufeinander abzustimmen, dass sie sich intern möglichst reibungslos ergänzten und nach außen ein geschlossenes Team bildeten. Begegnungen mit kanadischen Lieferanten und Behörden der Provinzialverwaltung dienten als erster Test.

      Besonders freute sich Sven auf das Wiedersehen mit Arne Erikson, der sie als Erster besuchte. Schon als er mit seiner großen, breitschultrigen Gestalt in ihrem Büro auf sie zukam und mit einem kräftigen Händedruck begrüßte, erzeugte er eine vertrauenswürdige, ehrlich und wahrhaftig wirkende Atmosphäre, wie sie hauptsächlich dem Land verbundene Einheimische kennzeichnet. Skeptisch aber gleichzeitig auch wohlwollend blickte er den Ausländer an und fragte ihn mit einem leicht ironischen Unterton: „Hast du dich jetzt endgültig dazu entschlossen, mit unseren „Lumberjacks“ in der Abgeschiedenheit Bancrofts gemeinsame Sache zu machen?“ Sven fiel dazu nur folgende Antwort ein: „Kann doch ganz interessant werden, besonders wenn wir im kommenden Winter keine Abwechslung mehr haben und uns solange prügeln, bis wir merken, dass der gemeinsame Spaß einen größeren Unter- haltungswert besitzt.“

      Arne grinste zustimmend, indem er den Hintergedanken dieser unkonventionellen Antwort verstand und erwiderte: „Ich stelle fest, dass du bereits einschlägige Erfahrungen besitzt. Deine Einstellung gefällt mir, weil sie eine offene, direkte Auseinandersetzung mit den lokal bedingten Widrigkeiten und deren, von Anpassung begleiteten, Überwindung zum Ausdruck bringt. Wie mein Anwalt Ben bei unserem Treffen im Segelclub bereits richtig erkannte, lähmt die hiesige Zivilisation der Großstadt mit ihren alles beherrschenden Regeln und festgefahrenen Gepflogenheiten die selbstbewusste, unabhängige Eigeninitiative, die unsere Nordländer im ständigen Kampf mit den Herausforderungen der Natur beweisen müssen. Als fremder Außenseiter erreichst du den von dir erwähnten „Gemeinsamen Spaß“ mit ihnen nur, wenn sie bei deinem Vorgehen und deinen damit verbundenen Aktivitäten diese Art freier und unvoreingenommener Eigeninitiative erkennen.“ Sven bestätigte mit nachdenklichem Kopfnicken diese Interpretation des vorher Gesagten und fragte abschließend: „Seid ihr bereit, mir am Anfang durch korrigierende Hinweise zu helfen?“ Jim versicherte ihm daraufhin: „Wir haben dich bei uns hier akzeptiert und du kannst dich deshalb auf unsere volle Unterstützung verlassen.“ Sichtlich erleichtert, bedankte sich Sven bei ihnen, wusste er doch, dass er mit dieser Zusage die erste bedeutende Etappe seines neuen Anfanges in Kanada erfolgreich zu seinen Gunsten entschieden hatte.

      Anschließend gelang ihnen im Laufe der Woche alle Einzelheiten ihres weiteren Vorgehens zu erläutern und so weit zu klären, dass Svens Übersiedlung nach Bancroft, wie geplant, mit der Abholung seines Monteurs am Flughafen in Toronto beginnen konnte.

      2.7

      Am Nachmittag vor der Ankunft von Peter Baumann erzählte Sven noch einmal ausführlich über seine Begegnung mit ihm während seines Aufenthaltes in Esslingen. Jim hörte aufmerk-sam zu und sagte schließlich: „Wir müssen uns anstrengen und versuchen, das feurige, mexikanische Klima durch die Vorzüge unserer langweiligen Zuverlässigkeit zu kompensieren. Ich begleite dich zum Flugplatz, damit wir beide zusammen einen ersten, hoffentlich attraktiven Eindruck bewirken.“ Sven aber blieb skeptisch und antwortete: Vielen Dank für deine Unterstützung! Ein mexikanischer Schwabe, der in die kanadische Einsamkeit gebracht wird, benötigt sicherlich

Скачать книгу