Der Ruf aus Kanada. Rudolf Obrea
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Sven, der aufmerksam zugehört hatte, erwiderte: „Selbst wenn uns der bevorstehende Winter auf eine harte Probe stellen wird, bleibt uns die Hoffnung auf einen verdienten Ausgleich im nächsten Sommer. Zunächst aber werden wir deine Ratschläge befolgen und mit eigenen Ideen ergänzen, damit wir nächstes Jahr gemeinsam unseren Besuchern aus Deutschland die Vorzüge demonstrieren, die das von der Natur geprägte Eigenleben auszeichnen.“ „Ich möchte euch trotzdem nicht nur mit Vorschlägen locken, sondern auch noch die anderen Sehenswürdigkeiten von Bancroft zeigen. Fangen wir am besten beim alten Bahnhof an.“
Sie gingen in den Ort zurück, überquerten den York River und kamen auf der anderen Seite zu einem nicht besonders auffälligen, lagerhausartigen, eingeschossigen Gebäude, das lediglich mit der Aufschrift „The Old Station“ den alten Bahnhof erkennen ließ. Sie betraten das Gebäude über einen seitlichen Eingang und befanden sich vor dem Ladentisch des durch eine Vielzahl von Prospekten gekennzeichneten Touristen Zentrums. Eine Dame, mittleren Alters, nicht sehr groß und vollschlank erkannte Dave und kam freundlich lächelnd auf sie zu. Er begrüßte sie und stellte Sven und Peter als seine Neuzugänge aus Esslingen in Deutschland vor. Sie grinste über ihr ganzes, breites, hellrosa gefärbtes Gesicht, sah sie mit ihren kleinen, blauen Augen schelmisch an und sagte: „Grüß Gott, ihr Büble, kommt nur rein und verzählet mir etwas übers Schwabeländle. Ich bin die Maria Pröll, die euch im Gegenzug alles über Bancroft berichtet.“ Obwohl er kein deutsch verstand, zeigte sich Dave zufrieden, dass ihm die Überraschung mit der Präsentation der Landsmännin seiner Begleiter gelungen war. Zusammen mit Sven überließen beide Peter die erste Reaktion, die dieser im schwäbischen Dialekt auch sofort parat hatte und so Maria zu ihrer neuen Bundesgenossin machte. Sie wohnte in Baptiste und lud Peter und Sven zum Sonntagskaffee ein, um mit ihnen in deutsch gemütlich weiter zu plaudern.
Im angeschlossenen Mineralmuseum übernahm Dave wieder die Führung. Er berichtete ihnen: „Die Gegend zählt bereits zur nördlichen Breitenregion, die ganz Kanada von Ost nach West durchquert und dem Land seinen Reichtum an Bodenschätzen der verschiedensten Art beschert. In der Nachbarschaft von Bancroft befinden sich Fundstellen für Edelsteine, zum Beispiel Rubine und Aquamarine, Quarze und andere Halbedelsteine, die sich zwar nicht für eine industrielle Ausbeutung eignen, aber bei geführten Touren für die Touristen über- raschende Funde bereithalten. Einen zusätzlichen Anreiz bieten ausgewählte und bearbeitete Steine, die den Besuchern hier im Mineralmuseum gezeigt werden.“ Sein krönender Vorschlag zum Abschluss ihres Spazierganges lautete: „Besucht zusammen mit euren Frauen die jährlichen Mineralienaustellungen. Dabei kauft ihr günstig Edelsteine und Schmuck, den ihr ihnen wirkungsvoll als Zeichen eurer Zuneigung überreicht.“ Peter, der sparsame Schwabe, erwiderte lachend: „Ich glaube, wir kommen günstiger davon, wenn wir die Frauen auf die Suche nach den Edelsteinen schicken. Dieses gibt ihnen Beschäftigung und ein Erfolgserlebnis, das uns weniger kostet.“ Dave verabschiedete sich daraufhin mit der Bemerkung: „Ich erkenne eure realistische Einstellung und bin überzeugt, dass ihr euch damit bald kaum noch von den Ansichten der hiesigen Bevölkerung unterscheiden werdet.“
2.8
Zufrieden gingen Sven und Peter zurück zu ihrem Hotel. Ähnlich den Erlebnissen von Touristen hatten sie die wichtigsten Sehenswürdigkeiten ihrer neuen Umgebung gesehen und erklärt bekommen. Zusätzlich hatten sie sowohl bei der Arbeit als auch bei der Begegnung mit Dave die ersten persönlichen Kontakte geknüpft und dabei wertvolle Hinweise auf die örtlichen Gegebenheiten erhalten, besonders wie sie sich am Besten den kargen Lebensbedingungen des bevorstehenden Winters anpassen konnten. Gespannt blieben sie auf die Erzählungen von Maria Pröll, ihrer neuen Bekannten. Sie wusste als eingewanderte Deutschkanadierin sicherlich noch über weitere Neuigkeiten von Landund Leuten zu berichten.
Der Ort Baptiste liegt etwa 15 km von Bancroft entfernt., Bei ihrer Fahrt sahen sie unterwegs kaum Häuser, sondern nur bewaldete Hügel zu beiden Seiten einer einsamen Landstraße, die als Abwechslung lediglich von der Überquerung einer flussartigen Verbindung zwischen zwei sumpfartigen Seen unterbrochen wurde. Sie erkannten ihr Ziel an der losen Ansammlung einfacher Holzhäuser, begleitet von einer Anzahl Cottages, die verstreut am langgezogenen Seeufer des Baptist Lakes lagen. Dazwischen ließ sich Marias zweigeschossiges, weißes Haus mit Nebengebäuden zum See leicht ausmachen. Die lange Zufahrt erlaubte der Besitzerin, das Auto ihrer Besucher rechtzeitig zu sehen und sie vor dem Haus stehend, mit ausgebreiteten Armen zu begrüßen. „Hallo, ihr Außerirdischen! Selten, dass ich Besucher aus Deutschland bekomme und um diese Jahreszeit schon gar nicht.“ Sie stiegen aus, umarmten ihre Gastgeberin und wurden von ihr um das Haus herum zu einer bequemen Sitzecke auf der zum See ausgerichteten Veranda geführt.
Der Blick auf die glatte, weite Seefläche, die nur durch die entfernten bewaldeten Ufer zu beiden Seiten begrenzt war und nach Norden in der endlosen Weite des Horizontes verschwand, faszinierte sie und machte sie zunächst sprachlos, bis Sven bewundernd ausrief: „Ich gratuliere dir, Maria! Du hast dir einen schönen Platz zum Wohnen ausgesucht. Wie bist du hier her gekommen?“ „Eine mir oft gestellte Frage, antwortete sie, aber leicht zu erklären. Mein Mann und ich wanderten nach Kanada aus, weil wir von einem naturverbundenen Leben träumten. Daraus wurde aber zunächst nichts, weil wir nur in Toronto Arbeit fanden. Uns blieb lediglich die Sehnsucht, die sich erst 15 Jahre später erfüllte, als wir hier mit der Unterstützung einer Pelzexportfirma eine Bieberzucht aufbauten. Fünf Jahre später starb mein Mann an Krebs. Ich verkaufte das Geschäft, blieb aber hier, weil ich in der Umgebung viele Freunde habe und mir im Tourismusbüro sowie mit der Vermietung von Ferienwohnungen an Sommertouristen einen zusätzlichen Verdienst erwirtschafte, der mir im Winter meine Reisen zur Verwandtschaft nach Europa und zu meinen Kindern in Kalifornien finanziert.“ „Ein abwechslungsreiches, interessantes Leben, wenn man bedenkt, daß du in dieser Abgeschiedenheit wohnst.“ „Ja, ich kann mich nicht beklagen, muss allerdings hinzufügen, dass ich mir diese Lebensweise zäh und zielbewusst erarbeitet habe. Jeder kann sich hier ungehindert, allein auf sich gestellt, frei entscheiden, wie er sich durchbringt. Die Gefahr liegt bei der Ziellosigkeit in dieser Einsamkeit, da der Ansporn im Vergleich mit dem Nachbarn fehlt und noch schlimmer mit dem gesamten menschlichen Umfeld. Nur wenige haben die Kraft, sich mit der nötigen Selbstkritik von der Lethargie des Dahinvegetierens zu befreien. Nicht umsonst sind wir Nordländer stolz darauf, dass nur diejenigen sich durchsetzen, die ein hohes Maß an unerschütterlichem Selbstbewusstsein besitzen.. Doch jetzt habe ich erst einmal genug geredet. Ich lasse euch eine Weile allein, um den versprochenen Kaffee zu kochen und diesen, wie ich schon als Kind gelernt habe, mit einem Stück selbstgebackenen Sonntagskuchen zu servieren.“
Die Gäste nickten zustimmend und als sie im Haus verschwunden war, gestand Peter Sven anerkennend: „Maria scheint uns mit der Einteilung ihres Lebens noch ein Schritt voraus zu sein. Während wir auf der Baustelle schon froh sind, den Zwängen von Zuhause zu entkommen, sitzen wir dafür hier den Winter über fest, während die Dame sich im warmen Süden und in Europa vergnügt.“ „Du darfst aber nicht vergessen, dass sie mit ihrer Vergangenheit dafür bereits einen hohen Preis bezahlt hat. Sie sollte uns deshalb ein Wegweiser sein, wie wir in unserem Leben eines Tages ebenso unabhängig unseren eigenen Neigungen nachgehen können. Wir bewegen uns in die richtige Richtung, müssen aber auch noch Lehrgeld bezahlen.“ Maria, die bei Svens letzten Worten mit ihrem Kaffeegeschirr wieder bei ihnen auf der Veranda erschien, fragte neugierig: „Was meinst du mit „Lehrgeld bezahlen“? „Wir dachten an deine Winterausflüge, während wir hier angebunden bleiben und dieses als Lehrgeld bezeichneten, um das von dir gepriesene nordische Selbstbewusstsein zu trainieren.“
Maria verteilte die Tassen und Teller, schenkte den Kaffee ein und servierte den Kuchen. Dabei überlegte sie sich eine passende Antwort und sagte schließlich beim zufriedenen Blick auf ihre Gäste: „Ihr habt recht! Ich genieße das, was ich erreicht habe. Wie ich euch bereits andeutete, kamen mein Mann und ich in diese Gegend , um uns den Traum eines natur-verbundenen Lebens zu erfüllen. Diese Einstellung wurde zu